Ingolstadt
"Bedenken first"

Reaktionen auf Scheitern der Jamaika-Sondierung Die AfD steht für Neuwahlen bereit

20.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr

Enttäuscht über das Scheitern der Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition in Berlin: Joachim Siebler, Vorstandssprecher der Grünen, FDP-Kreisvorsitzender Karl Ettinger und CSU-Kreischef Hans Süßbauer (von links). - Foto: Privat (2), Eberl

Ingolstadt (DK) Auch in Ingolstadt sind die geplatzten Jamaika-Sondierungsgespräche Tagesgespräch. Bei den Bürgern genauso wie bei den Parteien. Viel Kritik gab's vor allem für die FDP. Deren Parteichef Christian Lindner hatte die Verhandlungen Sonntagnacht kurz vor Mitternacht abgebrochen.

Bezirksrat und Vorstandssprecher im Grünen-Kreisverband, Joachim Siebler, kann sich ein wenig Häme nicht verkneifen: "Jetzt müssen die Wahlkampfsprüche der FPD neu bewertet werden." Die Liberalen hatten im Bundestagswahlkampf mit Plakatsprüchen wie "Bedenken second" oder "Manchmal muss ein ganzes Land vom Zehner springen" von sich Reden gemacht. Derlei Sprüche, sagt Siebler, erschienen nun in einem anderen Licht. "Bedenken first" treffe auf die FDP jetzt wohl eher zu, meinte er.

Siebler hätte nicht gedacht, dass die Sondierungsgespräche scheitern. "Mich enttäuscht das." Die Grünen hätten es sich bei den Verhandlungen nicht leicht gemacht. Jeder müsse Zugeständnisse machen. In drei Diskussionen des Kreisverbandes sei die Tendenz klar gewesen: "Man muss sich trauen."

Der FDP allein die Schuld zuzuschieben wäre zu einfach, sagt FDP-Kreisvorsitzender Karl Ettinger. Er wurde am Montagmorgen vom Scheitern der Verhandlungen überrascht. "Ich hätte gewünscht, dass es klappt. Und ich unterstelle allen Beteiligten in dieser schwierigen Situation, dass sie es ernsthaft versucht haben." Bei den letzten beiden Parteitagen habe er den Eindruck gehabt, dass der Wille bestehe. So ganz aufgegeben hat Ettinger die Hoffnung, dass die Verhandlungen doch noch weitergehen, noch nicht. "Vielleicht muss es erst rumsen, damit neue Bewegung ins Spiel kommt." Als im Internet ein Radiosender gefragt habe, welcher Song die Situation am besten beschreibe, habe er sich für Udo Lindenbergs "Hinterm Horizont geht's weiter" entschieden.

Wirklich überrascht war Hans Süßbauer, der Kreisvorsitzende der Ingolstädter CSU, nicht, als er am Montagmorgen mit dem Scheitern der Verhandlungen konfrontiert wurde. "Weil das schon so lange gedauert hat." Dies sei bei Sondierungsgesprächen außergewöhnlich. Normal seien 14 Tage oder vielleicht drei Wochen. Auch dass es FDP-Mann Christian Lindner gewesen ist, der schließlich "den Stecker gezogen hat", kam für Süßbauer nicht überraschend. "Er hat sich nach dem Wahlerfolg als politischer Nabel in Deutschland gefühlt", sagt er über den FDP-Spitzenkandidaten. Die Grünen hätten ihre Positionen in den Sondierungsgesprächen besser darstellen können als die FDP.

Der Frust im Wahlvolk dürfte mit den gescheiterten Verhandlungen nicht kleiner geworden sein, das ist allen Befragten klar. Was also tun? Eine Minderheitenregierung? Nach Meinung Süßbauers "auf Dauer nicht tragbar". Das würde Deutschland auf der ganzen Welt schaden. Der CSU-Kreischef blickt da schon lieber in Richtung Sozialdemokraten. "Die SPD verweigert sich total." Kritik in diese Richtung wurde auch von den Vertretern von FDP und Grünen laut.

"Dann wäre die AfD Oppositionsführer", kontert SPD-Kreisvorsitzender Christian De Lapuente. Dies gelte es unter allen Umständen zu vermeiden. De Lapuente meinte, man habe in den vergangenen zwei Wochen "gesehen, dass es schwierig wird" mit der Jamaika-Koalition. Dennoch war er "überrascht, dass nicht alle den Po zusammenkneifen und in Regierungsverantwortung gehen".

"Es schaut nach Neuwahlen aus", sagt FDP-Mann Ettinger. Auch wenn diese keiner gewollt hatte. "Vielleicht werden dann auch Nichtprotestwähler nicht mehr zur Wahl gehen", fürchtet Siebler.

Eine stünde schon bereit: Christina Wilhelm, die Kreisvorsitzende der AfD aus Neuburg, hat schon Ambitionen angemeldet. Sie hatte sich beim Urnengang im September um das Direktmandat im Wahlkreis Ingolstadt beworben und mit 13 Prozent aufhorchen lassen. "Falls es dazu kommt, wird es für mich eine zweite Runde geben", erklärt die 39-Jährige, die auch auf der Landesliste erneut antreten will. Intern laufen bei der AfD ihren Worten zufolge bereits die Vorbereitungen für eine erneute Wahl. "Wir haben davor keine Angst", erklärt sie, betont aber, dass Deutschland nun schnellstmöglich eine funktionierende Regierung brauche - "gerne auch mit der AfD".