Ingolstadt
Ein Präzedenzfall fürs Westviertel?

Anwohner kritisieren im BZA Mitte die Masse des geplanten Firmensitzes im früheren Ludwigsgarten

27.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

Direkt an der Schutter: Der Ludwigsgarten soll abgerissen werden. Dabei wird auch der frühere Biergarten überbaut. Die Anwohner stört die geplante Dimension des Gebäudes. Zudem sei die Zahl der Stellplätze für Mitarbeiter und Kunden nicht ausreichend. - Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) So viele Besucher wie diesmal sind selten bei einer Sitzung des Bezirksausschusses Mitte. Dabei standen die Pläne für den neuen Schabmüller-Firmensitz auf dem Gelände des ehemaligen Ludwigsgartens gar nicht auf der Tagesordnung. Es war deutlich sichtbar: Das Thema bewegt.

Das kurzfristig eingebrachte Ansinnen des einzigen Nachbarn, Christoph Trögl, die Gestaltung des Geländes Ludwigsgarten zu behandeln, hat es aber doch noch in die BZA-Sitzung am Dienstagabend geschafft. Die Gärtnerei Trögl grenzt von zwei Seiten direkt an das Gelände am Ludwigsgarten an. Trögl ist mit seinen Bedenken nicht allein. Das Volumen des Bauvorhabens, geringe Abstandsflächen und die Nähe des Baukörpers zum Schutterufer lässt so manchen im Westen aufhorchen. Rund 30 Anlieger kamen in die MTV-Gaststätte, weshalb Vorsitzender Alfred Grob den Punkt auch an den Beginn der Sitzung legte.

Der BZA könne nur die Meinung der Bürger weitergeben, definierte Grob eingangs die Rolle des Bezirksausschusses in dieser Angelegenheit. Der Bauantrag werde von den Fachbehörden geprüft und dann dem Planungsausschuss vorgelegt. Eine Stunde lang wurde dennoch über das Thema diskutiert - sachlich, ohne Angriffe auf den Bauherrn. Trögl lobte sogar das "sehr korrekte" und "durchweg faire" Verhalten des Firmenchefs Franz Schabmüller jr., der ihn frühzeitig über seine Pläne informiert habe. Er habe dabei aber auch klargemacht, dass er von der geplanten Baumasse nicht abrücken werde.

Die Ausmaße und möglicherweise zu geringe Abstandsflächen irritieren nicht nur Trögl. Ein Anwohner, der fürchtete, dass hier ein "Präzedenzfall fürs Westviertel" geschaffen werde, forderte klare Regeln durch einen Bebauungsplan.

Die Pläne für Schabmüllers Firmensitz beinhalten eine Geschossflächenzahl - das ist der Faktor, der die Dichte der Bebauung auf dem Grundstück angibt - von 1,4. Im Bebauungsplan Nr. 105, der allerdings für das Areal zwischen Westlicher Ringstraße, Brodmühlweg, Linnéstraße, Schmalkaldenstraße und Graßlweg nicht mehr gilt, ist nur eine Geschossflächenzahl von 0,5 erlaubt. BGI-Stadtrat Christian Lange erläuterte seinen für die heutige Stadtratssitzung gestellten Antrag, den Geltungsbereich des Bebauungsplanes auszuweiten. Das bestehende Einfügungsgebot, das regelt, dass sich die Pläne an den Umgebungsgebäuden orientieren müssen, sei nicht mehr ausreichend. "Wir brauchen eine Bauleitplanung." Man müsse trennen zwischen der Bebauung des Ludwigsgartens und der Weiterentwicklung des Westviertels, betonte SPD-Stadtrat Jörg Schlagbauer. Auch die SPD-Fraktion werde zu dem Thema einen Antrag einbringen, sagte er gestern dem DK.

Christoph Trögl stören vor allem die aus seiner Sicht nicht eingehaltenen Abstandsflächen. Er sprach von 30 bis 40 Metern. Für ihn sei das "eine Laufnummer, die ich nicht akzeptieren kann". Er sei kein "Bauverhinderer", erklärte Trögl, es gehe ihm darum, dass bestehendes Recht eingehalten werde. "Abstandsflächen waren bisher in Stein gemeißelt", so Trögl. Auch die Nähe der Bebauung zum Schutterufer stößt ihm sauer auf. "Mein Vater musste einen Abstand von 7,50 Metern einhalten, ein anderer im vergangenen Jahr nur noch fünf Meter. Jetzt soll direkt auf das Schutterufer gebaut werden."

Die Planung an sich sei geglückt, meinte Anwohnerin Monika Färber, die selbst Architektin ist. Doch die bauliche Nutzung sei überhöht. "Das gibt das Grundstück nicht her." So könnten etwa die für ein Gebäude in diesem Ausmaß erforderlichen Stellplätze nicht erbracht werden. In den Plänen seien viele Besprechungsräume eingezeichnet. "Die 20 Stellplätze reichen nicht mal für die Mitarbeiter, geschweige denn für Kunden." Für Färber ist klar, dass künftig "alle bei uns im Viertel parken". Auch sie fürchtet einen Präzedenzfall: Die Frage sei, inwieweit Dinge, die hier genehmigt würden, für andere einklagbar seien, meinte sie.

CSU-Stadtrat Thomas Deiser betonte, er habe mit Schabmüller gesprochen, der wegen einer privaten Geburtstagsfeier nicht zur BZA-Sitzung kommen konnte, jedoch bereit zu einer Besprechung mit den Anwohnern sei. Die Pläne, die Trögl kenne, seien bezüglich der Abstandsflächen schon mehrfach geändert worden, meinte Deiser. Ein Bauvorhaben an so exponierter Stelle könne kein Präzedenzfall für ein Wohngebiet sein. Der BZA will nun den Wunsch der Bürger nach einer Regelung fürs Westviertel an die Stadt weitergeben.

Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle erklärte gestern auf Anfrage, Schabmüller habe im Juli einen Bauantrag eingereicht, der voraussichtlich im Oktober im Planungsausschuss behandelt werde. Inhaltlich werde sie sich nicht dazu äußern, da gelte Vertrauensschutz. Und welcher Stand der Planung nun vor der Prüfung durch die Behörden in der Öffentlichkeit kursiere, wisse sie natürlich auch nicht. "Aber die großen Ängste, dass hiermit ein Präzedenzfall geschaffen würde, kann ich ausschließen", sagt die Stadtbaurätin. Dafür sei die Lage des Grundstücks, direkt an der Straße, im Umfeld der Gärtnerei und des Friedhofs zu einzigartig. Weiterer Bericht aus der BZA-Sitzung auf Seite 21