Ingolstadt
"Arbeitslosenzahlen werden steigen"

Bayerische Jobcenter reagieren auf den Zustrom der Flüchtlinge – Jugendliche ausbilden

08.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:42 Uhr

Deutliche Worte: Markus Schmitz (links) und Manfred Jäger sprachen gestern im Jobcenter über berufliche Chancen der Flüchtlinge. Durch assistierte Ausbildungen sollen zum Beispiel Jugendliche unterstützt werden. - Foto: Stephan

Ingolstadt (DK) Die Flüchtlingskrise wird sich definitiv auf die Arbeitslosenzahlen in Bayern und somit auch in Ingolstadt auswirken. Trotzdem wird der Freistaat seine Spitzenposition auf dem deutschen Arbeitsmarkt behalten.

Diese Prognose stellte Markus Schmitz, Vorsitzender der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit, gestern Vormittag im Jobcenter in einem Gespräch mit Manfred Jäger, Leiter der Agentur für Arbeit Ingolstadt. Rund 250 000 Menschen waren im September in Bayern insgesamt arbeitslos gemeldet – 3,8 Prozent weniger als 2014. „Im Vergleich zum Vorjahr ist aber ein Zuwachs an Ausländern um fünf Prozent festzustellen“, sagte Schmitz. „Ein Anzeichen dafür, dass das auf Menschen mit Flüchtlingsgeschichte zurückzuführen ist.“ Etwa 12 000 Flüchtlinge, Asylbewerber oder Geduldete würden derzeit – mit Schwerpunkt in München – von bayerischen Arbeitsagenturen und Jobcentern betreut.

„Und die Arbeitslosenzahlen werden steigen“, prophezeite Schmitz. In Bayern um etwa 12 000 Fälle im Jahresdurchschnitt. „Im Bundesländervergleich wird der Anstieg in Bayern höher ausfallen, weil mehr Asylbewerber zu uns kommen“, sagte Schmitz. „Aber wir werden weiterhin einen robusten Arbeitsmarkt haben.“ Von Bedeutung sei, sich auf diese Herausforderung vorzubereiten. Zwei große Baustellen habe die Agentur für Arbeit deshalb jetzt zu bewältigen. Auf der einen Seite sei das die personelle Unterstützung der einzelnen Agenturen. „Wichtiger ist aber die Frage, wie wir es schaffen, diese Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.“

Eine Aufgabe sei, die jugendlichen Flüchtlinge für eine Ausbildung zu begeistern. „Das ist gar nicht einfach, sie wissen zum Beispiel gar nicht, dass es so etwas wie ein duales Studium gibt“, erklärte Schmitz. „Aber sie können die Fachkräfte von übermorgen sein, von denen die Gesellschaft nur profitiert.“ Über Langzeitpraktika oder eine assistierte Ausbildung, während der jugendliche Asylbewerber betreut werden, soll ihr Weg ins Berufsleben geebnet werden. „Denn vor allem traumatisierte Jugendliche werden ins Straucheln kommen und unsere Unterstützung brauchen“, betonte Schmitz.

Bei Erwachsenen gelte es vor allem, die richtige Qualifikation herauszufinden. „Sie nehmen ihre Zeugnisse oder Zertifikate nicht mit auf die Flucht“, sagte Schmitz. „Wir können aber auch nicht ein Jahr warten, bis wir eine beglaubigte Kopie aus Eritrea haben.“ Über Praxistests solle deshalb festgestellt werden, welcher Beruf der jeweils geeignete ist.

In Ingolstadt betreut das Jobcenter derzeit etwa 300 Flüchtlinge – bei insgesamt 5656 Arbeitslosen in der Region 10. „Schwerpunktmäßig betreuen wir diejenigen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit“, sagte Manfred Jäger. Über psychologische und sprachliche Tests werde die Berufsfähigkeit der Flüchtlinge getestet. „Es reicht nicht, sich auf Deutsch verständigen zu können“, erklärte der Leiter der Ingolstädter Agentur für Arbeit. „An den Berufsschulen müssen sie zum Beispiel vor allem die Aufgabenstellungen verstehen.“ In diesem Jahr hätten bereits 80 Flüchtlinge die Tests durchlaufen, aber nur 45 seien anschließend als berufsfähig eingestuft worden. „Die Berufsberater sagen deshalb oft, dass sie noch ein, zwei Jahre warten müssten.“

Die Bereitschaft der Unternehmen, Flüchtlinge einzustellen, sei aber ausgesprochen hoch – vor allem in Handwerk, Gastronomie und industriellen Berufen gebe es weiterhin 3800 unbesetzte Stellen. „Große Ergebnisse werden wir noch nicht unbedingt im nächsten Jahr erreichen, aber mittelfristig sind wir genau auf dem richtigen Weg“, schloss Schmitz. „Es wird eben eher ein Marathon als ein Sprint.“