Ingolstadt
Das Monster aus der Altstadt

Vor 200 Jahren erschien der Roman "Frankenstein": Ausstellung, Vorträge und eine Serie im DK

30.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:01 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Das neue Jahr fängt schon gut an - zumindest aus Ingolstädter Sicht. Vor genau 200 Jahren, am 1. Januar 1818, erschien der berühmte Roman "Frankenstein oder der moderne Prometheus", der bekanntlich zum Teil in der Stadt spielt.

Frankenstein lebt. Nicht nur im Buch, in zahlreichen Filmen und im Namen von Burgen, Orten oder Adelsgeschlechtern. Sondern auch in Ingolstadt. Sein letztes Zeichen hinterließ er - soweit bekannt - im Gasthaus Daniel. In der ältesten Wirtschaft der Stadt existiert eine Urkunde, worin ein gewisser Dr. Viktor Frankenstein sich im Heumond (Juli) bei Wirt Willi Pickl bedankt. Weil dieser ihm immer geholfen hat. Freilich nicht bei der Erschaffung neuen Lebens, sondern mit der Gewährung von Räumen.

Bevor jetzt an dieser Stelle die Spekulationen ins Kraut schießen, wollen wir die Sache aufklären. Im Gasthaus Daniel liegt nicht das lang gesuchte Arbeitszimmer von Viktor Frankenstein, das Autorin Mary Shelley (1797-1851) in einem "einsam gelegenen Raum, eher eine Zelle, oben in einem Haus, von allen anderen Zimmern durch eine Galerie und eine Treppe getrennt", in einem Haus in der Altstadt angesiedelt hat. Vielmehr haben die Protagonisten der Frankenstein-Mystery-Tour dort jahrelang ihre schaurig-schönen und augenzwinkernden Rundgänge durch die Stadt gestartet und ihre Requisiten aufbewahrt.

Michael Klarner, Oswin Dotzauer und Nick Gohlke waren Pioniere in einer Stadt, die erst sehr spät entdeckt hat, dass man das Reinheitsgebot oder eben auch Frankenstein und die Illuminaten touristisch vermarkten kann. Seit gut 20 Jahren werden diese Führungen (und andere) jetzt schon angeboten. Bis dahin tauchte der Name Frankenstein in Ingolstadt (außer bei einem Symposium 1993) nur im Zusammenhang mit schlesischen Heimatvertriebenen aus dem gleichnamigen Landkreis oder in der Kinowerbung auf.

Jetzt, im Jubiläumsjahr, ändert sich das. Die Literaturtage befassen sich mit Frankenstein und das Deutsche Medizinhistorische Museum bietet eine Ausstellung, eine Vortragsreihe, Objektvorstellungen und vieles mehr dazu an. Dort, in der Alten Anatomie der Bayerischen Landesuniversität, wurden einst Leichen seziert, dort lässt Shelley den jungen Wissenschaftler Viktor Frankenstein Medizin studieren und schließlich neues Leben schaffen. Die Kreatur bleibt namenlos und wird nach etlichen Enttäuschungen zum Tod bringenden Monster. An der Landesuniversität gründet Adam Weishaupt auch den Geheimbund der Illuminaten, dem Mary Shelleys Mann angehört. Dies mögen Gründe sein, warum die damals 18-jährige Autorin ihren Roman in Ingolstadt spielen lässt: Eine ihr unbekannte Stadt, deren Glanzzeit vorbei war. Denn 1816, als der Roman während einer fürchterlichen Gewitternacht am Genfer See entsteht, ist die Uni Ingolstadt längst in Landshut. Viel wurde übrigens auch über den Namen gerätselt: Er sei ihr im Traum erschienen, so Mary Shelley später.

Wie wenige andere Bücher hat "Frankenstein" das Horror- und Science-Fiction-Genre beeinflusst. Die "Gothic Novel", wie man heute sagen würde, taucht tief ein in das Reich des Dunklen und Unbewussten. Seine Entstehung fällt in eine Zeit des Umbruchs, hat doch das neue Phänomen der Elektrizität die Menschen damals fasziniert. Doch wirft der Roman zeitlose Fragen auf: Darf sich der Mensch zum Herr über Leben und Tod machen? Ist künstliche Intelligenz möglich - und welche Folgen hat sie in der Realität? Welche Verantwortung trägt der Wissenschaftler? In einer lockeren Reihe will der DK sich heuer dem Phänomen Frankenstein von verschiedenen Seiten nähern.