Ingolstadt
Baum des Jahres leidet unterm Buchdrucker

Klimawandel und Borkenkäfer schaden der Fichte – Bereits 2000 Festmeter Holz im Stadtwald geschlagen

17.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr
Radfahrer und Jogger fühlen sich im Zucheringer Wäldchen wie zu Hause – genauso wie Pilze, Frösche oder der Borkenkäfer. Betroffene Fichtenbestände werden gerodet und mit anderen Baumarten neu bepflanzt. Fichtensamen treiben zwar aus, verkümmern aber meist. Förster Hubert Krenzler und Umweltreferent Rupert Ebner wollen künftig Monokulturen vermeiden und den Wald verjüngen. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Die Fichte ist der Baum des Jahres und der am weitesten verbreitete im Stadtgebiet. Doch der Klimawandel und vor allem der Borkenkäfer machen ihr schwer zu schaffen. Wegen Schädlingsbefalls musste das städtische Forstamt heuer insgesamt schon 2000 Festmeter schlagen. Eine Verjüngung der Bestände und die Durchmischung von Monokulturen sollen Abhilfe schaffen.

Schon Joseph Gerstner schrieb in seiner Ingolstädter Stadtgeschichte von den großen „Borkenkäferkalamitäten“ der Jahre 1807 und 1818. „Die Borkenkäferproblematik ist nicht neu. Die gibt es seit dem Anbau der Fichte“, sagt Förster Hubert Krenzler bei einem Ortstermin im Zucheringer Wäldchen. Und der datiert etwa in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Seitdem ist die Fichte der „Brotbaum der Forstwirtschaft“, so Umweltreferent Rupert Ebner, der auch dabei ist. Und mittlerweile auch eines ihrer Sorgenkinder. „Zurzeit sind wir nur mit Käferbäumen beschäftigt“, sagt der städtische Förster.

„Die Fichte ist eigentlich in höheren Lagen zu Hause“, weiß Krenzler. Doch nachdem im 18. Jahrhundert große Teile des Waldes gerodet worden waren, suchten die Menschen einen praktischen Ersatz: Anspruchslos sollten die neuen Bäume sein, schnell wachsend und vielseitig verwendbar. Die Fichte schien geradezu ideal. Sie kann für Möbel und am Bau verwendet werden, für Zäune, Papier und neuerdings Pellets. Früher nutzte man das Harz und die Rinde zum Gerben. „Der Zuwachs bei der Fichte ist dreimal so groß wie bei der Eiche“, sagt Krenzler. Und dank neuester Technologien in der Holzverarbeitung können mittlerweile auch dünne Stämme verwertet werden. 

Die Folge waren Monokulturen, vor allem im Ingolstädter Neuhau. In dem 700 Hektar großen Waldgebiet im Norden der Stadt waren laut Krenzler im Jahr 1951 sage und schreibe 96 Prozent des Bestandes Fichten. Heute sind es rund vier Fünftel, das Ziel sind 50 bis höchstens 60 Prozent. „Monokulturen vermeiden“ lautet denn auch das oberste Ziel des städtischen Forstamts, denn die sind höchst anfällig für den Borkenkäfer, der in mehreren Arten auftritt – und seit dem vergangenen Monat auch im Zucheringer Wäldchen. Wo der Laie praktisch gar nichts erkennt, sieht das geschulte Auge die eindeutigen Spuren wie etwa das Bohrmehl am Fuß geschädigter Bäume oder die dürren Wipfel. Unter der Rinde sind dann die typischen Fraßspuren des Buchdruckers erkennbar. Diese Bäume müssen so schnell wie möglich entfernt werden, um die Verbreitung des Schädlings zu verhindern. Jeder befallene Baum wird gekennzeichnet und geschlagen – aber nur diese, die gesunden nicht. Chemische Bekämpfung wäre zwar auch möglich, wird aber laut Krenzler nur „in absoluten Ausnahmefällen“ angewandt. Das Borkenkäferholz geht an die Sägeindustrie, die Äste werden gehäckselt und aus dem Wald entfernt. „Das Problem ist nicht das Totholz“, erklärt Krenzler, „sondern das frische Holz, das liegen bleibt.“ Neben der enormen Arbeitsbelastung ist der Befall ein finanzieller Schaden für die Stadt, denn das Forstamt arbeitet auch als Wirtschaftsbetrieb. 

Durch die Rodungen entstanden lichte Stellen im etwa 70, 80 Jahre alten Fichtenbestand in Zuchering, wo der Boden für diese Baumart eigentlich gar nicht so geeignet ist. Er ist zu kalkhaltig, was zu Rotfäule bei den Bäumen führt. Diese Lichtungen werden teils sich selbst überlassen, teils gezielt bepflanzt. Während der Ahorn von selber kommt, werden 20 andere Arten, darunter Lärchen, Douglasie, Weißtanne oder Eichen, gezielt angepflanzt. Schon ein Jahr nach der Fällung hat sich auf diesen Flächen eine üppige Vegetation mit zum Teil seltenen, geschützten Pflanzen entwickelt, die anfangs mit Zäunen gegen den hohen Fraßdruck der vielen Rehe geschützt werden. 356 Hektar der insgesamt 1500 Hektar Waldfläche in städtischem Besitz wurden bisher verjüngt, davon 356 Hektar gezielt, der Rest natürlich.