Ingolstadt
"Die Moral ist ziemlich am Boden"

Audi-Mitarbeiter und Vertragshändler äußern sich zur jüngsten Entwicklung im Abgas-Skandal

02.06.2017 | Stand 02.12.2020, 18:00 Uhr

Flaggen mit den vier Ringen wehen am Audi-Konzernsitz in Ingolstadt. Nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals ist die Stimmung bei so manchem Mitarbeiter und Vertragshändler mies. ‹ŒArch - foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Es ist kurz vor 14 Uhr. Schichtwechsel bei Audi. Viele Mitarbeiter machen sich auf den Weg in die Arbeit und stehen an der Ampel vor dem Werkstor an der Ettinger Straße. Einige weigern sich, zum neuen Abgas-Skandal Stellung zu nehmen.

 Ein paar haben aber auch das Bedürfnis, sich Luft zu machen - wenn auch anonym. Erst am Donnerstag hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bekanntgegeben, dass Audi eine "unzulässige Abgaseinrichtung" verwendet. Durch die Software sei erkannt worden, ob Fahrzeuge auf dem Prüfstand für Abgasmessungen waren - nur dann wurde die Emissionsreinigung voll angeschaltet.

Vor dem Werkstor beklagt ein Mann im Audi-Shirt, auf die aktuelle Situation angesprochen: "Es herrscht miese Stimmung innerhalb der Belegschaft, und die Moral ist ziemlich am Boden." Diese Beobachtung kann ein anderer dagegen nicht bestätigen: "Die Stimmung ist nach wie vor gut. Audi muss jetzt das Beste daraus machen."

Optimistisch ist auch ein junger Mann, der gerade auf dem Weg zur Spätschicht ist: "Audi wird das wieder geradebiegen. Natürlich ziehen die jüngsten Entwicklungen den Konzern runter. Ich finde es wichtig, dass Audi jetzt alles dafür tut, um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen."

Deutliche Worte findet dagegen ein anderer Mitarbeiter: "Die, die das verbrochen haben, müssen es nicht ausbaden. Es sind die kleinen Leute, die unter dem Abgasskandal leiden." Für ihn steht fest, dass die Affäre personelle Einsparmaßnahmen nach sich ziehen wird - "die gibt es ja ohnehin bereits seit einem halben Jahr". Dass auch der jüngste Skandal um manipulierte Emissionswerte wieder Sparmaßnahmen zur Folge haben dürfte, vermutet ein weiterer Audianer. Er merkt an: "Es wird immer schwieriger für Rupert Stadler. Durch den Abgas-Skandal ist seine Glaubwürdigkeit in Mitleidenschaft gezogen worden. Audi hatte ja immer ein Saubermannimage, das ist jetzt enorm angekratzt."

Wenig amüsiert von Audis neuen Diesel-Eingeständnissen zeigt man sich auch bei Vertragshändlern, die das Thema an der Front zum Kunden aushalten müssen. Es wäre schön, so ein regionaler Audi-Partner, wenn das Unternehmen in Sachen Abgasmanipulation endlich einmal "die Hosen runterlassen" und einen Schlussstrich ziehen würde. Dass der ganze Umfang des Problems nur scheibchenweise sichtbar werde, sei traurig und für das Image nicht förderlich.

Im Tagesgeschäft ist "Dieselgate" nach diesen Angaben allerdings (noch) nicht der große Hemmschuh. Da viele größere Audimodelle als Leasingfahrzeuge (oft als Geschäftswagen) geordert würden, so die Erfahrung, machten sich die entsprechenden Kunden nicht so sehr Gedanken über den Wiederverkaufswert ihrer Modelle. Das sei bei VW-Händlern mit mehr wirklichen Käufern wahrscheinlich ein größeres Problem.

Für die Audi-Werkstätten ist die nun schon beständige technische oder elektronische Nachrüstung von Dieselmotoren indes sogar ein regelrechtes Konjunkturprogramm. "Wir sind gut ausgelastet", hieß es am Freitag bei einem Vertragshändler. Demnächst schauen nun ja wohl auch etliche A 8- und A 7-Fahrer zum Nachbessern vorbei.