Ingolstadt
Kettensägenattacke in der Nacht

Pizzabote entkommt mit knapper Not - Polizei nimmt nach kurzer Fahndung drei Verdächtige fest

03.01.2018 | Stand 02.12.2020, 17:00 Uhr
Das Auto des Pizzaboten nach dem Angriff, der vermutlich so ablief: Ein Mann hieb mit einer Axt auf die Frontscheibe ein, während ein Komplize an der Fahrerseite die Kettensäge ansetzte. Als dort die Scheibe barst, drang er mit der Säge ins Wageninnere vor. Der 31-Jährige am Steuer konnte sich wegducken - und dann Gas geben. −Foto: Polizei

Ingolstadt (DK) Es war wie eine Szene aus einem ganz schlechten Film. Doch völlig real. Am späten Dienstagabend haben zwei Männer einen Pizzaboten mit einer laufenden Kettensäge und einer Axt attackiert. Als die Täter versuchten, dessen Auto brachial zu öffnen, konnte der 31-Jährige gerade noch fliehen.

Es muss gespenstisch gewesen sein. Anfangs zumindest. Dann wurde es brutal. Richtig brutal. "Der Angriff hat höchstens vier Minuten gedauert", erzählt das Opfer am Tag danach dem DK. Aber diese vier Minuten kamen ihm vor wie eine Ewigkeit. Es war Dienstag gegen 23 Uhr, als Radu B. ( Name geändert ), Pizzabote bei einem Ingolstädter Lieferservice, eine Bestellung in die Keplerstraße brachte. Ein Mehrfamilienhaus. "Schon bevor ich da reingegangen bin, sind mir auf dem Parkplatz die fünf jungen Männer aufgefallen", berichtet der 31-Jährige. "Ich habe mir aber noch nichts gedacht." Als der Bote an der Wohnungstür die Pizza überreichte, habe er gehört, wie unten im Treppenhaus eine Kettensäge angeworfen wurde. Ein gruseliger Klang. "Da hat einer seinen Fuß in die Haustür gestellt, bevor sie zufällt", erzählt Radu B., ein rumänischer Staatsbürger. Als er das Haus wieder verließ, begann die unglaubliche Attacke.

Der Lieferant stieg in seinen Kleinwagen, aber ein Jugendlicher stellte sich ihm in den Weg. Mit einer Axt in der Hand. Und dann hieb er los. Immer auf die Windschutzscheibe. Mit voller Kraft. Derweil habe ein Komplize die Kettensäge aufheulen lassen und sie dann an der Fahrerseite angesetzt. "Er hat sie ständig vor und wieder zurück gezogen", so schildert es B. Er habe nicht sofort mit seinem Auto die Flucht ergreifen können, weil er erst in Deckung gehen musste. Das Sägeblatt sei immer näher gekommen. Das Seitenfenster barst. Jetzt habe sich der Angreifer mit der Säge in das Innere des Wagens vorgearbeitet, erinnert sich der Bote. "Ich habe mich weggeduckt, aber die Säge war trotzdem höchstens nur noch 20 Zentimeter von mir entfernt. Dann hat er angefangen, nach oben zu sägen." Richtung Dach. Derweil hieb der zweite Täter weiter mit der Axt auf die Frontscheibe ein. Die anderen drei jungen Männer aus der Gruppe hätten sich nicht an dem Angriff beteiligt. "Ich kannte die nicht", sagt der 31-Jährige. Er habe keine Ahnung, wie die Täter auf ihn gekommen seien.

Irgendwie gelang es dem Pizzaboten, den Wagen zu starten, den Rückwärtsgang einzulegen und die Flucht zu wagen. "Ich musste noch an irgendeiner Stange vorbei, ich glaube, es war ein Verkehrsschild." B. entkam. Unverletzt, aber schockiert. Er raste davon. "Vielleicht 150 Meter weit." Dann hielt er an, rief aber nicht die Polizei an, sondern eine Kollegin in der Zentrale des Lieferdienstes. Die sagten dem Chef Bescheid, einem 65-Jährigen, und der alarmierte die Polizei. Dann ging alles ganz schnell. "Nach höchstens drei Minuten waren schon die ersten Polizisten bei mir. Wirklich super!" B. war erleichtert, in Sicherheit zu sein. "Die Polizei hat sofort alles abgesperrt."

Großfahndung. Dank einer Täterbeschreibung - das Opfer erinnerte sich etwa an Kapuzenpullover und Jogginghosen -, nahmen Einsatzkräfte nur eine Stunde später - da war es kurz vor Mitternacht - drei Tatverdächtige fest: Männer im Alter von 19 und 20 Jahren. "Die mutmaßlichen Tatwaffen, eine Kettensäge und ein Handbeil, wurden sichergestellt", berichtete gestern das Polizeipräsidium Oberbayern Nord.

Im Zuge der Fahndung entdeckte eine Streife auf dem Parkplatz des Kauflands an der Richard-Wagner-Straße (also in der Nähe des Tatorts an der Keplerstraße) vier Fahrzeuge, bei denen Scheiben eingeschlagen wurden. Darunter befand sich auch das Fahrzeug einer Gartenbaufirma, aus dem die Verdächtigen "vermutlich die Kettensäge und das Beil gestohlen haben", so die Polizei. Es entstand ein Schaden von rund 5000 Euro. Die Ermittler bitten Zeugen, die im Bereich des Kauflands oder der Keplerstraße Personen mit einer Kettensäge oder einer Axt gesehen haben oder sonst irgendwelche Hinweise auf die Tat geben können, sich unter (0841) 93 43 0 zu melden.

Der Ermittlungsrichter erließ gestern gegen die drei Beschuldigten Haftbefehl wegen des Verdachts auf ein versuchtes Tötungsdelikt. Es stellte sich heraus, dass gegen einen 19-Jährigen bereits ein Strafvollstreckungsbefehl bestand, weil er wegen Raubes verurteilt ist. Die drei jungen Männer wurden in verschiedene Justizvollzugsanstalten eingeliefert.

Das Team des Pizzadiensts erlebte kurz nach der Tat bange Stunden. "Es war eine Katastrophe!", erzählt der Chef. "Wir wussten ja nicht, was mit unserem Kollegen passiert ist. Zu zehnt haben wir im Laden gewartet und auf gute Nachrichten gehofft." Die traf in der Nacht ein. Da kehrte Radu B. von der Polizei zurück. "Er hat riesiges Glück gehabt!", sagt der Firmeninhaber erleichtert. Ja, das sei wohl wirklich so, meint der Pizzabote dazu. Er kann immer noch nicht recht fassen, was ihm da widerfahren ist.

Gestern hat er keine Pizzas geliefert; er muss erst die Sache mit der Kettensäge verdauen.