Ingolstadt
Wenn der Sicherheitsmann selber zutritt

Ein Vorfall vom Barthelmarkt 2015 beschäftigt das Landgericht - Womöglich muss noch ein Gutachten her

19.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr
Security und Publikum kommen auf Volksfesten häufig in engen Kontakt. Auf dem Barthelmarkt 2015 war ein Sicherheitsmann dabei offenbar übers Ziel hinausgeschossen. Diese Szene hat mit dem verhandelten Fall allerdings nichts zu tun. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Schlägereien müssen auf dem Barthelmarkt in Oberstimm alljährlich protokolliert werden - dass sich ein Mitglied des Sicherheitsdienstes anschließend als Angeklagter in einem Strafprozess wegen Körperverletzung wiederfindet, kommt hingegen dann doch nicht so häufig vor.

Eine Berufungskammer des Landgerichts unter Vorsitz von Konrad Riedel muss seit gestern klären, inwieweit eine in erster Instanz vom Pfaffenhofener Amtsgericht gegen einen 30-jährigen Security-Mitarbeiter aus Ostdeutschland verhängte Haftstrafe von neun Monaten Bestand haben kann. Nach vorherigen Verhandlungsabbrüchen wegen gesundheitlicher Probleme des Angeklagten ist es nun bereits der dritte Anlauf der Kammer, den Fall durch eine erneute Beweisaufnahme aufzuhellen. Über vier Verhandlungstage hinweg sollten nach ursprünglichem Plan 17 Zeugen gehört werden, denn der Vorfall hatte sich am Festsamstag 2015 kurz vor Mitternacht hinter dem Herrnbräuzelt vor größerem Publikum abgespielt.

Dort soll der bullige Mann aus Sachsen, der seinerzeit als Chef einer vom Wirt engagierten Sicherheitstruppe fungierte, einen heute 20-jährigen Manchinger, den er nach einem Tumult im Zelt vor die Tür gesetzt hatte, auf eine nahe Wiese bugsiert, ihn dort mit mehreren Tritten zu Boden befördert und ihm schließlich mit einem Knie auf dessen Hals die Luft abgedrückt haben.

Der Beschuldigte hatte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen und zur späteren Anklage geäußert. Das Pfaffenhofener Schöffengericht hatte ihn offenbar aufgrund von Zeugenaussagen schließlich zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, wegen eines zweiten, ähnlichen Vorfalls aber mangels hinreichender Beweise freigesprochen. Weil der Mann wegen anderer, ähnlicher Fälle in der Vergangenheit bereits mehrere Bewährungsstrafen "kassiert" hatte, war für die Erstinstanz keine weitere Strafaussetzung mehr infrage gekommen. Auch Richter Riedel machte gestern klar, dass es in der Berufung aus seiner Sicht nicht um eine erneute Bewährung, allenfalls um ein milderes Strafmaß gehen könne.

Der Mann aus Sachsen möchte in Ingolstadt so glimpflich wie möglich davonkommen, weil ihm im neuen Jahr vor dem Amtsgericht Jena ein weiterer Körperverletzungsprozess ins Haus steht. Mit einer Haftstrafe im jetzigen Verfahren könnte es für ihn dort noch viel dicker kommen. Deshalb versuchten seine beiden Verteidiger gestern, sich beim Staatsanwalt (nur der kann einen entsprechenden Antrag stellen) mit Blick auf den künftigen Strafprozess zu einer möglichen Verfahrenseinstellung in Ingolstadt vorzutasten - allerdings vergeblich.

Immerhin kam es auf dem Gerichtsflur zu einem Täter-Opfer-Ausgleich: Nachdem er über einen der Anwälte ein förmliches Schuldeingeständnis hatte verlesen lassen, entschuldigte sich der Angeklagte beim Opfer für seinen Angriff und händigte ihm als Wiedergutmachung 1000 Euro aus. Der junge Manchinger nahm das Geld, aber nicht die Entschuldigung an. Auch seinen Strafantrag nahm er nicht zurück.

Im Lichte dieser Wendung bot die Kammer dem Angeklagten immerhin eine Verständigung über das Strafmaß an, ohne jedoch eine Bewährung in Aussicht zu stellen. Ein Korridor von sechs bis acht Monaten Haft, so Richter Riedel, scheine denkbar. Darauf gingen die Verteidiger aber nicht ein. Sie beschränkten indes die Berufung auf das Strafmaß und wollen nun gutachterlich geklärt haben, ob ihr Mandant seinerzeit überhaupt schuldfähig war. Sollte die Kammer darauf eingehen, stünde erst einmal eine Unterbrechung des Prozesses an. Eine Entscheidung darüber fällt wohl am 2. November.