Ingolstadt
39 Jahre lang das Sprachrohr der Stadt

Gerd Treffer, dienstältester Pressesprecher einer bundesdeutschen Großstadt, geht Ende des Monats in den Ruhestand

27.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

Eingerahmt von (früheren) Chefs und dem Nachfolger: Gerd Treffer (Mitte) scheidet nach 39 Jahren als Pressesprecher am Monatsende aus den Diensten der Stadt. OB Christian Lösel (2. v. r) und dessen Vorgänger Alfred Lehmann (l.) und Peter Schnell (r.) haben ihn bereits verabschiedet. Links neben Treffer der neue Stadtsprecher Michael Klarner. - Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) 1977 gab es einen enormen technischen Fortschritt: Die Wählscheibe am Telefon hatte ausgedient. Die Bundespost rüstete alle öffentlichen Fernsprecher mit Tastenautomaten aus. "Vor allem ältere Menschen haben Schwierigkeiten, sich dieser neuen Technik zu bedienen", meldete der DK damals. Der junge Mann namens Gerd Treffer, der sich im Herbst 1977 anschickte, Pressesprecher der Stadt Ingolstadt zu werden, dürfte mit dem Tastentelefon keine Schwierigkeiten gehabt haben, aber die rasante Entwicklung der Technik stellte ihn durchaus vor Probleme.

Bevor er Pressesprecher wurde, unterrichtete Treffer, gebürtiger Münchner, kurzzeitig an der Fachoberschule (FOS). Lehrer wollte er aber nicht bleiben. So kam es ihm gelegen, dass der damalige Vize-Direktor der FOS und CSU-Stadtrat Valentin Demmel ihn bei OB Peter Schnell als Pressesprecher ins Gespräch brachte. Was Treffer dann auch geworden ist, trotz des Widerstands der SPD. Als im Oktober 1977 im Stadtrat die Entscheidung anstand, die entsprechende Planstelle zu schaffen, gerieten sich CSU und SPD derart heftig in die Haare, dass die Mehrheit der SPD-Fraktion den Sitzungssaal verließ, in der Überzeugung, damit die Entscheidung verhindert zu haben. Drei SPD-Stadträte beteiligten sich allerdings an der Abstimmung und votierten tapfer mit Nein, nicht ahnend, dass sie mit ihrer Anwesenheit erst die Beschlussfähigkeit des Stadtrats sichergestellt hatten. So richtige Freunde sind Gerd Treffer und die SPD seitdem nicht mehr geworden.

Skepsis schlug dem jungen Pressesprecher aber auch aus der Verwaltung und aus dem Haus DONAUKURIER entgegen. Der Leitende Stadtdirektor Fritz Kroll war wenig begeistert und fand sich dabei auf einer Linie mit dem damaligen Herausgeber des DONAUKURIER, Wilhelm Reissmüller, der seine Redakteure anknurrte: "Wozu braucht die Stadt einen Pressesprecher, wir brauchen ihn jedenfalls nicht."

Aus damaliger Sicht mag das verständlich gewesen sein. Wie schon erwähnt, es war die Zeit des Tastentelefons. Die Pressearbeit der Stadt wurde von einem Mitarbeiter des Kulturamts nebenbei betrieben und außer dem DONAUKURIER gab es keine nennenswerten Medien in Ingolstadt. Die Redakteure schauten einfach bei den Bürgermeistern und städtischen Referenten im Rathaus vorbei, wenn sie etwas erfahren wollten.

Als Gerd Treffer 1977 seine Stelle antrat, zunächst von einer einzigen Mitarbeiterin, Cornelia Zettel, unterstützt, ging es erst einmal darum, Struktur in die Pressearbeit zu bringen. Er führte die städtische Pressekonferenz ein, jeweils dienstags um 10.30 Uhr. Das ist bis heute so geblieben, und es war notwendig. Denn mit der Alleinstellung des DONAUKURIER war es bald vorbei: Lokaler Rundfunk und lokales Fernsehen etablierten sich, Anzeigenblätter und Stadtmagazine kamen und gingen, zuletzt lokale Internetportale. Alle wollen bedient werden, brauchen Informationen oder fragen nach Gesprächspartnern.

Kein einfacher Job, denn der Pressesprecher einer Stadt steht im Spannungsfeld zwischen Verwaltung einerseits und Medien andererseits. Beide Seiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie für die jeweils andere Seite herzlich wenig Verständnis haben. In diesem Spannungsfeld zu arbeiten und zu vermitteln ist Gerd Treffer über all die Jahre gelungen - meistens jedenfalls. Gelegentlich ist ihm der Geduldsfaden gerissen und er hat einen Redakteur angeschnauzt. Ab und zu hat er vergessen, dass nicht alle seine Zeitgenossen in Rechts- und Politikwissenschaft (in beiden Fächern hat er promoviert) oder in Geschichte (Magister) genauso bewandert sind wie er. Mit seiner Neigung, seine Argumente manchmal etwas schroff vorzutragen, hat er sich innerhalb der Verwaltung nicht nur Freunde gemacht. Aber auf den Rückhalt bei seinen Chefs Peter Schnell (25 Jahre), Alfred Lehmann (12) und Christian Lösel (2) konnte er sich verlassen.

Sein profundes Wissen hat Gerd Treffer keinesfalls für sich behalten, sondern in mehr als 100 Publikationen, Hörbildern und Drehbüchern verbreitet. Mit seinem eifrigen Publizieren hat er sich aber auch Ärger eingehandelt. Im "Bürgernetz Ingolstadt" (bingo) sah sich Treffer einer Kampagne ausgesetzt. Er hat's überstanden, ist 39 Jahre lang Pressesprecher geblieben, dienstältester Pressesprecher einer bundesdeutschen Großstadt geworden und geht Ende Juli in den Ruhestand. Es gab allerdings auch Momente, da hat er mit einem Lehrstuhl an einer Hochschule geliebäugelt. Aber daraus wurde nichts.

Dass er nun Däumchen drehen wird, kann sich niemand vorstellen. Er wird das tun, was er gerne macht: schreiben. Er wird das unvollendete Werk von Siegfried Hofmann, die Geschichte Ingolstadts umfassend darzustellen, fortsetzen und er wird auch seine besonderen Beziehungen zu Frankreich pflegen, nicht nur, weil seine Frau Annick Französin ist. Gerd Treffer ist das Musterbeispiel eines "Frankophilen" - als Übersetzer der Werke von französischen Politikern und als Verfasser von Büchern über die französische Geschichte. Belohnt worden ist er dafür mit hohen Auszeichnungen, so mit dem Nationalen Verdienstorden der Republik Frankreich. Eines wird er künftig aber nicht mehr tun: den Journalisten am Dienstag "eine arbeitsreiche Woche" wünschen.

 

Ottmar Engasser kam im April 1977 als junger Redakteur zum DONAUKURIER und war von 1987 bis 2004 Leiter der Lokalredaktion Ingolstadt.