Ingolstadt
Flexibilisierung am offenen Herzen

Um das Werk auch in Zukunft leistungsfähig zu halten, rüstet Audi die Montagelinien der A4-Produktion gewaltig um

23.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:45 Uhr
Audi A4 −Foto: Foto: Audi AG

Ingolstadt (DK) Flexibilisierung ist das Zauberwort, mit dem die deutschen Audi-Werke im Konkurrenzkampf der Branche und unter den Firmenstandorten bestehen wollen. Bei laufender Produktion modernisiert der Autobauer in Ingolstadt seine A4/A5-Linien großflächig. Ein großer Schritt ist jetzt fertig geworden.

Das Szenario kann man sich in etwa so vorstellen: Der Vertriebsvorstand kommt zum Werkleiter und sagt: "Ich brauche 30 Prozent mehr A3-Modelle." Am besten schon gestern, denn der verkauft sich gerade recht gut. Und in der Woche darauf kommt schon ein anderer Wunsch der Vertriebsleute: mehr Q-Modelle! "Dann wollen wir das mal problemlos liefern können", sagt Albert Mayer, der den Posten des Ingolstädter Werkleiters nicht nur in dieser kleinen fiktiven Szene innehat. "Wenn wir das schaffen, dann sind wir für die Zukunft gerüstet", ist Mayer überzeugt. Das Schlagwort lautet: maximale Flexibilisierung. Mayer fasst es aber auch mit drei anderen Begriffen zusammen: "Schnell umzusetzen, flexibel - und wirtschaftlich soll es natürlich auch sein."

Seit dem Jahr 2014 arbeitet Audi bereits in Ingolstadt daran, die Montagelinien, also das Herz der gesamten Produktion, dahingehend umzubauen. Bis 2019 soll das Großprojekt mit der Flexibilisierung am offenen Herzen dauern. Dies betrifft vor allem die beiden Produktionslinien, auf denen A4 und A5 (in allen ihren Modifikationen) und noch der Q5 laufen. Das allerletzte Modell des SUV wird in Ingolstadt laut Mayer voraussichtlich in der Kalenderwoche 9, also Anfang März, produziert, bevor er ganz nach Mexiko ins neue Werk abwandert.

Einen kleinen Meilenstein hat die Audi-Mannschaft jetzt über Weihnachten und den teils extra verlängerten Betriebsurlaub getätigt. Seit vergangener Woche läuft die Produktion auf den umgebauten Bandabschnitten 1 und 2 der Produktionslinien 1 und 2 für die ganze A4/A5-Palette. "Wir sind jetzt hier technisch topmodern unterwegs", sagt Werkleiter Mayer beeindruckt und auch stolz, als er den DK durch die riesige(n) Audi-Halle(n) führt.

Die beiden komplett neuen Bandabschnitte der beiden Linien wurden auf einer Fläche errichtet, die davor durch die sogenannte mechanische Fertigung von Fahrwerkkomponenten belegt gewesen war. Diese hatte man in den neuen Produktionsstandort nach Münchsmünster verlagert. "Erst dadurch hatten wir hier Raum für Großes", erklärt Mayer. Über Weihnachten schlug die Stunde der Wahrheit: Die Arbeiter verbanden die komplett neu aufgebauten Bandabschnitte 1 und 2 mit den (bereits bestehenden, noch alten) Abschnitten 3 und 4 der A4/A5-Linien - sowie natürlich der gesamten vorgelagerten Produktion. "Eine Woche ist da überhaupt keine Zeit. Das ist hier in einem Tempo gelaufen, das war wirklich perfekt vorbereitet", staunt der Werkleiter. "Riesengroßen Respekt vor den Planern. Der Umbau in diesen teils sehr alten Hallen ist natürlich ganz was anderes, als ein Werk auf der grünen Wiese hochzuziehen." Viele Hundert Male sei aber am Computer durchgeplant und auch virtuell simuliert worden, wie der Umbau laufen soll.

Mit der Frühschicht konnten die Audianer am Montag vor einer Woche in voller Taktgeschwindigkeit die Arbeit aufnehmen. "Es ist super angelaufen", freut sich der Werkleiter. Für ein paar kleinere Nachjustierungen hatte man sich die Spätschichten noch freigehalten. Aber seit Ende vergangener Woche läuft die Drei-Schicht-Produktion wieder komplett.

Direkt neben den neuen Bandabschnitten gibt es einen ungewohnten Anblick: Mit Bauzäunen ist ein ebenso großer Bereich der weit mehr als 250 Meter breiten Halle blickdicht geschützt. Dahinter sind die alten Bandabschnitte 1 und 2 der beiden Produktionslinien - beziehungsweise, was davon noch übrig ist. Arbeiter von Fremdfirmen schweißen und flexen hier an den seit Weihnachten abgekoppelten Bändern fast im Akkord. "Bis Mai soll die Anlage komplett freigeräumt" (Mayer) und wieder nutzbarer Freiraum sein. Dann werden hier die Bandabschnitte 3 und 4 der erwähnten Linien ebenso komplett neu aufgebaut. Und irgendwann in gleicher Weise mit den bereits modernisierten Linienabschnitten verknüpft werden. 4000 Tonnen Stahl sollen bis 2019 montiert worden sein und sechs Kilometer Förderstrecke installiert für die beiden A4/A5-Linien - oder auch B-Linien, wie sie Audi-intern genannt werden.

Wobei eine davon bald der Inbegriff der Flexibilität überhaupt sein wird, mit Folgen für die Belegschaft. Ein Umstand, der - wie berichtet - schon auf den Betriebsversammlungen und in Verhandlungen zwischen Unternehmen und Betriebsrat heiß diskutiert worden war. Denn auf einer der beiden B-Linien werden bald sowohl die A4/A5-Modelle als auch die derzeit viel stärker von den Kunden nachgefragten A3-Modelle - die bisher nur auf der hochtourig laufenden A-Linie produziert werden - laufen können. Wobei Mayer zuversichtlich ist, dass quasi jedes Modell des Konzerns über die flexiblen Linien laufen kann. "Wir wissen auf dem Automarkt, was der Gesetzgeber macht. Aber es weiß keiner, was einmal der Kunde kaufen wird. Den großen Trend zu den SUVs hat vor wenigen Jahren auch keiner so sehen können", sagt Mayer. "Als Standort musst du darauf vorbereitet sein, dass du solche Entwicklungen schon kannst."

Der Werkleiter verweist darauf, dass in den vergangenen drei Jahren rund drei Milliarden Euro in den Standort Ingolstadt investiert worden seien - ein Bekenntnis zum Werk. "Mit dem Betrag könnten sie zum Beispiel auch Mexiko verdoppeln." Dass die Ingolstädter Mannschaft hochflexibel ist, habe sie mehrfach bewiesen, sagt Mayer. Und den vereinbarten flexiblen Wechsel der Mitarbeiter zwischen den Produktionslinien werde man auch hinbekommen. Der gesamte Umbau der Bänder laufe ja auch, "ohne dass wir in der Produktion ein einziges Auto für den Kunden weniger bauen".