Ingolstadt
CSU auf Friedensmission

Stadtratsfraktion besorgt über politische Kultur: "So kann es nicht weitergehen!"

24.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Ingolstadt (DK) Die CSU-Fraktion fordert aus "Besorgnis über die politische Kultur" in Ingolstadt eine Sondersitzung des Ältestenrats. Der raue Tonfall und die Vorwürfe müssten aufhören, sagt Konrad Ettl. Er appelliert an die Vernunft. Die Reaktionen der Gegenseite geben aber wenig Anlass zu Zuversicht.

Vor einer Woche saßen sie in Kärnten beisammen und sprachen ein ernstes Wort über die politische Kultur in Ingolstadt. Die CSU-Stadtratsfraktion kam auf ihrer Klausurtagung zu dem Schluss: "So kann es nicht weitergehen!" Der gereizte Tonfall im Stadtrat, die gegenseitigen Vorwürfe, der ewige Streit - das müsse ein Ende haben. Nach der Rückkehr aus Kärnten verschickte Konrad Ettl (Foto), der Vizefraktionsvorsitzende, im Namen aller CSU-Stadtratsmitglieder eine Erklärung: "Mit Besorgnis" habe man "die Entwicklung der politischen Kultur zur Kenntnis genommen", heißt es. In den zurückliegenden Jahrzehnten sei Kommunalpolitik "immer auf der Basis von Fakten betrieben" worden. "Diese Tradition hat die Stadt bislang hervorragend vorangebracht, wir müssen zu diesem Grundkonsens zurückkehren." Die CSU fordert daher eine Sondersitzung des Ältestenrats des Stadtrats.

Ettl ist dieser Harmonievorstoß ein großes Anliegen: "Die Leute sagen schon: ,Können die sich ned zamreißen' Wir müssen dringend wieder vernünftig miteinander reden!" Es gelte, "alles zu hinterfragen", natürlich auch das eigene Verhalten, sagte er am Freitag auf Anfrage. "Mir ist auch schon mal der Gaul durchgegangen. Ich habe die Frau Peters auch schon attackiert - aber nachher haben wir uns zusammengesetzt und geredet. Man muss auch mal sagen können: Es tut mir leid." Es gelte, zu einer "von gegenseitiger Wertschätzung getragenen Politik zurückzukehren".

Die Reaktionen auf der Gegenseite dürften Ettl auf seiner Friedensmission nicht gerade ermutigen. Achim Werner, der Fraktionsvorsitzende der SPD, sieht keinen Anlass für eine Sondersitzung. Das politische Klima sei schließlich schon länger vergiftet, sagte er am Freitag. "Es ist ja schon der erste Witz, dass wir von der Initiative der CSU erst aus den Medien erfahren!"

Werners Zuversicht, es könnten wieder nettere Zeiten anbrechen, hält sich arg in Grenzen. "Der böse Bazillus, der den Stadtrat befallen hat, ist dieses starre Koalitionsdenken von CSU und Freien Wählern." Weder die Bayerische Verfassung noch die Bayerische Gemeindeordnung sähen Koalitionen auf kommunaler Ebene vor, sagt Werner; und eine Opposition auch nicht. "Aber die bezeichnen sich als Koalition und handeln genau so. 27 von 50 Stadträten maßen sich an, alles alleine zu entscheiden! Da wagt es der Peter Springl, im Stadtrat zu sagen, dass man sich jede Diskussion sparen könne, weil die Mehrheit doch eh schon feststeht - und dann wundern die sich, dass das politische Klima schlecht ist!"

Hier gehe es "um das Grundverständnis von Kommunalpolitik", sagt Werner. Die Stadtratsmehrheit müsse endlich das Schema Koalition-Opposition überwinden, "sonst wird überhaupt nichts besser".

Christian Lange, der Fraktionsvorsitzende der Bürgergemeinschaft (BGI), wäre "sehr glücklich, wenn es zu einer anderen Art der Auseinandersetzung im Stadtrat kommt". Er hat schon einiges einstecken müssen: Markus Reichhart (Freie Wähler) bezeichnete Lange in einer Mitteilung als "Totengräber der Demokratie", Patricia Klein (CSU) nannte ihn einen "Brunnenvergifter". "Ich habe noch nie einen Kraftausdruck verwendet und würde das auch nie tun", sagt Lange. "Natürlich muss ich mir an die eigene Nase fassen. Ich habe auch schon Dinge gesagt, die mir nachher leidgetan haben - und da habe ich mich dann entschuldigt." Das Problem sei jedoch, dass es CSU und FW "schon stört, wenn jemand überhaupt Kritik übt und etwas gegen ihre heile Welt sagt - das empfinden die gleich als Majestätsbeleidigung".

Lange ist "sehr enttäuscht, wenn von CSU und FW Sätze kämen wie ,Das Diskutieren könnt ihr euch sparen, weil eh schon alles entschieden ist! €˜" Er wünscht sich daher "mehr politische Wertschätzung". Lange widerspricht auch dem Vorwurf, die BGI sei immer gegen alles. "Im Stadtrat stimmen wir bei mehr als 85 Prozent aller Entscheidungen zu!"

In der Politik gehöre es dazu, "den Gegner anzugreifen", sagt Peter Springl, der FW-Fraktionsvorsitzende, "und das muss auch jeder von uns aushalten können, sonst darf man nicht in die Politik gehen". Indiskutabel sei es aber, "wenn Fakten falsch dargestellt werden und Mitarbeiter der Verwaltung in Auseinandersetzungen hineingezogen werden". Da ist für Springl die Grenze erreicht. Gerade in letzter Zeit falle es ihm auf, "dass einige Akteure mit völlig überzogenen Aussagen Vorwürfe erheben, die die Öffentlichkeit aufrühren - zum Beispiel, dass in den Asylbewerberunterkünften angeblich der Brandschutz nicht in Ordnung ist -, und nach zwei Tagen stellt sich raus, dass das gar nicht stimmt". Das müsse aufhören, fordert Springl. "Das bringt nichts, sonst macht man die Leute nur irre."

Er glaubt nicht an den großen Frieden von Ingolstadt, hält es aber für möglich, "dass wir uns auf einige Regeln einigen". Allem voran: "Immer bei den Fakten bleiben und die Politik von der Verwaltung trennen."