Ingolstadt
"Aus Fukushima zu wenig gelernt"

Radioökologin Frenzel sieht kaum Fortschritte ein Jahr nach der Katastrophe – Heute spricht sie nach der Mahnwache

11.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:44 Uhr

Im Einsatz: Christine Frenzel kontrolliert die Strahlenüberwachung auf der Station für Radiojodtherapie in der onkologischen Klinik in Gomel rund 200 Kilometer nördlich von Tschernobyl. Hier werden Patienten behandelt, die nach der Reaktorkatastrophe an Schilddrüsenkrebs leiden.

Ingolstadt (DK) Das Urteil von Christine Frenzel ist eindeutig: „Japan hat aus Fukushima zu wenig gelernt.“ Damit verweist die international bekannte Radioökologin auf das misslungene Krisenmanagement nach der Katastrophe, als ein Erdbeben mit Tsunami vier Reaktorblöcke des Atomkraftwerkes zerstörte.

Die angebotene Hilfe aus Russland, wo zu Sowjetzeiten mit dem GAU von Tschernobyl 1986 ähnliche schmerzhafte Erfahrungen gemacht wurden, schlug man in Tokio aus, sagt Frenzel.

Die Folgen der Reaktorkatastrophe – „eigentlich muss man von vier GAU sprechen“ (Frenzel) – sind verheerend. Die Radioaktivität in Tschernobyl war durch strahlenden Graphitstaub, der bis in die Atmosphäre geblasen wurde, weltweit messbar. Doch durch die Explosionen in Fukushima könnten sogar noch mehr Krebsfälle in der Bevölkerung auftreten, glaubt Frenzel. Denn: „Das Gebiet um Fukushima ist dichter besiedelt als die Gegend um Tschernobyl.“ In Japan fehle außerdem der Platz, die Bevölkerung umzusiedeln. „Die 20-Kilometer-Schutzzone hätte längst auf 30 Kilometer ausgeweitet werden müssen.“

Frenzel kennt sich aus. Nach der Katastrophe von Tschernobyl war sie bereits über 150 Mal in der Region. Die Radioökologin betreut medizinische und energiepolitische Hilfsprojekte in Weißrussland und der Ukraine und forscht im Institut für Zellbiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Außerdem arbeitet sie am Otto-Hug-Strahleninstitut mit Prof. Edmund Lengfelder. Heute, Montag, spricht Frenzel im Anschluss an die um 18 Uhr stattfindende Mahnwache in der Fußgängerzone ab 19 Uhr im Rudolf-Koller-Saal der Volkshochschule.

Das Wissen um die Gefahren der Atomenergie sei in einem Teil der Bevölkerung gut ausgeprägt, sagt sie. Durch die Fülle der Informationen im Internet sei es für viele allerdings schwierig, den Überblick zu behalten, Interessenlagen zu erkennen und objektive Erkenntnisse von Meinungsmache zu unterscheiden. Die Radioökologin macht keinen Hehl daraus, dass sie den Ausstieg aus der Atomenergie für die richtige Entscheidung hält. Vor allem wegen der noch immer ungeklärten Frage der Endlagerung.