Ingolstadt
Anruf beim Anwalt mit der Waffe in der Hand

19.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:46 Uhr

Ingolstadt (sic) Der Geiselnehmer hat gegen 10.30 Uhr von Mißlbecks Büro aus versucht, seinen Rechtsanwalt telefonisch in dessen Kanzlei zu erreichen. Doch Jörg Gragert, der den 24-Jährigen während des elfmonatigen Prozesses vertreten hatte, nahm zu der Zeit an einer Verhandlung am Amtsgericht Pfaffenhofen teil.

Also erzählte der junge Mann Gragerts Sekretärin, dass er soeben Geiseln genommen habe. Als Anwalt Gragert wenig später informiert war, rief er sofort den Bereitschaftsstaatsanwalt an und bot seine Hilfe an, „denn ich meinte, einen guten Draht zu meinem Mandanten entwickelt zu haben“, erzählte der Ingolstädter Strafverteidiger dem DK. Vor wenigen Tagen, also rund zwei Wochen nach der Urteilsverkündung am 29. Juli, war der Mann zu Gragert in die Kanzlei gekommen, weil er neue Probleme hatte: „Er sagte, die Stadt habe ihm in der Notunterkunft am Franziskanerwasser, wo er zuletzt gewohnt hat, Hausverbot erteilt“, berichtete Gragert. „Aber weil ich Strafverteidiger bin und ihm in diesem Fall ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht mehr helfen kann, habe ich ihm einen empfohlen.“

Das zweite Problem des 24-Jährigen: Nach seinen Angaben soll eine weitere Angestellte der Ingolstädter Stadtverwaltung gegen ihn Vorwürfe wegen Belästigung erhoben haben. Auch das vertraute er Gragert an.

Die Stadtverwaltung hat gegen den Obdachlosen vor einiger Zeit ein Hausverbot für alle Rathäuser verhängt. „Das ist meinem Mandanten zufolge vergangene Woche explizit erneuert worden“, sagte Gragert. Das Hausverbot in der städtischen Obdachlosenunterkunft sei nun neu dazugekommen. „Ich habe ihm Tipps für andere Notquartiere gegeben.“ Aber ob der Mann irgendwo eine Bleibe gefunden hat, weiß Gragert nicht.

Der Rechtsanwalt beschreibt seinen Mandanten als „schwierigen und eigenwilligen Menschen, der von Haus aus sehr misstrauisch gegenüber Fremden ist“. Im Laufe des langen Verfahrens hatte Gragert aber den Eindruck gewonnen, „dass sich das Misstrauen zumindest mir gegenüber gelegt hat“. Das Gespräch vor einer Woche sei ruhig verlaufen. „Er wollte den Rechtsweg beschreiten. Er hat in keiner Weise aggressiv gewirkt. Es hat sich überhaupt nichts angedeutet.“