Ingolstadt
Autofahren bis ins hohe Alter

Auch in Ingolstadt nimmt die Zahl der Unfälle, an denen Menschen über 75 beteiligt sind, drastisch zu

25.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:19 Uhr

Ingolstadt (DK) „Polizei stoppt 83-jährigen Geisterfahrer auf der A 9.“ Derlei Schlagzeilen sind auch in der Region immer häufiger zu lesen. Autofahren bis ins hohe Alter – ein Reizthema. Im Stadtgebiet Ingolstadt ist die Zahl der Unfälle, an denen Senioren über 75 beteiligt waren, heuer drastisch gestiegen.

Anders als in vielen anderen Ländern wird der Führerschein in Deutschland auf Lebenszeit ausgestellt. Ist man nicht – unabhängig vom Alter – eines schweren Verkehrsdelikts beschuldigt oder etwa mit Alkohol am Steuer erwischt worden und hat deshalb seinen „Lappen“ für eine bestimmte Zeit abgeben müssen, kontrolliert die Fahrtauglichkeit der Verkehrsteilnehmer niemand. Im Gegensatz zu Ländern wie den Niederlanden, wo Autofahrer ab dem 70. Lebensjahr alle fünf Jahre zum Gesundheitscheck müssen. Für Schweden und Briten ist dies sogar alle drei Jahre Pflicht. Auch in Spanien und Italien gelten, was die Fahrtauglichkeit von Senioren anbelangt, strenge Richtlinien. In Deutschland kommt zwar von Zeit zu Zeit der Ruf nach einem „Senioren-TÜV“, eine konkrete Regelung gibt es gegenwärtig jedoch nicht. Hier setzt man auf die Vernunft der Verkehrsteilnehmer. Doch die Senioren sind längst nicht immer einsichtig.

Manuela Müller (Name geändert) kann davon ein Lied singen. Die Ingolstädterin kämpft seit Monaten vergeblich darum, dass ihr Vater seinen Führerschein zurückgibt. Denn sie ist sicher: Nach einem Schlaganfall ist der 79-Jährige nicht mehr in der Lage, sicher ein Auto zu steuern. Auch im Krankenhaus und auf der Reha habe es geheißen, ihr Vater dürfe nicht mehr ans Steuer. Doch der will davon nichts wissen und schimpft auf die Tochter. Dabei hat diese nur Angst, dass ihrem Vater – oder einem anderen Verkehrsteilnehmer – etwas passiert. „Warum unternimmt niemand etwas“, fragt sich Müller. „Das ist doch erschreckend.“

Dass ältere Menschen freiwillig ihren Führerschein beim Straßenverkehrsamt abgeben, komme „sehr selten“ vor, heißt es auf Anfrage aus der städtischen Pressestelle. Freilich werde längst nicht jeder, der sich aus Altersgründen nicht mehr ans Steuer setze, seinen Führerschein zurückgeben und entwerten lassen. „Wie viele Scheine einfach in der Schublade landen, wissen wir natürlich nicht“, so Stadtsprecher Gerd Treffer. Würden dem Straßenverkehrsamt – etwa von der Polizei – „schwerwiegende Verstöße“ gegen die Straßenverkehrsordnung gemeldet, könne die Behörde ein ärztliches Gutachten oder eine Fahrprüfung durch den TÜV anordnen. „Im vergangenen Jahr war dies dreimal der Fall.“ Achtmal habe die Behörde Briefe versendet, in denen den Senioren ans Herz gelegt worden sei, sich „in ihrem eigenen Interesse“ freiwillig einer Prüfung zu unterziehen.

Das Problem liegt auf der Hand. Die Menschen werden immer älter, und demzufolge gibt es auch immer mehr ältere Verkehrsteilnehmer – im Auto, auf dem Rad oder zu Fuß. „Es ist ein heikles Thema“, sagt Franz Bäumler, Verkehrssachbearbeiter bei der Polizeiinspektion Ingolstadt. In den vergangenen zwei Jahren seien die Zahlen der Verkehrsunfälle, an denen ältere Menschen beteiligt waren, zwar weitgehend stabil geblieben. Dennoch spricht Bäumler, was die Entwicklung in den ersten sieben Monaten dieses Jahres anbelangt, von einer „extremen Steigerung“ – sowohl im gesamten Inspektionsgebiet als auch in der Stadt Ingolstadt. Von 115 Unfällen, in die Verkehrsteilnehmer ab 75 Jahre verwickelt waren, waren 84 im Stadtgebiet. Gegenüber dem Vorjahr entspreche dies einer Steigerung um 75 Prozent.

Könne eine Art Senioren-TÜV diesem Trend entgegenwirken? Bäumler glaubt, ja. „Aber leider kann sich der Gesetzgeber dazu nicht durchringen.“