Ingolstadt
Bedenken gegen "Plauderrunde"

Rathauskoalition sperrt sich gegen politisch initiierten Ernährungsrat Umweltreferent will aktiv werden

17.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr

Mehr Aufklärung über gesundes Essen (hier Schülerinnen der Fronhofer-Realschule bei einem entsprechenden Projekt 2016) wäre nach Auffassung auch vieler Kommunalpolitiker wünschenswert. Als originäre Aufgabe des Stadtrates sehen es die Vertreter der Rathauskoalition aber nicht. ‹ŒArch - foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Lange Debatte ums Essen im Sozialausschuss: Der Idee von SPD-Stadträtin Veronika Peters, mit Anschub aus dem Stadtrat einen kommunalen Ernährungsrat ins Leben zu rufen, wollten CSU und FW partout nicht nähertreten. Jetzt will Umweltreferent Ebner das Thema verwaltungsintern anpacken.

Dass die Fast-Food-Ära mehr Segnungen für die Nahrungsmittelindustrie als für die willigen Konsumenten gebracht hat, ist durch Gesundheitsstudien hinlänglich belegt. In der Bevölkerung breiteres Bewusstsein für vernünftige Ernährung und für ökologisch vertretbare Lebensmittelbeschaffung zu wecken, ist ein hehres Ziel, das auch die Politik mehr und mehr entdeckt hat. Doch muss der Staat auch dieses sensible Thema, das die individuelle Lebensführung berührt, an sich reißen und hier dirigistisch wirken? Darüber gingen am Donnerstagabend im Sozialausschuss des Stadtrates die Meinungen weit auseinander.

Veronika Peters, der die eher soften Themen des städtischen Zusammenlebens besonders am Herzen liegen, hatte namens ihrer Fraktion den Antrag gestellt, die Verwaltung möge "die Einrichtung eines ehrenamtlichen Ernährungsrats . . . initiieren", der sich "aus Vertretern der Politik, Experten, Lebensmittelvertrieben und Herstellern, Landwirten, Gastronomen, entsprechenden Organisationen und Vereinen sowie interessierten und engagierten Bürgerinnen und Bürgern" zusammensetzen möge. Im Ausschuss unterstrich sie die aus ihrer Sicht bestehende Notwendigkeit: "Es gibt nichts, was so politisch ist wie das Essen."

Jürgen Siebicke (Bürgergemeinschaft) gab sich in der Diskussion als grundsätzlicher Befürworter eines kommunalen Ernährungsgremiums zu erkennen und lieferte dafür auch gleich ein plausibles Argument: "Früher waren die Reichen dick und die Armen dünn - heute ist es oft umgekehrt." Auch Grüne und ÖDP signalisierten grundsätzliche Bereitschaft, das Anliegen der SPD zu unterstützen. Selbst die Vertreter der Rathauskoalition aus CSU und FW wollten die grundlegende gesellschaftliche Bedeutung des Ernährungsthemas nicht in Abrede stellen - nur dass sich der Stadtrat hier aktiv einmischen müsse, das sahen die Sprecher des bürgerlichen Bündnisses nun doch nicht ein.

Dorothea Deneke-Stoll (CSU) wollte das Anliegen gar nicht herabwürdigen, befand aber, dass dies ein typischer Fall für bürgerliches Engagement außerhalb der städtischen Gremien sei: Niemand habe etwas dagegen, wenn sich in Ingolstadt ein solcher Kreis gründe, dem dann ja ganz nach Gusto auch Stadträte beitreten könnten. Bedenken hat man im "Regierungsbündnis" allerdings, was eine Verankerung als regelrechtes Projekt des Stadtrates angeht. Markus Reichhart (FW) warnte eindringlich vor einer offiziellen Installation auf politischer Ebene. Seine Sorge: "Wir blähen den Stadtrat auf, überfrachten ihn mit Kleinthemen." Da werde dann nur eine "Plauderrunde" geschaffen; das könne nicht Aufgabe der Kommunalpolitik sein.

Rechtsreferent Dirk Müller warnte die Ausschussmitglieder vor einer Abstimmung über den Antrag: Wenn es um ein offizielles neues Gremium des Stadtrates gehe, könne auch nur dieser in einer Vollversammlung darüber befinden. ÖDP-Sprecher Thomas Thöne zeigte mit Blick auf eine wahrscheinliche konservative Mehrheit im großen Plenum einen möglichen Königsweg auf: Wenn die Verwaltung im zuständigen Referat eine Arbeitsgruppe zum Thema Ernährung ins Leben rufen wolle, dann könne sie das ohne Weiteres und ohne Absegnung durch den Stadtrat tun.

So wird es nun wohl auch kommen. Umweltreferent Rupert Ebner (Grüne), der seit Jahren privat in der Slow-Food-Bewegung unterwegs ist und in dessen Zuständigkeit auch die kommunale Gesundheitsfürsorge fällt, hatte schon in der Diskussion sein vitales Interesse an dem Thema anklingen lassen. Er kündigte an, sich zügig um eine Arbeitsgruppe kümmern zu wollen. Eine Abstimmung über den SPD-Antrag wurde dadurch obsolet. Auch Ebners Referentenkollege Müller war zufrieden: "Dem Geist des Antrags ist Genüge getan."