Ingolstadt
Aschewolke statt weiß-blauer Himmel

19.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Tisch- statt Sakristeiglocke: Kardinal Reinhard Marx eröffnete gestern den Sitzungsreigen der Bischöfe.

Ingolstadt (DK) Vier Tage lang tauschen sich die deutschen Bischöfe in Ingolstadt über wichtige Themen der katholischen Kirche aus. Dabei stehen nicht nur Europa und Jugendsynode auf der Tagesordnung. Es geht auch ums liebe Geld.

Den kleinen Aufreger bekommen die meisten Bischöfe gar nicht mit: Unmittelbar vor dem NH-Hotel, in dem sich gestern die katholischen Oberhirten aller deutschen Diözesen versammelt haben, parkt ein bedruckter Lieferwagen, der den Limburger Bischof Georg Bätzing schmähen soll, in dessen Bistum ein leitender Mitarbeiter Kinderpornos besessen haben soll. Am Nachmittag ist von dem Kleinlaster nichts mehr zu sehen. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, dessen Limousine schon am Vormittag vor dem Bau an der Goethestraße geparkt war, könnte das Ganze mitbekommen haben.

Aber es läuft wie am Schnürchen an diesem Tag. Es ist durchgetaktet, bis zum Abendgottesdienst im Ingolstädter Münster. Bischof Gregor Maria Hanke strahlt beim Einzug, bei dem er vor dem Münchner Kardinal geht, nickt den Menschen zu, freut sich, auch wenn ihm innerlich wohl nicht so wirklich danach zu Mute ist. Er sagt es wenige Minuten später: "Es ist eine Ehre für unser Bistum", heißt er seine 61 Mitbrüder im bis auf den letzten Platz besetzten Liebfrauenmünster willkommen. "Ich hätte euch gerne mit mehr Heiterkeit unter weiß-blauem Himmel begrüßt." Nun hänge der Finanzskandal "wie eine graue Aschewolke über unserer Zusammenkunft".

Stunden zuvor, dort, wo sich vergangenes Jahr Jazzgrößen wie Marcus Miller oder The Raul Midon Trio die Ehre gaben, tritt Kardinal Reinhard Marx mit einem recht entspannten Lächeln vor die Kameras. Die Luft im Saal ist schneidend, die Kamerascheinwerfer machen alles noch ein bisschen wärmer als es eh schon ist. Und die Vertreter der Medien - die großen Fernsehanstalten und Agenturen sind gekommen - warten wohl alle nur auf das eine Stichwort: Geld. Marx selbst spricht es an. Aber zunächst will er einige andere Themen vor den Journalisten anreißen, denen er für die in seinen Augen wichtige Rolle der "Vermittlung" dankt.

Der 64-jährige Kardinal hat ein kleines Thesenpapier in der Hand, und arbeitet die Themen relativ schnell ab. Während der seelsorgerliche Umgang mit Homosexuellen nicht groß diskutiert wird, soll sich bei der Kommunion konfessionsverschiedener Paare etwas tun. Ausführlicher wolle man sich mit der Jugendsynode beschäftigen, das sei ein "wichtiges pastorales Anliegen": Für Oktober hat Papst Franziskus zu einem internationalen Bischofstreffen eingeladen, bei dem die Jugend und ihre Lebenswelt im Mittelpunkt stehen sollen. Man dürfe nicht außer Acht lassen, "wie wir die Evangelisierung in die nächste Generation tragen", erklärt Marx. Auch um Europa wollen sich die Bischöfe kümmern, diskutieren, wie man angesichts aktueller Spannungen zwischen Ost und West wieder zueinander finden könne, wie man miteinander ins Gespräch komme, sagt Marx.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz - er war 2014 dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch in diesem Amt gefolgt - spricht auch von der "guten Hoffnung", der man in der Kirche sei, dass in Berlin bald wieder eine Regierung die Arbeit aufnehme. "Wir sind nicht mit allem glücklich", was im Koalitionsvertrag stehe. Vieles sei "ausbaufähig". Das trifft wohl auch auf den Umgang der Kirche mit Geld zu.

Ausgerechnet das gastgebende Bistum Eichstätt mit Bischof Hanke an der Spitze hat derzeit einen veritablen Finanzskandal am Hals: Ein Ex-Mitarbeiter soll rund 60 Millionen US-Dollar aus dem Diözesanvermögen in ungesicherte Kredite auf dem Immobilienmarkt in den Vereinigten Staaten ausgereicht haben. Hanke selbst erklärte am Wochenende in unserer Zeitung, man müsse alles "aufklären und auf den Tisch legen". Und auch das Erzbistum Hamburg kämpft: Die Kirche im Norden hat Schulden im hohen zweistelligen Millionenbereich, muss acht Schulen schließen.

Natürlich seien Kirche und Geld "seit Jahren Thema", räumt Marx ein. Aber in den vergangenen Wochen hat das Ganze nun wieder neu Fahrt aufgenommen. Der Münchner Erzbischof kündigte an, der Bischofskonferenz Vorschläge zu unterbreiten, auch um die Erwartungen der Öffentlichkeit zu erfüllen: "Kirche muss mit Geld, mit Vermögen sorgsam umgehen." Man müsse sich wohl neu miteinander auf den Weg machen, noch intensiver arbeiten. Man dürfe aber nicht so tun, als sei bislang nichts geschehen, sagte Marx. "Das geht aber nur gemeinsam." Dieser Weg des Miteinander sei bislang wohl nicht gelungen, räumte er ein. Es brauche "mehr Kontrolle, Transparenz und Solidarität". Für das Thema brauche es jetzt "neuen Schwung".

Bischof Hanke, der als Gastgeber durch den Finanzskandal eines der Themen der Konferenz setzt, mahnt im Gottesdienst "Veränderungen und Verbesserungen" in der Finanzverwaltung an. Er erinnert an die Bedeutung in der Reformationszeit. "Ingolstadt war schon immer ein Ort des Aufbruchs." Kardinal Marx nimmt diesen Ball in der Predigt während der von der Eichstätter Dommusik gestalteten Messe auf: "Ingolstadt kann ein Ort des Aufbruchs sein, wenn wir die wunderbare Botschaft der Heiligen Schrift als Befreiungsgeschichte Gottes mit uns Menschen erleben und so ein Zeugnis in der Gesellschaft geben, damit ein Signal in unser Land ausgeht."

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