Ingolstadt
Debattieren bis zur blauen Stunde

Rekordsitzung in Sicht: Morgen nimmt der Stadtrat 54 Tagesordnungspunkte und 13 Anträge in Angriff

25.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:44 Uhr

Ingolstadt (DK) Am Donnerstag um 15 Uhr steht die letzte Sitzung des Stadtrats vor der Sommerpause an. Das Programm könnte diesmal endgültig eine Rekordmarke setzen: 54 Punkte (plus viele Sachanträge) stehen auf der Tagesordnung. 2016 endete die Julisitzung um 22.30 Uhr. Aber da ist sicher noch mehr drin.

Der 29. Juli 2010 war nicht der schönste Sommertag jenes Jahres. Zwischen den Tiefs Silke und Tina im Norden und Osten Europas wehte kühle Atlantikluft heran. Die Temperaturen sanken tagsüber auf 20 bis 18 Grad. Also eher kein Biergartenwetter. Doch das machte in diesem Fall nichts, weil die geselligen unter den Ingolstädter Stadträten ihre gemütlichen Sitzungsendehalben dann halt irgendwo überdacht tranken; in einer Gaststätte. Sie hatten dafür genügend Zeit, denn Oberbürgermeister Alfred Lehmann hatte die Vollversammlung um 18.54 Uhr geschlossen. Beginn war um 15 Uhr.

Dazwischen lagen 36 Tagesordnungspunkte, darunter ein Grundsatzbeschluss zum Neubau des Schulzentrums Südwest und die Bewerbung Ingolstadts für die Landesausstellung 2016 ("Bier in Bayern"). Punkt 14 gliederte sich in vier Sachanträge nach § 53 der Geschäftsordnung. Also ein vergleichsweise entspanntes Pensum für die Bürgermeister, Referenten, Stadträte, Mitarbeiter der Verwaltung und wer sonst noch alles in der Sitzung bis zum Schluss bleiben musste. Kleine Präzisierung: Entspannt war die Vollversammlung des Stadtrats vom 29. Juli 2010 aus heutiger Sicht. Denn vergleicht man nur die jeweils letzten Sitzungen vor der Sommerpause seit 2008 (da begann die zweite Amtszeit von OB Alfred Lehmann) bis 2017, mutet jener kühle Nachmittag vor sieben Jahren wie ein Brotzeitpausengespräch an.

Die Julisitzung vor einem Jahr (39 Tagesordnungspunkte plus 14 Sachanträge) endete nach siebeneinhalb Stunden (mit einer Pause) um 22.33 Uhr, amtlich gestoppt von Stadtsprecher Michael Klarner. Da war es draußen längst dunkel und die Miene vieler Volksvertreter ziemlich düster. Wenigstens herrschte Biergartenwetter, was aber die Laune der entnervten Stadträte und des ermatteten Restpublikums nicht wirklich hob. Das lag auch am Verdruss über die besonders debattierfreudigen Damen und Herren, die sogar noch in der blauen Stunde während der Aussprache über Punkt 18 als Redner Nummer 14 auf der Liste völlig unbefangen zu meinungsfreudigen Kurzreferaten ansetzten. Das dürfen sie natürlich! Diese Stadträte sollten sich aber nicht wundern, wenn dann manche im Saal derweil verzweifelt vom Jüngsten Gericht träumen.

Es muss jedoch nicht Juli sein, um Nachtsitzungen zu erleben. Dass es gerne mal länger dauert, ist ein Trend, der sich unter OB Christian Lösel (im Amt seit 2014) kräftig verstärkt hat (siehe die Grafik). Die Sitzung vom 22. Juni dieses Jahres begann schon um 13 Uhr. Draußen hatte es 33 Grad. Wie heiß es im Sitzungssaal war, wollte keiner so genau wissen. Um 22.22 Uhr war es überstanden. Zu der Zeit dürfte in den Biergärten und vor den Lokalen kein Platz mehr frei gewesen sein; auch das noch. Gute Demokratie dauere halt, argumentierte Christian Lösel im DK-Interview auf die Frage, wann der Stadtrat die Mitternachtsgrenze erreicht. "Das entscheiden die Stadträte anhand ihrer Redelänge. Und anhand ihrer Beitragshäufigkeit", sagte er. Außerdem werde Ingolstadt eben immer größer und komplexer. "Der Stadtrat hat in aller Ausgewogenheit zu debattieren und alle Argumente abzuwägen", betonte der OB. "Das dauert nun mal seine Zeit."

Morgen vermutlich auch. Die Sitzung beginnt um 15 Uhr (Audio-Livestream unter www.ingolstadt.de). Auf der Tagesordnung stehen 54 Punkte. Einer gliedert sich in 13 Sachanträge. Ende: offen. Völlig offen. Morgen könnte der Sitzungsrekord also gebrochen werden! Oder auch erst übermorgen.

Worum es morgen geht: Eine Auswahl

GROSSPROJEKTE


Der Stadtrat befasst sich wieder mit mehreren Großprojekten. Darunter die Sanierung des historischen Georgianums, die nach Jahrzehnten des Verfalls jetzt wirklich starten und bis 2021 vollendet sein soll. Es entsteht eine Begegnungsstätte mit bunt gemischtem Konzept: Bier, Buchdruck, Konzerte, Universitätsgeschichte, ein Wirtshaus und ein Ethikzentrum der Uni. Themen sind auch die neue Jugendherberge am Hallenbadparkplatz, das Vorhaben, "ein weiteres großes Rathaus"(so die Verwaltung) zu errichten, und die Sanierung der Fußgängerzone (Projektgenehmigung).

 

BRISANTES

Dürfen die Altstadtgeschäfte am 3. Oktober erneut öffnen wie an früheren Tagen der Deutschen Einheit? Oder nicht mehr? Eine brisante Frage - nicht nur in Ingolstadt. Morgen wird sie mal wieder ausdebattiert. Gut möglich, dass einige Oppositionelle schon bei Tagesordnungspunkt 1 (Fortschreibung des integrierten Verkehrsentwicklungsplans) Anlässe für kritische Einwürfe finden. Stichwort: Radl. Und der Punkt "Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung öffentlicher Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter" (14) ist eh ein Diskursklassiker. Punkt 4 bietet "Zuwendungen an die Fraktionen und Einzelmitglieder"; wie groß hier der Diskussionsbedarf ausfällt, wird man sehen.

 

ANTRÄGE

Da ist wieder einiges geboten. Diverse Anträge der Parteien bergen Diskussionspotenzial. Eine Auswahl: Jedes Jahr Bürgerfest (FDP); Carsharing fördern (Grüne); weitere Verbesserungen für den Rathausplatz (CSU); ein Ernährungsrat (SPD); keine Messen in der Innenstadt (BGI); keine Wildtiere mehr im Zirkus in Ingolstadt (Grüne).

 

DIES UND DAS

Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit sollen auf den Ingolstädter Friedhöfen verboten werden (33). Die CSU will die Partizipation von Kindern und Jugendlichen stärken. Die BGI wird morgen zum dritten Mal hören, warum Friedrichshofen kein Gymnasium braucht. Auch das "Leitbild für die Bürgerbeteiligung" (Lösels Lieblingsthema) kommt zu Ehren; eine recht sperrige Materie, aber wenigstens nicht übermäßig brisant.