Ingolstadt
Darauf ein Reagenzgläschen Monsterblut

Die Stadt und ihre Tourismusgesellschaft bieten im Frankensteinjahr Unterhaltsames wie Lehrreiches

22.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:39 Uhr

Foto: Stefan Eberl

Ingolstadt (DK) Die Ingolstadt Tourismus und Kongress GmbH (ITK) trägt zum Frankensteinjahr Unterhaltsames bei und bewirbt kräftig das große Jubiläumsprogramm der Stadt. Die Beschäftigung mit der Heimatgeschichte diene auch der Identitätsbildung der Ingolstädter, so ITK-Chef Jürgen Amann.

Eine Erlebnistour durch eine historische Altstadt ist natürlich kein Oberseminar wie an der Universität; zumindest im Idealfall. Deshalb passt es gut dazu, wenn die ITK ihren Gästen anbietet, ein Reagenzgläschen voller "Monsterblut" einzunehmen. Das Getränk (vier Zentiliter Heidelbeerlikör, 20 Prozent Alkohol) gibt es nebst anderen Frankenstein-Fanartikeln in der als kleiner Horrorladen dekorierten Tourist-Information an der Moritzstraße. Hier können auch die Teilnehmer einer Erlebnisführung am Ende mit "Monsterblut" auf die Autorin Mary Shelley anstoßen. Oder auf die mitreißenden Darsteller, mit denen sie gerade auf Zeitreise gewesen sind. Denn die ITK-Gästeführer wissen: Eine gelungene Führung verbindet Bildung mit Unterhaltung; würde so eine Tour dagegen rein akademisch ablaufen, wäre es gewiss ratsam, den Likör schon vorher herunterzukippen.

ITK-Chef Jürgen Amann präsentiert das "Monsterblut" augenwinkend. Für den Tourismusmanager ist es wichtig, nicht nur bierernst an die trockene, düstere Materie heranzugehen, die Shelleys Frankenstein-Roman bietet: gewissenlose Wissenschaft und andere Abgründe. Da darf 200 Jahre später auch mal ein bisschen Spaß sein. Die Stadt und die ITK haben je ein eigenes Programmheft zum Jubiläum herausgebracht, aber bewusst mit einer gemeinsamen Schnittfläche. Großveranstaltungen wie der Futurologische Kongress am 14. und 15. Juni im Stadttheater stehen etwa in beiden Broschüren. Geboten sind künstlerische Auseinandersetzungen mit der Frankenstein-Motivik, Vorträge von Experten, die den Problemhorizont gründlich beleuchten und vermessen (Victor Frankensteins Kreatur war schließlich ein Monster mit Anspruch!) und heiter-unterhaltsame Veranstaltungen - etwa gruselige Filmnächte - ergeben eine bunte Mischung (siehe eine kleine Auswahl im Kasten).

Die ITK hat ihre Broschüre an 1500 Reiseveranstalter geschickt und wirbt auf weiteren Kanälen für den Frankenstein-Reigen in Ingolstadt, wo ein Drittel des Romans spielt. "Wir wollen auch eine Klientel ansprechen, die Ingolstadt nicht automatisch auf der Agenda hat", sagt Amman. Zum Beispiel "junge Leute, die das Hippe suchen." Ihnen könnte etwa das Street-Artig-International-Happening auf dem Rathausplatz gefallen. Bei klassischen Bildungsbürgern finde sich Ingolstadt dagegen "schon länger auf der Landkarte".

Die Gästeführer der ITK haben eine neue Tour mit dem Titel "Frankenstein - oder die Geister, die ich rief" erarbeitet. "Wir wollen die Geschichte mit dem Monster aufbrechen." Es gehe auch um die Frage, "warum eine Schriftstellerin einen Roman in Ingolstadt spielen lässt, obwohl sie nie einen Fuß hierher gesetzt hatte", erzählt Amann. Mary Shelley kannte die Stadt nur aus Büchern und - so ist zu vermuten - gruseligen Legenden; Bayern galt gebildeten britischen Lesern Anfang des 19. Jahrhunderts als Reich der Zauberer und Alchimisten, ein Land voller Mythen. Und mittendrin der sagenumwobene Gründungsort des geheimnisvollen Illuminatenordens: Ingolstadt. Diese nicht sehr anheimelnde Außenwirkung der Stadt zur Zeit Mary Shelleys (bei der es jeden Tourismusprofi fröstelt) haben die Expertinnen Heike Marx-Teykal (Stadtbücherei), Marion Ruisinger (Deutsches Medizinhistorisches Museum) und Beatrix Schönewald (Stadtmuseum) im Zuge dieser DK-Serie eindringlich herausgearbeitet.

Die Tourismusgesellschaft setzt die reiche Geschichte der Stadt gleichrangig neben ihre Schwerpunkte "Automobil und Technik" sowie "Shoppingstadt" - allem voran die erste Universität Bayerns, anno 1472 gegründet, und die Landesfestung. "Wir haben ein jährlich wechselndes Kampagnenthema", so Amann. 2015 war es anlässlich der Landesausstellung Napoleon gewidmet. 2016 stand das anno 1516 erlassene Reinheitsgebot für Bier im Fokus (es bleibt ein Tourismusklassiker). Und heuer heißt der Star Frankenstein.

Das Konzept ist aber auch ein Angebot für Einheimische: "Die Beschäftigung mit dem "historisch-bedeutsamen und kreativ-kulturorientierten Potenzial unserer Stadt ist ein wichtiger Beitrag zur Identitätsbildung: Wie sehen sich die Ingolstädter selber? Und wie werden sie gesehen" Das ITK-Team will dazu beitragen, "den Minderwertigkeitskomplexen einiger Ingolstädter nach dem Motto ,In Regensburg ist alles schöner!' entgegenzuwirken", so Amann, damit sie "ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln". Berechtigtes Selbstbewusstsein.