Ingolstadt
Als wär's ein Kinderspiel

Patricia Klein gibt ihren Einstand als frohe Botschafterin der CSU und die Kürzungen sind vom Tisch

02.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Kita-Leben fern vom politischen Streit: Nicht nur in Gerolfing, wie auf diesem Bild, sondern auch in den anderen städtischen Kindertagesstätten wurde zuletzt von den Eltern und Erzieherinnen über den Personalschlüssel diskutiert. - Fotos: Hammer

Ingolstadt (DK) Einstimmig - das klingt, als wäre am Donnerstag in Sachen Haushalt alles klar gewesen. Doch ganz im Gegenteil: Selten zuvor waren die Mehrheitsverhältnisse so ungewiss wie bei der Abstimmung über den Etat 2017. Über das Ergebnis können sich Sportvereine, Stadtjugendring und Kitas freuen.

Ob es bei den geplanten Kürzungen bleibt, ob sie ganz oder teilweise zurückgenommen werden - an dieser Frage sollte sich in der Haushaltsdebatte alles entscheiden. Die Ausgangslage war noch überschaubar. Wie mehrfach berichtet, sollte es wegen des erwarteten Steuerrückgangs zu Einschnitten kommen: 60 000 Euro weniger für den Stadtjugendring und 20 000 Euro weniger für die Sportvereine, genauer gesagt statt 60 Prozent Zuschuss zu den Energiekosten der Sportvereine nur noch 50 Prozent. Außerdem war eine Kürzung bei der mobilen Jugendarbeit vorgesehen, ferner sollte in den städtischen Kitas der Personalschlüssel von 1:9,5 auf 1:10,3 bis 10,5 erhöht werden - was zu einigen Protesten führte, weil die Eltern eine schlechtere Betreuung ihrer Kinder befürchteten.

Zunächst wurden die Kürzungspläne eine Woche vor der Haushaltsdebatte von den Freien Wählern infrage gestellt. Die Fraktion forderte - gegen den Willen ihres Vorsitzenden Peter Springl -, dass Sportvereine und Stadtjugendring ausgenommen werden sollen. Wenig später zog die SPD nach und beantragte, auch Diakonisches Werk und Sozialdienst katholischer Frauen zu verschonen, weil beide Organisationen "im Rahmen der präventiven Jugendarbeit unverzichtbare Dienste" leisteten.

Noch vor Beginn der Stadtratssitzung sah es gar nicht danach aus, als würde die CSU bei der SPD-Forderung mitgehen. Hinter den Kulissen gingen die Gespräche jedoch weiter. Was den Sozialdemokraten dabei zugutekam, war das Debüt der neuen CSU-Fraktionschefin Patricia Klein (kleines Foto), die offenbar ihre Chance erkannte und nutzen wollte, einen guten Start hinzulegen. Flankierend wurde dann während der Debatte OB Christian Lösel tätig und schickte - ganz nach Art von Angela Merkel - per Smartphone eine Konsensbotschaft in Richtung SPD-Fraktion. Damit war die Wende endgültig eingeleitet.

Nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung mit letzten Sondierungsgesprächen kamen die Politiker wie verwandelt zurück. Patricia Klein gab zu verstehen, dass der Haushalt doch bitte von der "breiten Masse des Stadtrates getragen" werden sollte, deshalb könne die CSU den Anträgen von FW und SPD zustimmen. Ihre Fraktionskollegin Christina Hofmann wollte nicht zurückstehen und kündigte auch ein Entgegenkommen bei den Kitas an. Man wolle einen Betreuungsschlüssel von 1:10 erreichen, "wo auch immer es möglich ist".

SPD-Fraktionschef Achim Werner wusste die Botschaft der Gegenseite zu würdigen und akzeptierte den Kompromiss. Andere Sprecher der Opposition wollten bei dieser unerwarteten Haushaltsharmonie nicht abseits stehen. "Das tragen wir gerne mit", versprach Petra Kleine (Grüne). ÖDP-Mann Thomas Thöne lobte das "richtige Signal" von CSU-Debütantin Klein. "Das macht es uns möglich, dem Haushalt zuzustimmen." Sogar die kritischen vier von der Bürgergemeinschaft ließen sich umstimmen. "Siehe da", staunte Fraktionschef Christian Lange, "es geht tatsächlich was im Stadtrat. Die Menschen sehen, dass man sich bewegen kann, wenn man will." Hätte nicht Henry Okorafor (Grüne) eine kritische Zwischenbemerkung gemacht - "der Umgang, den wir pflegen, ist unangemessen" -, wäre der Weihnachtsfriede beinahe perfekt gewesen.

Der 551,8-Millionen-Euro-Etat bekam jedenfalls ohne Ausnahme alle Stimmen aus dem Plenum. Die Haushaltssperre wird nicht auf 15 Prozent erhöht, sondern bleibt bei 10 Prozent. Trotzdem stimmte die BGI der Sperre nicht zu. Die Kürzungen sind vom Tisch.

Schon am Tag nach der Debatte zeigte sich jedoch wieder der alte Frontverlauf im Stadtrat, als Lange mit einer Presseerklärung die Reden Kleins und Springls scharf attackierte. Noch nie hätten sich zwei Fraktionschefs so "mit ihren Reden disqualifiziert". Lange verurteilte insbesondere den von Klein gegen die BGI verwendeten Begriff "Brunnenvergifter", der aus dem antisemitischen Vokabular stamme. Auch sei Alt-Oberbürgermeister Alfred Lehmann keineswegs "das Opfer einer Verschwörung" geworden, wie es die CSU bisher darstelle, sondern "Opfer seines falschen Umgangs mit einem Interessenkonflikt".