Ingolstadt
Abschied mit Torschlusseffekt

Mit gut 400 Besuchern dürfte der letzte Tag der "Stadtidentität" der publikumsstärkste gewesen sein

28.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:53 Uhr

Foto: Stefan Eberl

Ingolstadt (DK) Über zwei Monate hinweg hat der Historische Verein den Schanzern und vielen Zugereisten im Schloss einen Bilderbogen zur jüngeren Ingolstädter Geschichte gezeigt. Am Sonntag nun hat sich die "Stadtidentität" verabschiedet - wie es scheint, mit einem Besucherrekord.

Kein Zweifel: Das war mal ein Stück Heimatkunde, wie es sich viele Menschen der mittleren und älteren Generation wünschen. Die Veränderungen der Stadt im 20. und im beginnenden 21. Jahrhundert durch fotografische Gegenüberstellungen gezielt und kompakt serviert zu bekommen, das hat vielen Bürgern, denen Ingolstadt mehr bedeutet als nur ein guter Platz zum Arbeiten, gut gefallen.

Am letzten Tag der Bilderschau sind auch jene gekommen, die bislang nur vom Hörensagen aus dem Bekanntenkreis und natürlich über die ausführliche Berichterstattung im DONAUKURIER (zuletzt noch in der Wochenendausgabe) von dieser Retrospektive erfahren hatten. Man kann durchaus von einem Ansturm sprechen, denn um 15 Uhr waren an der Museumskasse des Neuen Schlosses bereits 300 Tickets verkauf worden. Gut möglich, dass es bis zum Torschluss am späten Nachmittag noch über 400 geworden sind.

Wer hier zwischen den Ausstellungswänden flaniert, gehört meistens der Generation 50 plus an und hat oft noch ein Elternteil mitgebracht. Hier wollen dann gleich zwei Generationen ihre Stadt noch einmal so sehen, wie sie sie in jungen Jahren erlebt haben - deutlich kleiner, sicher etwas ruhiger und beschaulicher, aber längst nicht immer schöner als heute. Die meisten, das zeigt sich in Gesprächen, registrieren den inzwischen vollzogenen Wandel als etwas durchaus Positives. Viele wissen, dass die Vergangenheit oft verklärt wird, dass die damals unterschwellig als negativ empfundenen Umstände längst vergessen oder verdrängt worden sind.

Liselotte Dröge steht mit ihren Kindern vor einem alten Bild der Schleifmühle. Ein wenig weiter, an der Kanalstraße, dort, wo heute die Tanzschule Fischer residiert, ist sie geboren und in den 30er-Jahren aufgewachsen. "Als Kind ist man ja über sein Viertel nicht hinausgekommen", sagt sie. Genau dieses Eck, das war damals ihre Welt. "Ich bin ein richtiges Stadtkind", betont die rüstige Seniorin, die längst im ruhigen Westviertel lebt, aber den Hang zur Innenstadt nie verloren hat. Dass es dort in der Nachkriegszeit ein wenig farbenfroher und lebendiger zuging als vor dem Krieg, das hat ihr durchaus gefallen: "Die Stadt ist aufgeblüht, auch kulturell." Bilder aus Kindheitstagen zu sehen, das sei schon schön, sagt sie, aber nochmals in jenen frühen Jahren zu leben, das müsse es dann auch nicht gerade sein . . .

Alles hat eben seine Zeit. Auch Hannelore Böckl wird mit Erinnerungen konfrontiert. Die gebürtige Schanzerin zeigt ihrer Freundin Mechthild Koch, die seit 1965 in Ingolstadt lebt, ein Foto der bei Kriegsende zerstörten Augustinerkirche. Unweit dieser Stelle, heute vom Viktualienmarkt eingenommen, hat die vormalige Geschäftsfrau an der Mauthstraße bis vor rund 15 Jahren ihren kleinen Juwelierladen, das "Schmuckkästchen", geführt. Obwohl bei Kriegsbeginn geboren, hat Hannelore Böckl keine Kindheitserinnerung mehr an die Augustinerkirche: "Wir wohnten ja im Nordviertel, da bin ich nicht oft in die Innenstadt gekommen."

Auch Zugereiste sind angetan von der Rückschau auf eine Zeit, die sie selbst nicht in der Stadt erlebt haben. Konrad Stelz kam Mitte der 50er-Jahre nach Ingolstadt, lebt mit seiner Frau in Ringsee. Auch dieser Stadtteil, sagt er, verändert langsam sein Gesicht: "Viele kleine Häuser verschwinden, weichen Neubauten." Dass in der Altstadt mittlerweile wieder mehr auf die Erhaltung älterer Bausubstanz geachtet wird, imponiert ihm; wie die Obere Apotheke nach der Sanierung jetzt wieder fesch herausgeputzt sei, das mache schon etwas her.

Der Historische Verein als Organisator, Stadtchronist Hans Fegert und das Stadtarchiv mit ihren alten Gebäudeansichten und Fotograf Erich Reisinger mit seinen aktuellen Gegenüberstellungen haben, so scheint's, vielen Bürgern mit ihrer "Stadtidentität" einen großen Gefallen getan. Der Schlussakkord am Sonntag hat das noch einmal deutlich unter Beweis gestellt.