Ingolstadt
Dumpfe Ängste greifen um sich

06.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:23 Uhr

Neue Funktion: Die frühere Max-Immelmann-Kaserne in Oberstimm firmiert seit Mai unter neuem Namen.

Die Zunahme der Flüchtlingszahlen im Transitzentrum Manching/Ingolstadt beschäftigt die Menschen im Umfeld der Sammelunterkünfte. Obwohl es bislang keine konkreten Probleme gegeben hat, ist zumindest in Teilen der Bevölkerung Sorge um die Sicherheit zu verspüren.

Ingolstadt (DK) Zu keinem Zeitpunkt seit der Umwidmung der früheren Max-Immelmann-Kaserne in Oberstimm zur Flüchtlingsunterkunft und der Einrichtung von drei zugehörigen Außenstellen in Ingolstadt war in der Öffentlichkeit Begeisterung über diesen Schritt der Regierung von Oberbayern zu verspüren. Die Kommunalpolitik fügte sich in das Unvermeidliche, gab durch einen offensiven Informationskurs ihr Bestes, die Bürger über die Hintergründe und die organisatorischen Schritte zu informieren.

Als die Oberstimmer Einrichtung offiziell zum Rückführungszentrum für Balkanflüchtlinge erklärt wurde, diese Funktion auch tatsächlich mehr und mehr erfüllte und die Unterbringungszahlen sukzessive sanken, entstand bei vielen Bürgern der Eindruck, dass nun das Gröbste überstanden sei. Dass die Staatsregierung im Frühjahr dann aus den bayerischen Rückführungszentren per Dekret Transitzentren für Asylsuchende mit geringen Bleibeperspektiven machte und damit eine neue Ära in der Bewältigung der Flüchtlingsströme einleitete, blieb in der Ingolstädter Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.

Jetzt ist bei vielen Bürgern die Verwunderung groß, dass die Belegungszahlen wieder steigen - und dass durch die schwerpunktmäßige Unterbringung von Afrikanern ein neues Bild entstanden ist: Mehr als je zuvor ist nun für viele spürbar, dass vor den Toren der Stadt - und bei womöglich noch steigenden Zuweisungen auch in den drei Sammelunterkünften im Ingolstädter Stadtgebiet - Menschen aus reichlich fremden Kulturen einquartiert werden: Weil allein seit Mai rund 700 Nigerianer zugewiesen wurden (die Regierung von Oberbayern hat das dem DK, wie diese Woche bereits berichtet, bestätigt), dominieren dunkelhäutige Menschen das Bild im Umfeld des Transitzentrums, ist die Zahl der Schwarzen auch in der Ingolstädter Innenstadt, wo sich viele Flüchtlinge tagsüber treffen, zuletzt deutlich gestiegen.

Auch wenn es viele weltoffene Menschen, die sich frei von Vorurteilen wähnen, ungern hören: In Teilen der Bevölkerung, zumal bei Älteren, die sich Heimatbewusstsein bewahrt haben, gibt es ein unterschwelliges Unbehagen gegen das gehäufte Auftreten von Farbigen, manifestieren sich durch die Begegnung mit Fremden, die auch noch fremd ausschauen, dumpfe Ängste.

Es sei nicht zu verkennen, dass es bei etlichen Bürgern Vorbehalte, ja offene Sorge um die Sicherheit gebe, sagt CSU-Stadtrat Franz Liepold, als Zucheringer besonders nah dran an den Menschen in mittelbarer Nachbarschaft der früheren Kaserne. Auch wenn es bislang keine negativen Erfahrungen mit den Neuankömmlingen aus Afrika gegeben hat - ihre reine Anwesenheit in Supermärkten, auf den öffentlichen Plätzen irritiert vielfach. Bei nicht wenigen Einheimischen ist die Stimmung von Vorsicht und Misstrauen geprägt. Liepold: "Manche Frauen sagen, dass sie jetzt lieber nicht mehr allein unterwegs sind."

In konservativen Kreisen - und die sind in Ingolstadt nicht gerade klein - ging nach der Bundestagswahl schnell die Mutmaßung um, das zuletzt vermehrte Auftreten von Afrikanern im Stadtgebiet könne sogar zum ungeahnt deutlichen Erstarken der AfD bei den örtlichen Zweitstimmen beigetragen haben - wahrscheinlich nicht als einzige Ursache, aber doch mit einem katalytischen Effekt. Natürlich bleibt das Spekulation, doch viele Menschen wissen nur zu gut aus ihren Gesprächen im Familien- und Bekanntenkreis, dass es diese Sorgen, dass es die Angst vor Überfremdung gibt.

Sozialreferent Wolfgang Scheuer (FW), bei der Stadt Koordinator aller die Kommune betreffenden Flüchtlingsangelegenheiten, ist dennoch zuversichtlich, auch die jetzt wieder ansteigenden Flüchtlingszahlen ordentlich bewältigen zu können. Ja, man sei von der Regierung von Oberbayern auf die neuen Zuweisungen vorbereitet worden, sagte Scheuer, diese Woche noch im Urlaub, auf DK-Anfrage. Das sei "nichts Überraschendes" gewesen. Man habe selbstverständlich auch den zuständigen Bezirksausschuss Süd ins Bild gesetzt, so der Referent. Dessen Vorsitzende Tanja Stumpf (CSU) bestätigt das. Man habe ein entsprechendes Schreiben der Verwaltung erhalten und das in der jüngsten Sitzung zur Kenntnis genommen. Darin habe es geheißen, dass die Neuzuweisungen "über den dreistelligen Bereich hinaus" gehen könnten.

Nach dreistellig kommt vierstellig. Und mehr geht in Oberstimm und den drei Ingolstädter Dependancen des Transitzentrums auch nicht. Die Kapazität der Sammelunterkünfte dürfte bislang nicht viel mehr als 2000 Plätze ausmachen, der Anteil, den Ingolstadt maximal zu schultern hat, beträgt derzeit 1748 Plätze, 1059 davon waren zuletzt belegt.

Wie es nun weitergehe, ob hier nur von einer vorübergehenden Belegungsspitze oder vom Anfang einer neuen Welle gesprochen werden müsse, könne er nicht abschätzen, so Referent Scheuer: "Wir müssen erst mal sehen, dass wir uns da selber informieren", kündigte er Recherchen bei der Bezirksregierung an. Im Übrigen zähle die Stadt bei der Bewältigung eines Ansturms in allen Sicherheitsfragen auf die Polizei.

Bei der Ingolstädter Inspektion, die selbstredend ebenfalls vorgewarnt war, will man natürlich das Möglichste tun, was für die tatsächliche, aber auch für die gefühlte Sicherheit der Bürger getan werden kann. "Wir sind präventiv öfter vor Ort, zeigen Präsenz", sagte Inspektionssprecher Werner Semmler am Freitag auf Anfrage. Er betont, dass es bislang keine schwerwiegenden Vorfälle mit den Neuankömmlingen aus Nigeria gegeben habe. Es sei bewährte Haltung der Inspektion, hier nichts zu verheimlichen oder zu beschönigen - aber es gebe bislang in der ganzen Angelegenheit aus Polizeisicht keine Dramatik.

Ein Versuch des DK, in München Näheres zur weiteren Belegungsplanung der Regierung von Oberbayern für das Transitzentrum zu erfahren, blieb bis zum Wochenende erfolglos. Diese Anfrage könne man erst in der neuen Woche beantworten, so eine Sprecherin. Auch Manchings Bürgermeister Herbert Nerb (FW), dessen Marktgemeinde ebenfalls von der Entwicklung direkt betroffen ist, hielt sich auf Anfrage vorerst bedeckt. Er habe in Sachen Flüchtlingsunterkunft "noch einen Termin" hieß es am Freitag aus seinem Vorzimmer. Vorher wolle der Rathauschef sich nicht äußern. Näheres also auch hier frühestens in der nächsten Woche. Aber schließlich wissen ja alle Verantwortlichen in München, Ingolstadt und Manching: Dieses Thema bleibt mit einiger Wahrscheinlichkeit länger als nur ein paar Tage aktuell.