Ingolstadt
Er hat den Stein ins Rollen gebracht

Der pensionierte Arbeitsrichter Goldbrunner und seine schwere Aufgabe als Ombudsmann des Klinikums

14.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:49 Uhr

Mehrere Aktenordner hat Franz Xaver Goldbrunner bereits übers Klinikum. Er hat als Ombudsmann die Affäre ins Rollen gebracht. - Foto: Stückle

Ingolstadt (DK) Er lebt abwechselnd in Vohburg und Ungarn. Über seine Rechtsanwaltskanzlei in Ingolstadt ist er aber stets erreichbar - obwohl der ehemalige Arbeitsrichter Franz Xaver Goldbrunner längst in Ruhestand ist. Seit 2014 ist der Jurist Ombudsmann am Ingolstädter Klinikum. Und hat in dieser Funktion die Klinikumsaffäre ins Rollen gebracht.

Eines ist dem 68-Jährigen so wichtig, dass er es bei der telefonischen Anfrage unserer Zeitung für ein Gespräch gleich mehrmals betont: Über die Affäre will (und darf) er nicht sprechen. Auch darüber nicht, wie und in welcher Form er die ersten Hinweise für Ungereimtheiten am viertgrößten Akutkrankenhaus Bayerns bekommen hat. Goldbrunner verweist auf den bei seiner Tätigkeit als Ombudsmann geltenden Informantenschutz. "Das ist so ähnlich wie bei der Zeitung", erklärt er. Er werde weder zu anonymen Hinweisen noch zu anderen Informationsgebern in der Klinikumsaffäre irgendwelche Aussagen machen. "Ich bin der Öffentlichkeit gegenüber nicht verpflichtet." Deshalb habe er auch Einladungen von Stadträten, sie zu informieren, wer wann über was in Kenntnis gesetzt worden sei, abgelehnt.

Franz Xaver Goldbrunner macht keinen Hehl daraus, dass er selbst ungern im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Dabei ist er der Mann, der 2016 die Klinikumsaffäre ins Rollen gebracht hat. Eine Affäre mit mittlerweile über einem Dutzend Beschuldigten, die sich zu einer Lawine entwickelt hat. Einer Lawine, die mit dem Selbstmord des früheren Klinikums-Geschäftsführers Heribert Fastenmeier, gegen den die Staatsanwaltschaft Ingolstadt Anklage wegen Untreue, Vorteilsannahme und Bestechlichkeit erhoben hatte, leider sogar ein Todesopfer gefordert hat - eine Entwicklung, die Goldbrunner selbstverständlich nicht beabsichtigt hatte.

Goldbrunner war fast 40 Jahre lang Richter am Arbeitsgericht München, bevor er 2009 in Ruhestand ging. In seine Kammer fiel unter anderem der Arbeitsgerichtsprozess des ehemaligen Citymanagers Peter Haas, der juristisch gegen die fristlose Kündigung durch seinen damaligen Arbeitgeber IN-City vorgehen wollte. Die Klage wurde später zurückgezogen. Haas war 2009 vom Schöffengericht am Amtsgericht Ingolstadt wegen Untreue, Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Zum 1. November 2014 ist der ehemalige Arbeitsrichter Franz Xaver Goldbrunner zum Ombudsmann am Ingolstädter Klinikum bestellt worden. In einer Betriebsvereinbarung hatten das Klinikum und seine Tochtergesellschaften mit dem Betriebsrat bestimmt, dass an dem Haus eine Anlaufstelle für die Einhaltung gewisser Regeln - insbesondere zum Thema Compliance - geschaffen werden soll. "Die Aufgabe eines Ombudsmannes ist, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2009 ausgeführt hat, die Verhinderung von Rechtsverstößen, insbesondere von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden", erklärt Goldbrunner. Würde er von rechtswidrigen Handlungen, von denen er erfahren hat, nicht unterrichten, würde er sich selbst strafbar machen. "Im Hinblick auf diese Rechtsprechung blieb mir gar nichts anderes übrig, als die Verdachtsmomente, von denen ich erfahren habe, nach eingehender Prüfung anzuzeigen."

Rechtsverstöße können dem Ombudsmann gemeldet werden, ohne, dass der Informant Repressalien zu befürchten hat. Sein Name bleibt unbekannt. "Man kann etwas persönlich melden, man kann es auch anonym melden", erklärt Goldbrunner. Über seine Kanzlei sei er immer erreichbar. Die E-Mail-Adresse des Ombudsmannes ist zudem im Intranet des Klinikums vermerkt.

Wie das Klinikum auf ihn gekommen ist, darüber kann Goldbrunner nur spekulieren. "Vielleicht, weil der damalige Klinikumschef Heribert Fastenmeier und der frühere Betriebsratsvorsitzende selbst früher einmal Beisitzer beim Arbeitsgericht waren." Wer ihn damals konkret als Ombudsmann vorgeschlagen hat, weiß Goldbrunner nicht.

Er hat sich der Verantwortung nicht entzogen. Auch, wenn er damals natürlich nie geahnt hätte, dass seine Tätigkeit als Ombudsmann solche Ausmaße annimmt. "Ich bin keiner, der leichtfertig etwas in Gang setzt, ohne sich abzusichern, ob an den Vorwürfen was dran ist", sagt der Jurist ganz allgemein über seine Arbeit am Klinikum. Wichtig sei, dass die Hinweise, die er bekomme, nachprüfbar seien. Es sei eine sehr schwierige Arbeit, die viel Fingerspitzengefühl und Urteilvermögen erfordere. "Man weiß ja oft nicht, was das für Leute sind, die einem Informationen zukommen lassen." Und, was dahintersteckt. Bei der Bewertung komme ihm seine Erfahrung als Richter zugute, sagt der Jurist Goldbrunner.

Als der Ombudsmann überzeugt war, dass an den Vorwürfen, von denen er erfahren hatte, etwas dran ist, hat er die Sache an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Und den Vorgesetzten des Beschuldigten von dem Verdacht in Kenntnis gesetzt - im Fall Fastenmeier war dies der Aufsichtsratsvorsitzende der Klinikum GmbH, Oberbürgermeister Christian Lösel.

Dass Franz Xaver Goldbrunner seit vielen Jahren teilweise in Ungarn lebt, hat übrigens einen sehr persönlichen Hintergrund. Hier gab es für seinen mittlerweile 35-jährigen, schwerbehinderten Sohn eine Erfolg versprechende Therapie, die erst später in Deutschland anerkannt wurde.