Ingolstadt
Das Haus der Kreativen

Neues Designzentrum von Audi in Ingolstadt

20.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr

37 180 Quadratmeter stehen für Andreas Koglin (links im rechten Bild) und Sebastiano Russo sowie ihre Kollegen zur Verfügung. Die beiden Männer entwarfen das äußere Design des A 7.

Ingolstadt (DK) Das Dach seines brandneuen Designzentrums hat Audi für die Weltpremiere seines A7 Sportback genutzt. In den Stockwerken darunter ziehen jetzt 600 Mitarbeiter ein, die bisher auf acht Standorte verteilt waren. Gemeinsam entwerfen und gestalten die Designer die Autos der Zukunft.

Der "Kollege Wenzel", wie er genannt wird, ist beliebt und ein Arbeitstier. Er schafft auch mal die ganze Nacht durch, wenn seine Kolleginnen und Kollegen schon in den Feierabend gegangen sind. Er ist zuverlässig und tut, was man ihm sagt. Nur mit der Sauberkeit am Arbeitsplatz und der eigenen Kreativität hapert es etwas. Aber zum Glück hat "Kollege Wenzel" genügend Kreative um sich herum. Und dass er Dreck in Form von Lehmspänen erzeugt, ist ja genau gewünscht. Als mit Koordinatenmessgerät gesteuerte Fräsmaschine soll er, genau wie programmiert, die Lehmschicht des Fahrzeugmodells so formen, dass die Entwürfe der Designer in Realgröße sichtbar werden.

Das ist ein wichtiger Teil der Designphase von Autos bei Audi. Der Autobauer ließ Journalisten im Rahmen der Premiere seines neuen A 7 einen Blick in diese Welt werfen, die sonst der strengsten Geheimhaltung unterliegt. "Das geschieht vielleicht nur alle 30 Jahre", sagt Andras Mindt, der Leiter des Exterieur Designs beim Ingolstädter Autobauer. "Sie können sich vorstellen, dass wir nicht alle Tage ein neues Gebäude eröffnen", erklärt er den Pressevertretern aus der ganzen Welt lächelnd. Einige Millionen Euro hat der Konzern in das Designzentrum investiert, das als Gebäude T3 in der Technischen Entwicklung seit rund drei Jahren in die Höhe gewachsen ist. An seiner Stelle stand seit 1970 das alte Designgebäude, "das schlicht und einfach zu klein geworden ist", wie Mario Linke, der Chef des Design-Managements ergänzt.

Es musste zusammen mit der Produktpalette wachsen und führt nun auch mehr als 600 Mitarbeiter zusammen, die bisher auf acht Standorte verteilt waren. Sogar seinen Traditionsdesignstandort München hat Audi aufgegeben. Alle Kreativen sind in dem von den Architekten von Gerkan, Marg und Partner entworfenen, hochmodernen Bau auf sechs Stockwerken konzentriert untergebracht. Das Gebäude ist mit seinen Glasfronten sehr schick geworden. Der Clou: Dank einer doppelten Glasfassade ist der Einblick von außen nicht möglich. Dafür können sich die Mitarbeiter vom unverbauten Blick nach draußen ins Helle inspirieren lassen.

Licht spielt natürlich im Design eine gewaltige Rolle. Der Computer auch. Mit dem Designzentrum schreitet Audi in ein neues Zeitalter: Ein Cluster-Computer wird in Kürze ganz andere Rechenzeiten bieten. Die von den CAD-Formgestaltern entworfenen Bilder brauchen nicht mehr rund zwei Stunden, bis sie herausgerechnet sind, sondern nur noch 0,52 Sekunden. Ein fotorealistisches Modell kann sich schon in frühem Stadium aus jedem Winkel, mit jeder Farbe, jedem Hintergrund und in verschiedenen Lichtverhältnissen betrachten lassen. "Wir trauen uns inzwischen zu, Designentscheidungen digital zu treffen", sagen die Verantwortlichen.

Wichtiger Bestandteil bleiben aber die sogenannten Clay-Modelle, die im Herzstück des Designzentrums in Form gebracht werden: dem Modellstudio, das sich über die ganze Länge (107 Meter) zieht und unter anderem zwölf Messplatten aufweist. Dort verrichtet "Kollege Wenzel" seinen Dienst und formt das Plastilin nach den Entwürfen seiner menschlichen Kollegen. Danach legen die Modelleure selbst Hand an den Fräsreferenzmodellen an und verfeinern und verformen die Linien und Kanten, bis alle zufrieden sind. Stets in enger Zusammenarbeit mit den Designern oder Ingenieuren, die hier als kreatives Team am Werk sind.

Die Designer Andreas Koglin und Sebastiano Russo haben dem neuen A 7 federführend sein äußeres Aussehen verliehen. Mit einigen Linien, die umgehend in das Clay-Modell gefräst werden, zeigen sie dem Journalistenpublikum ihre Idee. Eine Mischung aus eleganter Jacht mit markantem Heck, einer unnahbaren Tänzerin und einem sprungbereiten Panther soll das Auto sein. Die entsprechenden Raubtieraugen haben die Licht-Designer der A 7-"Großkatze" verpasst. Sie "erwacht" mit einem spielerischen Verlauf des Lichts an den Front- und Rückscheinwerfern. Daneben präsentieren sich die Interieur-Designer, die von Cockpit bis zu Ledersitzen alles entwerfen. Allen Beteiligten merkt man an, dass es ihnen Spaß macht, mal mehr oder weniger öffentlich zu zeigen, was sie tun. Denn sonst läuft ihr Werk stets hinter streng verschlossener Tür ab. Und vielleicht gibt es erst wieder in 30 Jahren Zutritt.