Ingolstadt
Im Dickicht der Juristen

Fall Fastenmeier: Anwälte des Klinikums reagieren auf Vorwürfe von Verteidiger Szesny

16.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:57 Uhr
Unterschiedliche Sichtweisen: Immer verworrener wird die zivilrechtliche Auseinandersetzung des Klinikums mit dem früheren Geschäftsführer Heribert Fastenmeier nach seinem Freitod. −Foto: Johannes Hauser

Ingolstadt (DK) Die Causa Fastenmeier wird mehr und mehr zu einem öffentlichen Schlagabtausch der Anwälte. Die Rechtsvertreter des Klinikums haben gestern auf die Vorwürfe von Fastenmeier-Anwalt André Szesny reagiert. Es geht vorrangig um die Einfrierung von Teilen des Privatvermögens Fastenmeiers.

Heute Abend lädt das Ingolstädter Klinikum zum Neujahrsempfang. Ein gesellschaftlicher Termin, dem Heribert Fastenmeier in seiner Funktion als Geschäftsführer des Schwerpunktkrankenhauses stets besonderen Stellenwert eingeräumt hat. Bei dem Empfang wird es - von der Krankenhausseelsorge organisiert - ein Gedenken an den früheren Chef geben, der sich nach achtmonatiger Untersuchungshaft in seiner Zelle erhängt hat.

Aber zumindest im Vorfeld herrscht keine Harmonie. Es geht primär um den sogenannten dinglichen Arrest, der Fastenmeier, den die Staatsanwaltschaft Ingolstadt wegen des Verdachts der Untreue, Vorteilsannahme und Bestechlichkeit angeklagt und in U-Haft genommen hatte, am 20. Dezember in der JVA Gablingen zugestellt worden war. Mittels dieser gerichtlichen Maßnahme wurden Teile des Privatvermögens Fastenmeiers eingefroren - um dem Klinikum zivilrechtlich mögliche Schadensersatzansprüche zu sichern.

Der Düsseldorfer Strafverteidiger Fastenmeiers, André Szesny, hatte gegen diese Maßnahme schwere Vorwürfe erhoben und auch Kritik am Aufsichtsrat geäußert. Seine zivilrechtlichen Kollegen in München hatten zudem Auskunft darüber gefordert, auf welcher tatsächlichen Grundlage der Aufsichtsratsbeschluss zustande gekommen sei und einen umfangreichen Fragenkatalog an die Aufsichtsräte formuliert. Sie äußern darin die Vermutung, dass aus einer Verletzung der Fürsorgepflicht der Klinikum GmbH sogar Schadenersatzansprüche zugunsten Fastenmeiers bestehen könnten.

Am Montag traf sich das Aufsichtsgremium - wie immer hinter verschlossenen Türen - zu einer mehrstündigen Sondersitzung, in der die Anwälte von Klinikum und Aufsichtsrat zu den von Szesny in den Raum gestellten Vorwürfen Stellung nahmen. Dazu verbreitete das Klinikum gestern eine mit dem Aufsichtsrat abgestimmte Presseerklärung. Der Tod Fastenmeiers, der lange Jahre als Geschäftsführer erfolgreich fürs Klinikum tätig war, habe alle "menschlich sehr betroffen gemacht". Aus Schutz der Persönlichkeitsrechte und Respekt für den Verlust, den die Familie erlitten habe, habe sich die Geschäftsführung in den letzten Wochen mit öffentlichen Äußerungen sehr zurückgehalten. Nach den Vorwürfen Szesnys habe man sich jedoch veranlasst gesehen, Stellung zu nehmen. Das Klinikum erläuterte noch einmal den zeitlichen Ablauf, der "durch die äußeren Ereignisse vorgegeben" gewesen sei. Es begründet die Entscheidungen des Aufsichtsrates mit einem möglichen Schaden im niedrigen siebenstelligen Bereich zulasten der Gesellschaft, der anstehenden einmaligen Kapitalauszahlung einer zusätzlichen Altersversorgung zum 1. Januar 2018 an Fastenmeier, dem Besuch eines Vermögensberaters in der JVA im Zusammenhang mit der bevorstehenden Auszahlung und einer damit verbundenen "akuten Gefahr, dass der Auszahlungsbetrag bei Fälligkeit sofort an Dritte weitergeleitet wird und damit für Forderungen des Klinikums nicht mehr in Anspruch genommen werden kann". Geschäftsführung und Aufsichtsrat hätten dem damit verbundenen Risiko eines Schadens begegnen müssen.

Laut Anwalt Szesny habe Fastenmeier lange vor seinem Tod veranlasst, dass das im Januar fällige Geld der Versicherung zur Tilgung fälliger Darlehensforderungen verwendet werde. Das Klinikum beziehungsweise dessen Anwälte argumentieren: Der Betrag wäre dann nicht mehr zur Deckung der Ansprüche des Klinikums zur Verfügung gestanden. Szesny sieht auch dies anders: "Die Tilgung sollte die Belastung von Immobilien Herrn Fastenmeiers verkleinern, das Klinikum hätte damit auf geringe oder gar nicht mehr belastete Immobilien zugreifen können", teilte er auf Nachfrage mit.

Unterschiedlich fallen auch die Ansichten in Sachen Vermögensverschiebungen aus: Die Anwälte des Klinikums verstehen Wohnungsübertragungen an die beiden Söhne Fastenmeiers im Zeitraum April bis Juni 2016 als "objektiv erfolgte Vermögensübertragungen". Zu diesem Zeitpunkt seien Fastenmeier die Ermittlungen gegen ihn bekannt gewesen. Laut Szesny hingegen seien die Wohnungsverkäufe an Fastenmeiers Söhne zwar Anfang Mai 2016 notariell beurkundet worden, besprochen worden seien sie jedoch Mitte 2015. "Herr Fastenmeier hat während des gesamten Ermittlungsverfahrens und bereits vorher keinerlei Vermögensübertragungen vorgenommen, obwohl er dies über mehr als eineinhalb Jahre hätte tun können." Szesny wertet die Stellungnahme des Klinikums als "mühevolle Rechtfertigungsversuche".

In einer der Pressemitteilung des Klinikums angehängten Erklärung bekräftigt der Aufsichtsrat, er habe seine Pflichten in Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Fastenmeier korrekt wahrgenommen: "Der Aufsichtsrat wurde über das jeweilige Ergebnis der internen und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen fortlaufend durch die beauftragte Rechtsanwaltskanzlei umfassend in einer Vielzahl von Sitzungen informiert."

 

Nun streiten sich also die Juristen und haben in der Causa Fastenmeier offenbar in nahezu allen Punkten völlig unterschiedliche Meinungen.

Das verwundert nicht wirklich. Ein Anwalt ist immer seinem Mandanten gegenüber verpflichtet. Und Gesetze geben nun mal Spielraum für allerlei Interpretationen.

Doch was wird nun wirklich aus der Affäre Klinikum? Was ist dran an den von der Staatsanwaltschaft festgehaltenen 99 Vorwürfen der Untreue, von denen sich 88, wie wir mittlerweile wissen, auf von Fastenmeier gehaltene Vorträge beziehen? Wie geht es nun weiter? Jetzt, wo der bevorstehende Strafprozess gegen den einst wegen seiner Erfolge gefeierten Geschäftsführer mit dessen Selbstmord ein so tragisches Ende gefunden hat.

Strafrechtlich wird der Fall, zumindest was Fastenmeier betrifft, zu den Akten gelegt. Was bleibt, sind Fragen. Auch die, was aus den Schadenersatzansprüchen des Klinikums wird, wenn der, der sie verursacht haben soll, nicht mehr lebt? Diese Frage könnte im Krankenhauszweckverband beantwortet werden. Wird auch das zivilrechtliche Verfahren eingestellt? Dafür spräche, dass tags darauf eine Stadtrats-Sondersitzung zum Thema Klinikum anberaumt wurde. | Ruth Stückle