Ingolstadt
Die Augen nicht nur auf den Bau gerichtet

Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls deckt auch im Raum Ingolstadt jährlich Millionenschäden auf

09.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:49 Uhr

Am Ingolstädter Dienstort hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit unter Telefon (0841) 3 79 10 18 eine eigene Hinweisstelle eingerichtet.

Ingolstadt (DK) Wie das wirtschaftlich boomende Ingolstadt ist die Zolldienststelle der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Im Kampf gegen den Lohnmissbrauch deckt die Behörde jährlich auch in der Region Millionenschäden auf und zieht die Verursacher zur Verantwortung.

Es klang für den Mann wie ein vielversprechendes Geschäftsmodell. Zumindest hatte es der ehemalige Angestellte bei seinem früheren Arbeitgeber offenbar so "gelernt" und sich mit einer Spezialtiefbaufirma selbstständig gemacht. Doch das rief die Beamten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) aus Ingolstadt auf den Plan, die schon den ersten Betrieb ausgehebelt hatten. Und auch bei dem neuen Anlauf wurden die Zöllner fündig. "Da war alles an Delikten dabei, von der Scheinselbstständigkeit angefangen", berichtet Bernd Urbin, der Ingolstädter Fachgebietsleiter. Der vom Zoll verfolgte Bauunternehmer hatte Arbeitskräfte in Osteuropa angeworben, sie in einer GbR (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) selbst organisiert, mit einem Stundenlohn "weit unter dem Mindestlohn" (Urbin) abgespeist und falsche Stundenzahlen angegeben. Den Sozialversicherungskassen waren 500 000 Euro entgangen, nach dem Mindestlohngesetz war zusätzlich ein Schaden von 80 000 Euro entstanden. Das brachte dem Firmenchef am Amtsgericht in Ingolstadt eine Verurteilung zu eineinhalb Jahren Gefängnis ein - allerdings ausgesetzt zur Bewährung. "Das war unser größter Fall 2016", sagt Urbin, der Chef von 33 Leuten in Ingolstadt.

Seit es die Finanzkontrolle Schwarzarbeit konzentriert beim Zoll gibt (seit 1. Januar 2004, davor gingen Arbeitsagentur und Zollverwaltung parallel auf die Jagd), ist das Fachgebiet in Ingolstadt stark gewachsen. "Man hat anfangs eine Handvoll Leute im Zollamt dazugesetzt", erinnert sich Urbin. Seine Gruppe ist zweimal umgezogen: vom Zollamt an der Münchener Straße auf das ehemalige Rieter-Gelände, dann in die ehemaligen Post-Räume am Hauptbahnhof. "Ingolstadt wird weiter aufgestockt. Kennzahlen wie die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze machen den Bedarf nötig", ist sich Sachgebietsleiter Arnold Eibl sicher, der beim Hauptzollamt Augsburg für "eine der zehn größten FKS in ganz Deutschland und die größte in Bayern" zuständig ist. Ingolstadt gehört als einer von vier Standorten (neben Kempten, Lindau und Augsburg) dazu.

Die Arbeit hat sich stark gewandelt. Den Klassiker eines illegal eingereisten Arbeiters, der auf einer Baustelle aufgegriffen wird, gibt es laut den erfahrenen Beamten kaum mehr. Zu 90 Prozent ging es um Scheinselbstständigkeit. Jetzt gibt es viele Betrugsmodelle mehr - Extrafirmen in anderen Bundesländern, die Scheinrechnungen schreiben. "Wir tun etwas für die Solidargemeinschaft. Wir ermitteln auch für jene, die rechtschaffen sind und sich an die Gesetze halten", betont Eibl. Der Bereich Bau nehme rund die Hälfte der Arbeit ein. Aufgrund der gewaltigen Bautätigkeit in der Region kein Wunder. Mit Subunternehmern bis "ins x-te Glied und entsprechendem Kostendruck" (Eibl) nach unten. Leute führen Facharbeitertätigkeiten aus und werden wie Hilfsarbeiter entlohnt. "Aber es gibt keinen Bereich, in dem Sozialversicherungsbetrug, Leistungsmissbrauch oder illegale Beschäftigung nicht vorkommen", sagt Urbin. Betroffene Branchen sind Gebäudereinigung, Gastronomie oder Einzelhandel. "Wo eben Bargeld fließt, das für Schwarzlöhne hergenommen wird."

Die Fälle der FKS sind oft komplex und kompliziert. "Wir kommen immer wieder vom einfachen Faden zum riesigen Knäuel", umschreibt Urbin die Ermittlungen, die bundesweit die Einrichtung der Sparte "Organisierte Formen der Schwarzarbeit" zur Folge hatten. Wobei die FKS den großen Auftritt gar nicht so sucht. Großrazzien in Ingolstadt sind selten. "Die komplette Kontrolle einer Großbaustelle erfordert natürlich einen großen Personaleinsatz und eine lange Vorbereitung", weiß Sachgebietsleiter Eibl. Jede Baustelle zu besuchen, schaffe man ohnehin personell nicht. Als Kontrolle zähle auch, an einer Baustelle vorbeizufahren und eine Risikoeinschätzung per Augenschein vorzunehmen.

Seit dem 1. Januar 2015 sind die Zöllner auch für einen anderen Komplex zuständig - und damit ist nicht die Kfz-Steuer gemeint. Sie überwachen die Einhaltung des Mindestlohns. "Aber das ist wegen des schon hohen Lohnniveaus in Ingolstadt nicht so das Problem", so Eibl und Urbin . Wegen des höheren Aufwands werden bundesweit 1600 Planstellen über fünf Jahre zusätzlich entstehen. "Das Personal ist aber wegen der Ausbildung erst zu geringen Teilen bei uns angekommen", sagt Eibl. Bis die Verstärkung da ist, lassen die Kontrolleure natürlich nicht nach.