Ingolstadt
Heuschrecken im Gesundheitsmarkt?

Anton Brandl hadert mit "seiner" FDP: Wegen deren Haltung zu Versandapotheken und Ketten

19.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:06 Uhr

Die Beratung macht's: Apotheker Anton Brandl aus Ingolstadt kämpft gegen Apothekenketten und Versandapotheken. - Foto: Stückle

Ingolstadt (DK) Er ist Apotheker mit Leib und Seele. 2013 trat Anton Brandl für die FDP als Bundestagskandidat an. Sein Steckenpferd ist die Gesundheitspolitik. Genau aus diesem Grund erwägt er nun, der FDP den Rücken zu kehren. Wegen deren Haltung zu Versandapotheken und Apothekenketten.

"Ihr lasst die Haie ins Becken", wird Brandl in einem Internetportal für Apotheken zitiert, das der Ingolstädter auf seiner Facebook-Seite geteilt hat. In dem Bericht kündigt der Apotheker an, aus der FDP austreten zu wollen. Denn bei dieser hätten "plakativer Wahlkampf und Neoliberalismus" die Oberhand über "Vernunft und bewährte Systeme" gewonnen. "Will man wirklich, dass ausländische Heuschrecken den Gesundheitsmarkt überfallen", schrieb Brandl in einen ausführlichen Brief an FDP-Chef Christian Lindner und Albert Duin, den FDP-Landesvorsitzenden in Bayern. Es geht um einen Beschluss des FDP-Bundesparteitages zur Aufhebung des Fremdbesitzverbots, das Apothekenketten Tür und Tor öffnen würde. "Damit sollen dem Großkapital das Investieren in Apotheken erleichtert und die persönliche Leitung und Haftung des Apothekers abgeschafft werden."

Wie wichtig die Kontrolle durch die Apotheker ist, zeigte erst am Mittwoch der ARD-Themenabend zum Problem "Arzneimittelfälschungen". Eine Dokumentation verweist auf Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, nach der weltweit bei zehn Prozent der Medikamente der Inhalt nicht dem Packungsaufdruck entspreche. In Deutschland gehen Experten laut dem Beitrag von einer Fälschungsrate von einem Prozent aus. Auch Apotheken sind nicht vor Arzneimittelfälschungen gefeit. Doch "die große Grauzone" liege hier im Internetversand, so Brandl. Bei direkt in der Apotheke hergestellten Arzneien werden die verwendeten Rohstoffe über einen so genannten Nahinfrarotspektrometer (Brandl: "Das Gerät ist so teuer wie ein Kleinwagen") überprüft. Fertigarzneimittel werden in jeder öffentlichen Apotheke Deutschlands stichprobenartig kontrolliert. Bei Verdacht auf einen Qualitätsmangel werden die zuständige Behörde und die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker informiert. In den 27 Jahren, in denen Brandl die Obere Apotheke betreibt, habe es einen einzigen echten Mangel gegeben: In einer Medikamentenpackung habe eine Tablette gefehlt. Mit dem Fall, dass tatsächlich ein Medikament gefälscht wurde, sei er in seiner Apotheke bisher noch nicht konfrontiert worden. Theoretisch könnte er aber in solch einem Fall - neben dem Hersteller - dafür haftbar gemacht werden.

Seit Langem versuchen ausländische Kapitalkonzerne, Versicherungen und Pharmahersteller, den deutschen Markt zu erobern. Eine politische Maßnahme, um die den Apotheken übertragene Aufgabe der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen, wäre ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, so wie in 21 anderen EU-Staaten. Doch der von Bundesgesundheitsminister Hermann Grohe (CDU) eingebrachte Antrag sei "besonders heftig von der FDP" kritisiert worden. Ein Umstand, der Brandl nicht einleuchten will.

Christian Lindners Büro habe umgehend auf Brandls Brief reagiert. Und betont, die FDP wolle an der wohnortnahen Versorgung festhalten, den Bürgern aber so viel Wahlfreiheit wie möglich lassen. Wirklich zufrieden ist Brandl mit der Antwort nicht. Doch bevor er "alles hinschmeißt", möchte er versuchen, auf bundespolitischer Ebene und über Fachausschüsse auf die FDP einzuwirken. Schließlich seien Apotheker auch nicht zu unterschätzende Arbeitgeber: mit deutschlandweit rund 160 000 Angestellten. "Das sind mehr, als die Mitarbeiter von Audi, BMW und Porsche in Deutschland zusammen."