Ingolstadt
Ein Leben hinter Gittern

Der nackte Einbrecher von Dünzlau saß fast die Hälfte seiner 32 Jahre ein immer wieder wegen derselben Delikte

21.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:54 Uhr

Ingolstadt (DK) Auf die inzwischen neunte Verurteilung in seinem mit 32 Jahren doch noch recht jungen Leben steuert der nackte Einbrecher von Dünzlau zu, gegen den gestern wieder am Ingolstädter Landgericht verhandelt wurde. Bevor es am zweiten Prozesstag um die fast unglaublichen Vorstrafen des unter anderem wegen versuchter Vergewaltigung angeklagten Spätaussiedlers ging, stand doch noch sein mutmaßliches Opfer im Mittelpunkt.

Die 27-Jährige, die im vergangenen August in der eigenen Badewanne überfallen wurde, erlitt bei dem Angriff zwei Platzwunden im Gesicht, Nasenbluten, Würgemale am Hals und noch einige Prellungen. Wie die DNA-Analyse ergeben hat, sind Spuren des Angeklagten an ihrem ganzen Körper und in der Wohnung zu finden. Den Angriff im Badezimmer der Frau hatte der 32-Jährige zwar gestanden, eine sexuelle Absicht bestreitet er.

Mit vehementer Gegenwehr konnte sich die 27-Jährige damals befreien und aus dem Obergeschoss in die Wohnung des Opas ihres Lebensgefährten nach unten eilen und einen Notruf absetzen. Der fast 90-Jährige war kurz zuvor nach Haus gekommen, er hatte Geschrei von oben gehört. "Die Kinder, was ist denn da schon wieder auf der Straße los", habe er sich anfangs gedacht, sagte der Zeuge gestern dem Gericht. Dann kam auch schon die nackte 27-Jährige die Treppe runter. Kurz darauf der ebenfalls nackte Angreifer auf der Flucht, den er noch aufhalten wollte. "Er hat mich zur Seite geschoben", sagte der Rentner.

Ein Polizist zeigte ihm damals, dass der Einbrecher über sein gekipptes Küchenfenster ins Haus gekommen war und es danach offenbar wieder angelehnt hatte. Das ist für den Prozess nicht ganz unbedeutend, da es im Kern auch um die Frage geht, wie betrunken der Angeklagte wirklich war. Angeblich hatte er am Nachmittag vor der Tat annähernd eine Flasche Schnaps vernichtet. Konnte er da so locker durch ein Fenster einsteigen und das verschleiern? Weder der Rentner noch das mutmaßliche Opfer berichteten von irgendwelchen Auffälligkeiten beim Aufeinandertreffen im Haus: keine Koordinationsprobleme, keinen Alkoholgeruch oder sonst irgendetwas. "Es wären massive Ausfallerscheinungen zu erwarten", sagte eine vom Gericht bestellte Rechtsmedizinerin über den angeblichen Alkoholkonsum des Angeklagten. Für den gibt es keinerlei Beweise. Auch ein angeblich gerauchter Joint und eine Heroindosis am Tattag ließen sich im Labor nicht nachweisen. Für eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit gebe es keinerlei Hinweise, fasste die Gutachterin zusammen.

Der Vorsitzende Richter Thomas Denz regte den Angeklagten dazu an, doch noch einmal über seine Trinkmengenangaben nachzudenken - und das Gericht vielleicht mit der Wahrheit zu bedienen. Denz verglich die Strafkammer mit einem Automaten. "Wenn Sie oben Schmarrn reinwerfen, kommt unten Schmarrn raus", so der Richter über ein dann aus Sicht des Angeklagten wohl kaum zufriedenstellendes Urteil, das ihm droht.

Obwohl die Frage durchaus berechtigt ist, wie sehr das den Angeklagten überhaupt berührt. Er saß von den 18 Jahren, die er strafmündig ist, wegen acht Verurteilungen schon gut 14 Jahre hinter Gittern. Alles wegen Einbrüchen, Diebstählen und auch Gewalt, meist im Rausch. Nie hat er einen Beruf erlernt. Seine Rückfallquote ist atemberaubend. Vor dem Dünzlauer Fall war er nach seiner jüngsten Entlassung auch nur eine gute Woche in Freiheit gewesen und gleich wieder in die alten Kreise gerutscht.

"Seit wir in Deutschland sind, kenne ich meinen Sohn nicht mehr", sagte seine Mutter gestern. Die Spätaussiedler kamen Ende 1997 aus Kasachstan. "Seit 1998 geht es steil bergab", sagte auch Richter Denz mit Blick auf den Aktenberg vor sich. Alle Therapien brach der Angeklagte bisher ab.

Am kommenden Montag trägt die psychiatrische Sachverständige ihr Gutachten vor. Danach halten die Staatsanwältin, die Nebenklagevertreterin und die Verteidigerin ihre Plädoyers. Das Urteil will die 5. Strafkammer am nächsten Mittwoch verkünden.