Ingolstadt
Einmal Schneefall hinten links

Weiterer Theaterbetrieb erst durch neue Bühnentechnik - Mehr Möglichkeiten

12.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:30 Uhr
Im Stadttheater haben nach der Spielzeit Techniker und Handwerker die Bühne für sich. Derzeit werden die 85 Züge auf den neusten Stand der Technik gebracht. −Foto: Hauser, Johannes, Ing (Hauser)

Ingolstadt (DK) Die Spielzeit 2017/18 am Theater Ingolstadt ist gerettet. Ohne die neue Bühnentechnik hätte der TÜV den weiteren Betrieb nicht erlaubt. Grund dafür sind geänderte Vorschriften. Gestern wurde sie vorgestellt.

Schneefall im September, aber bitte nur links hinten? Ist jetzt im Theater punktgenau auf wenigen Quadratmetern möglich. Und auch wellenförmige Bewegungen, so wie auf hoher See, sind kein Problem mehr. Mit dem im August 2016 eröffneten Opernhaus in Dubai hat das Theater in Ingolstadt jetzt immerhin eines gemeinsam: die Steuerung der Punktzüge.

Das sind lange Seile mit kegelförmigen, schweren Gewichten dran, die die Stahlseile straff halten. Die Züge sind in einem gleichmäßigen Raster über den gesamten vom Zuschauer einsehbaren Bühnenraum verteilt. 85 Stück gibt es insgesamt. Damit lassen sich 85 verschiedene Bühnenbilddekorationen gleichzeitig beliebig hinauf und herunter fahren. Außerdem können mehrere Punktzüge gekoppelt und so diagonale Dekorationen bewegt werden. Schneefall ging zwar früher auch schon. „Aber dafür waren zwei Mann an den Seilen nötig“, sagt der technische Leiter, Jochen Reichler. Jetzt erledigt das der Mann am Steuerpult.

Nach der Sanierung der Steuerung (Seile, Seil-Umlenkungen und weitere Bauteile wurden dagegen beibehalten) hat das Stadttheater wieder eine leistungsfähige Punktzuganlage, mit der die Bühnendekoration präzise gehoben und gesenkt werden kann. Die Steuerung dafür hat ein Ingolstädter ersonnen. Norbert Zepter ist Ingenieur für Theater- und Veranstaltungstechnik und hat schon bei mehreren Häusern weltweit mitgewirkt: Kasan, Dubai und jetzt Ingolstadt. „Das war mein erster Arbeitsplatz, wo ich mit dem Rad hinfahren konnte“, freute er sich. „Ingolstadt hat jetzt Möglichkeiten wie alle großen Opernhäuser der Welt“, sagt Zepter, der Ende der 70er-Jahre als Statist am Stadttheater mitwirkte und später Bühnenmeister an der Schaubühne Berlin war. Auch die Qualität der Inszenierungen werde profitieren, ist sich Zepter sicher: „Die Erfahrung zeigt: Sobald die Regisseure die Möglichkeiten der neuen Technik bemerken, wird sie auch eingeführt. Die Qualität wird gehoben.“ Er vergleicht es mit einem Sprung von einem A 3 zu einem A 8.

Notwendig wurde die Maßnahme nach Angaben der Stadt nach einem Bericht des TÜV vom Februar 2017. „Ohne die Realisierung der TÜV-Auflagen wäre eine Fortführung des Bühnenbetriebs in der neuen Spielzeit 2017/18 nicht mehr möglich gewesen“, räumt die Stadt in einer Mitteilung ein. Grund dafür seien nicht zuletzt geänderte Vorschriften gewesen. Deshalb haben sich Stadt und Theater zu einer kurzfristigen Teilsanierung entschlossen. 400 000 Euro hat das gekostet, drei Viertel der Gesamtkosten werden vom Freistaat Bayern übernommen. Damit werde die Leistungsfähigkeit der Bühnentechnik für die nächsten Jahre, bis hin zu der anstehenden Generalsanierung, gewährleistet. „Selbstverständlich wird die neue Punktzuganlage auch nach der Sanierung weiter ihren Dienst tun“, so die Stadt weiter.

Jetzt muss sich die Technik wie in Dubai nur noch bis zu Anna Netrebko und Ehemann Yusif Eyvazov herumsprechen. Oder zumindest bis zu Status Quo. Dann treten sie vielleicht nicht mehr am Golf, sondern auch an der Donau auf. . .

 

Kommentar von Thorsten Stark

Man wird dieses Gefühl nicht los: Lange sollte sich die Stadt mit der Generalsanierung nicht mehr Zeit lassen, also nicht länger, als ohnehin vorgesehen. Frühestens ab 2020 will man das Stadttheater komplett überholen. So lange müssen Klimaanlage, Werkstatt, Proberäume und alles andere noch halten. Das wird – man sieht es an dem jetzt zwangsweise erneuerten Teil der Technik und an der ebenfalls in diesem Jahr beanstandeten Küche des Theaterrestaurants – noch spannend. Intendant Knut Weber, der schon seit Jahren unermüdlich auf die unzumutbare Situation im Stadttheater und dem Kleinen Haus hinweist, hat mit seinen Warnungen ganz offensichtlich nicht überdramatisiert.