Ingolstadt
Identitätsstiftende Aufnahmen

Ausstellung des Historischen Vereins zeigt vergangene und aktuelle Gesichter Ingolstadts

03.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:07 Uhr
Entlang von mehreren Bilderstraßen können die Besucher der Ausstellung "Stadtidentität Ingolstadt" Eindrücke sammeln von den Veränderungen in der Stadt. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Vom Paradeplatz geradewegs zum Münster, am Schliffelmarkt eventuell links Richtung Donau oder rechts zur Harderstraße - und das alles in nur einem Raum voller Bilder. So präsentiert sich die am Samstagabend eröffnete Ausstellung "Stadtidentität Ingolstadt" im Neuen Schloss.

"Die Stadt ist kein Museum, sie lebt und verändert sich jeden Tag", sagte Matthias Schickel, der Vorsitzende des Historischen Vereins, der die Ausstellung zusammengestellt hat, bei seiner Einführung. Und weil speziell Lokalgeschichte die Menschen anziehe, würden die Veränderungen, die auf den historischen und aktuellen Bildern der Ausstellung gezeigt würden, "besonders intensiv erlebt" werden. Gerade deshalb sei dies "natürlich eine politische Ausstellung".

Schickel führte als Beispiele etwa den Abriss der Eselsbastei oder die Verbannung der Schutter aus dem Stadtbild an und verwies darauf, dass solche Veränderungen von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich beurteilt würden. Er sagte aber auch, dass ein ausschließliches starkes Festhalten am Alten auch lähmend sein könne. Alles sei eine Frage der Balance. Eine Wertung der auf den Bildern von Erich Reisinger sowie auf den historischen Aufnahmen aus der Sammlung von Hans Fegert und dem Stadtarchiv gezeigten Veränderungen müsse jeder selbst vornehmen und sich dann sein eigenes Urteil bilden.

Obwohl der Untertitel der Ausstellung "Ingolstadt in Bildern früher und heute" lautet, entdeckte Stadtheimatpfleger Tobias Schönauer noch eine zusätzliche Dimension: "Die Ausstellung stellt vor Augen, was war und was ist und was künftig sein könnte", sagte Schönauer. Auf die Frage, was die Identität einer Stadt ausmache, gebe es viele Antworten. Oft stelle zwar die eigene Heimatstadt einen Anker dar, doch festgemacht werde dieser vom einen am Sportverein, vom anderen an Kultureinrichtungen und vom nächsten an dessen früherer Schule. Identität liege im Auge des Betrachters, und da beurteile jeder anders, meinte der Stadtheimatpfleger und erwähnte die Diskussionen und Konflikte um das Kongresszentrum, um die Kammerspiele des Stadttheaters oder auch den neuen Nordbahnhof. Er betonte aber auch: "Neubauten sind nötig." Allerdings sollte nicht Modernität um der Modernität willen angestrebt werden. Als gutes Beispiel nannte er dabei den Anbau am Medizinhistorischen Museum.

"Nicht nur nostalgische Gefühle wecken, sondern auch Entwicklungen aufzeigen" soll die Ausstellung laut Ansgar Reiß, Direktor des Bayerischen Armeemuseums und damit "Hausherr" der Ausstellung. Er versprach, das Thema Identität über die Ausstellung hinaus - sie ist bis 14. Januar 2018 dienstags bis freitags von 9 bis 17.30 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 17.30 Uhr geöffnet - weiterzuführen.

OB Christian Lösel nannte die Frage der Stadtidentität "eine ganz wesentliche, was die Gebäude betrifft"; aber sie sei noch vielschichtiger. Es gehe um den "Geist" der Gebäude. Die Stadt sei derzeit um die Sanierung der Bausubstanz "bemüht wie noch nie". Er stellte dabei aber gleich die eher rhetorische Frage: "Wenn nicht jetzt, wann dann?". Denn jetzt habe die Stadt das nötige Geld, entsprechende Nutzungsmöglichkeiten sowie die richtigen Leute an der richtigen Stelle.

Als Beispiele nannte Lösel etwa das Georgianum, für das 2018 die Planung fertig sein und noch im selben Jahr mit den Sanierungsmaßnahmen begonnen werden soll. Ziel sei, in das Georgianum Leben zu bringen - mit Räumen für die Katholische Universität und einer Gaststätte - und daraus ein "sprechendes" Gebäude zu machen. Ein Café oder Restaurant sowie eine Aussichtsplattform auf dem Turm sollen auch in das Kavalier Dallwigk kommen, für das ebenfalls im nächsten Sommer die Sanierungsplanung abgeschlossen sein soll. Die ehemalige Gießereihalle befinde sich dagegen schon im Umbau. Dieser solle Ende 2019 abgeschlossen sein, damit Anfang 2020 der Umzug des Museums für Konkrete Kunst und Design dorthin über die Bühne gehen kann. Schließlich hofft Lösel, dass bis 2022/23 auch die Rossmühle saniert ist.

Damit die Identität Ingolstadts insgesamt erhalten bleibe, mahnte schließlich Schickel zu "Verantwortung beim Bauen und Abreißen" und er appellierte dazu, "verantwortlich und vorsichtig mit der Stadt umzugehen".

Für ein Foto sogar in Lebensgefahr

Ingolstadt (DK) Der 58-jährige Fotograf Erich Reisinger hat sämtliche aktuellen Aufnahmen der Ausstellung gemacht. Der DONAUKURIER sprach mit ihm über die Entstehung.

 

Herr Reisinger, wie lange haben Sie für die Bilder gebraucht, die jetzt in der Ausstellung "Stadtidentität Ingolstadt" zu sehen sind?

Erich Reisinger: Das waren insgesamt zehn Monate, davon drei Monate sehr intensiver Arbeit, vor allem weil ich Standorte suchen musste, die es jetzt nicht mehr gibt.

 

Sie waren angeblich sogar auch einmal in Lebensgefahr?

Reisinger: Ja, das war in der Harderstraße. Da stand ich mitten in der Straße und war so auf mein Foto konzentriert, dass ich nicht merkte, dass hinter mir ein Bus kam. Erst als er gehupt hatte, habe ich das so richtig realisiert und bin dann schnell weg.

 

Was war die größte Herausforderung?

Reisinger: Die Suche nach den Standorten, das ständige Laufen durch die Stadt, das wechselnde Wetter und daraus resultierend immer wieder neue Anläufe für ein Bild. Insgesamt also der hohe Zeitaufwand.

Was ist Ihr Lieblingsbild unter all den Aufnahmen?

Reisinger: Das ist das Bild vom Taschenturm, und zwar deswegen, weil tatsächlich sogar der Lattenzaun im Vordergrund noch derselbe ist wie auf der alten Aufnahme. Das ist für mich das Herausragendste, weil alles noch 1:1 vorhanden ist.

 

Fallen Sie nun in ein Loch nach zehn Monaten Arbeit?

Reisinger: Nein. Ich habe genug zu tun, denn ich fotografiere ja nur nebenberuflich. Die Bilder für die Ausstellung habe ich ohnehin ehrenamtlich gemacht. Aber da sie ja fortgeführt werden soll, habe ich jetzt vielleicht ein Jahr Ruhe und dann geht es wieder weiter.

Das Gespräch führten Norbert Schmidl und Johannes Hauser.