Ingolstadt
Fehlbeleger und Neideffekte

Immer mehr Flüchtlinge mit Bleiberecht blockieren Plätze in dezentralen Unterkünften

16.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:12 Uhr

Großes Polizeiaufgebot nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung unter Asylbewerbern in der Sammelunterkunft an der Manchinger Straße im Oktober. Auch solche Erfahrungen bringen die Polizei dazu, gegenwärtig vor den Unterkünften mehr Präsenz zu zeigen. - Foto: S. Springl

Ingolstadt (DK) In den dezentralen städtischen Unterkünften für Flüchtlinge gibt es immer mehr anerkannte Asylbewerber, die eigentlich auf dem normalen Wohnungsmarkt eine Bleibe suchen müssten und deshalb als Fehlbeleger gelten. Eine neue Satzung soll diese Menschen zu Mietzahlungen verpflichten.

Während die Polizei in dieser Woche gerade den Fokus auf nicht anerkannte Asylbewerber in den Sammelunterkünften des Transitzentrums Manching-Ingolstadt richtet, um den Bürgern angesichts gestiegener Deliktzahlen Durchsetzung von Recht und Gesetz zu demonstrieren (siehe Kasten unten), muss sich die Stadtverwaltung mit anderen Problemen befassen, die im Zuge positiv abgeschlossener Asylverfahren und ausgesprochener Duldungen bei Flüchtlingen entstehen: In den von der Stadt in vielen Wohngebieten zur Verfügung gestellten Quartieren für Menschen, die im Prüfungsverfahren sind, mehren sich sogenannte Fehlbeleger. Sie dürfen nach amtlich ausgesprochenem Bleiberecht eigentlich nicht mehr (von Kommune und Staat finanziert) dort bleiben, sondern müssen sich Arbeit und eine Wohnung suchen.

Ersteres gelingt durchaus häufiger, wie ein gestern im Sozialausschuss des Stadtrates vorgestellter Kurzbericht des Jobcenters vermittelt hat - doch eine Wohnung zu finden ist auf dem teuren und teils leer gefegten Ingolstädter Immobilienmarkt für diese Menschen nahezu unmöglich. Sie bleiben also in den sogenannten dezentralen Unterkünften und sind dort eigentlich fehl am Platz. Ganz so wie Besserverdiener in Sozialwohnungen.

Sozialreferent Wolfgang Scheuer sprach gestern vor den Stadträten von einer beständig wachsenden Dringlichkeit: Bereits gut 300 der knapp 1200 so in der Stadt einquartierten Flüchtlinge sind nach seinen Worten derzeit streng genommen zu Unrecht in mit öffentlichen Mitteln bezahlten Wohnungen untergebracht.

Nach einer bestehenden Gebührensatzung müssten die Fehlbeleger bereits jetzt eine entsprechende Abgabe (quasi Miete) zahlen, doch die Stadt will eine neue Satzung mit angeblich etwas milderen Berechnungskriterien ausarbeiten, die der Stadtrat voraussichtlich Anfang des neuen Jahres auf den Tisch bekommen wird. Sozialamtsleiterin Christine Einödshofer stellte die vorläufigen Berechnungsgrundlagen und möglichen Regelsätze ("ein Vorschlag") gestern im Ausschuss kurz vor, doch praktisch alle Zuhörer wurden von dem Zahlenwust erschlagen. Es zeichnet sich bereits ab, dass hier um die Details noch unter den Kommunalpolitikern heftig gerungen werden dürfte. Die vorerst genannten Mietforderungen (302 Euro für einen Haushaltsvorstand, 151 Euro für jedes weitere Familienmitglied über zwei Jahren) sind wohl nur Orientierungspunkte.

Eine kurze Diskussion gab es im Ausschuss über die bei einem Treffen der Stadtspitze mit Sozialministerin Emilia Müller vor einigen Wochen vereinbarten Bestrebungen, die Zahl der Flüchtlinge aus Nigeria in den Sammelunterkünften des Transitzentrums um etwa 200 auf 500 zu reduzieren (DK berichtete). Jürgen Siebicke (Bürgergemeinschaft), selber mit einer Afrikanerin verheiratet, fragte an, ob diese offenbar auf Wünsche der Rathausführung zurückgehende Absichtserklärung etwas mit der Hautfarbe oder mit der Nationalität der Flüchtlinge zu tun habe, bekam aber von Sozialreferent Scheuer nur eine ausweichende Antwort: Es sei hier noch "alles im Fluss, nichts spruchreif", so der Stadtminister.

Auch Petra Kleine (Grüne) verlangte Aufklärung: "Die Stadtspitze bleibt uns eine Erklärung schuldig; es stehen Fragen im Raum, die unbedingt auf eine gute Weise beantwortet werden müssen." Gerd Werding (UDI, "Das sollte man doch mal klären") und Veronika Peters (SPD, "Eine Obergrenze ist bedenklich") assistierten. Bürgermeister Sepp Mißlbeck (UDI) sah sich als Sitzungsleiter und Teil der angesprochenen Rathausspitze genötigt, sich zu erklären: Er werde das beim Oberbürgermeister vorbringen und diesen um eine Antwort bitten, so seine Reaktion.

Bürgermeister Albert Wittmann hat indessen gestern auf DK-Anfrage bekräftigt, dass die Stadtführung bei der Regierung von Oberbayern erreichen will, dass abgelehnte Asylbewerber aus den dezentralen städtischen Unterkünften wieder den Sammelunterkünften des Transitzentrums zugewiesen werden sollen. Hier gebe es zunehmend Spannungen durch Neideffekte gegenüber anerkannten oder geduldeten Flüchtlingen, so Wittmann.