Ingolstadt
Bleibt der NS-Verbrecher Faber in Freiheit?

Sein Verteidiger sieht die beantragte Strafvollstreckung als unzulässig an

22.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:41 Uhr

Ingolstadt (DK) In der scheinbar unendlichen Geschichte um den in Holland als NS-Verbrecher verurteilten Klaas Carel Faber, der seit Jahren in Ingolstadt lebt, gibt es ein neues Kapitel. Nachdem die Staatsanwaltschaft im Januar beantragt hat, die Vollstreckung einer 1947 in den Niederlanden verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes für zulässig zu erklären, hält der Pflichtverteidiger des mittlerweile 90 Jahre alten Mannes dagegen.

Nach meiner Auffassung ist das unzulässig, sagte Rechtsanwalt Jörg Gragert gegenüber unserer Zeitung. Er werde heute eine entsprechende Erklärung an das Landgericht formulieren.

Der Fall Faber ist juristisch hoch kompliziert. Der gebürtige Holländer und sein Bruder Piet hatten nach Überzeugung der Justiz mit der deutschen Wehrmacht kollaboriert und waren freiwillig der Waffen-SS beigetreten. Als Mitglieder eines gefürchteten Sicherheitsdienstes sollen sie 22 Widerstandskämpfer exekutiert haben. Das Gros der Taten hatte Piet auf sich genommen und war dafür nach dem Krieg hingerichtet worden. Klaas entkam dagegen dem Henker, weil sein Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt wurde. Er soll bei sechs Erschießungen selbst abgedrückt haben. 1952 war er aus dem Gefängnis in Holland geflüchtet und hatte sich nach Deutschland abgesetzt.

Auch hierzulande wurde ab 1954 am Landgericht Düsseldorf wegen der Mordvorwürfe ermittelt, drei Jahre später erfolgte die Einstellung des Verfahrens – wegen fehlender Beweise, wie es hieß. 1961 war Klaas Carel Faber mit seiner Frau ins Ingolstädter Piusviertel gezogen, wo er bis heute lebt. Die Holländer Justiz betreibt seither seine Auslieferung und war zuletzt in den Jahren 2003 und 2010 damit gescheitert. Der jüngste Vorstoß hat jetzt zumindest bewirkt, dass die Staatsanwaltschaft Ingolstadt nun doch eine Vollstreckung des Urteils fordert.

Fabers Verteidiger hält aber genau das für unzulässig. „Man kann nach dem deutschen Rechtssystem nicht zwei Mal für dieselbe Sache belangt werden“, sagt Gragert. „Mit dem Verfahren in Düsseldorf ist die Sache für Faber juristisch beendet.“

Wenn die Vollstreckungskammer am Landgericht Ingolstadt diesen Einwand in der nächsten Woche erhält, muss sie darüber befinden. „Ich denke, dass wir bis zum Frühsommer eine Entscheidung bekommen“, sagt Landgerichtspräsidentin Sibylle Dworazik. Das letzte Wort wird damit wohl kaum gesprochen sein. Egal, wie die Kammer urteile, werde die eine oder andere Seite Rechtsmittel einlegen, befürchtet sie. „Dann geht der Fall ans Oberlandesgericht.“

Klaas Faber gilt indes gesundheitlich als stark angeschlagen. Er verlässt kaum noch seine Wohnung, hin und wieder wird er mit seiner Frau beim Einkaufen gesichtet. Immer wieder muss er dabei Rast machen. „Gut möglich, dass er das Ende des Verfahrens gar nicht mehr erlebt“, mutmaßt ein hochrangiger Jurist.