Ingolstadt
Traurige, aber auch schöne Erfahrungen

Lilly Oblinger ist Asylberaterin in der Gemeinschaftsunterkunft an der Marie-Curie-Straße

03.01.2018 | Stand 02.12.2020, 17:00 Uhr

Lilly Oblinger im Gespräch: Rund 700 Asylberatungen hat die Mitarbeiterin der Caritas-Kreisstelle Ingolstadt in einem halben Jahr in der Unterkunft Marie-Curie-Straße geleistet. - Foto: Esser/Caritas

Ingolstadt (DK) Sei einem halben Jahr leistet eine Mitarbeiterin der Caritas-Kreisstelle Ingolstadt Asylberatung in der Gemeinschaftsunterkunft an der Marie-Curie-Straße. Die Sozialpädagogin Lilly Oblinger berichtet von traurigen, frustrierenden und schönen Erfahrungen.

"Sie hilft uns bei allem, ob beim Ausfüllen von Formularen oder, indem sie in der Schule anruft, wenn wir krank sind und beim Arzt einen Termin vereinbart." So drückt eine junge Frau aus Somalia ihren Dank an Lilly Oblinger aus. Die 25-Jährige unterstützt in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in der Marie-Curie-Straße die Bewohner. Rund 700 Beratungen hat die in Vollzeitarbeit tätige Sozialpädagogin nach eigenen Angaben geleistet, seit mit ihr die Caritas-Kreisstelle Ingolstadt dort vor einem halben Jahr in die Asylarbeit eingestiegen ist. Seit dem 1. Dezember wird Lilly Oblinger in der Unterkunft mit derzeit knapp 250 Asylbewerbern von einem Caritas-Kollegen in Teilzeit unterstützt.

Die Sozialpädagogin zeigt sich nicht zuletzt wegen der erfahrenen Dankbarkeit seitens der Bewohner nach wie vor sehr motiviert, sie ist aber auch froh, jetzt Verstärkung zu bekommen. "Zum einen können die Klienten dann zwischen einer Frau und einem Mann wählen, was gerade bei intimen Angelegenheiten wichtig ist. Zum anderen kann ich mich dann zum Beispiel auch einmal im Spielzimmer blicken lassen und einen persönlicheren Kontakt zu den Menschen aufbauen, wofür mir momentan einfach die Zeit fehlt", berichtet sie.

Bisher ist der Alltag der Sozialpädagogin mit halbstündigen Beratungen recht streng durchgetaktet. Zu rund einem Dutzend festen Terminen kämen immer wieder "Notfälle". "Das passiert etwa bei akuten gesundheitlichen Problemen, aber auch, wenn Fristen eingehalten werden müssen, sei es für Ratenzahlungen oder für die Möglichkeit einer Klage, wenn jemand einen Ablehnungsbescheid erhalten hat."

Lilly Oblinger berät derzeit vor allem Asylbewerber aus Somalia und Nigeria, aber auch einige aus Afghanistan, Armenien, dem Iran, Jordanien, Sierra Leone und der Türkei. Etwa die Hälfte der fast 250 Personen, die in den Containern in der Marie-Curie-Straße leben, sind ihr zufolge alleinreisende Männer. Dazu kämen Familien mit derzeit insgesamt rund 40 Kindern. Ungefähr 60 Personen in der Unterkunft seien "Fehlbeleger", die eine Anerkennung bekommen haben, aber nicht ausziehen können, weil sie keine Wohnung finden. Die Hilfen bei den vielfältigen Anliegen, mit denen sich Lilly Oblinger auseinandersetzt, bezeichnet sie als "kunterbuntes Komplettpaket". Natürlich stehe am Anfang die Beratung über das Asylverfahren im Vordergrund, "aber dann geht es weiter, von der Suche eines Krippenplatzes über besondere Anliegen bei Krankheit oder Schwangerschaft bis hin zu Problemen mit Behörden." Zudem biete sie den Asylbewerbern eine Rückkehrberatung, wenn eine Anerkennung aussichtslos erscheine.

Die Caritas-Beraterin ist froh darüber, "dass es in unserer Unterkunft anders als im Transitzentrum bisher nur wenige Konflikte gegeben hat, die einem €šLagerkoller' geschuldet sind - und das, obwohl die Menschen hier nicht nach Nationalitäten und Kulturen getrennt untergebracht sind". Sie erlebe eine "den Umständen entsprechend gute Grundstimmung". Die Asylbewerber spielen nach ihrer Beobachtung zusammen Tischtennis, Fuß- und Basketball, unterhalten sich auf den Gängen und helfen sich auch gegenseitig. Letzteres geschehe durch Unterstützung bei Sprachproblemen in der Caritas-Beratung. "Wenn es weder auf Deutsch noch auf Englisch geht, übersetzen immer wieder einmal gerne Leute aus der Unterkunft selbst für die Klienten", erzählt Oblinger erfreut.

Die Sozialpädagogin verhehlt nicht, dass ihr vieles, was sie mitbekomme, "schon auch unter die Haut geht". Das sind vor allem die Fluchtgeschichten, "die vom Verlust von Angehörigen bis hin zu Erlebnissen der Zwangsprostitution reichen". Auch habe sie "mitgetrauert, als vor Kurzem ein Asylbewerber aus Somalia, der hier schon gut Deutsch gelernt hatte, wegen des Dublin-Abkommens nach Belgien abgeschoben wurde".

Doch es gebe auch schöne Erlebnisse, betont die 25-Jährige: Als es ihr neulich gelang, einen Familienvater trotz "unklarer Bleibeperspektive" in einen Deutschkurs zu vermitteln, sei dessen Frau zu ihr ins Beratungszimmer gekommen und habe gerufen: "Lilly, darf ich dich umarmen" Diesen Satz, weiß die Sozialpädagogin, "hat die Frau extra auf Deutsch auswendig gelernt".