Ingolstadt
"Wir stehen hier in einem Museum"

Großes Interesse an Führung durch die weitläufigen Hallen des ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerks

21.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Rund 50 Besucher nahmen an der Führung durch das ehemalige Eisenbahnausbesserungswerk am Hauptbahnhof teil. Während des Ersten Weltkriegs dienten die riesigen Hallen als Reservelazarett. Am 9. August 1917 kam Maria Theresia, die Frau des letzten bayerischen Königs Ludwigs III., zu Besuch (Bild rechts). - Foto: Hauser, Sammlung Kneitz

Ingolstadt (DK) Es ist kalt, die Hallen sind dunkel und viele der Fenster eingeschlagen. An den Wänden stapeln sich Metallgitter und Fahrradständer.

Die Decke säumen Stahlkonstruktionen und Metallrohre. "Das waren die Abzüge für Dampflokomotiven", erklärt Harald Kneitz, Mitarbeiter des städtischen Kulturamts und großer Eisenbahnliebhaber. Etwa 50 Personen haben vor Kurzem an einer Führung durch das einstige Ausbesserungswerk (AW) teilgenommen - und trotzten damit der Novemberkälte. Die weiten Hallen, die heute der Stadttochter IFG gehören und als Lagerstätte benutzt werden, dienten aber nicht immer der Wartung von Lokomotiven und Waggons. Nachdem die Gebäude im Jahr 1914 fertiggestellt worden waren, wurde dort zunächst kriegsbedingt das Reservelazarett II stationiert. "Anfangs war die Lage sehr schlecht, niemand hatte eine derart hohe Zahl an verletzten Soldaten erwartet. Viele Verwundete mussten auf Strohsäcken schlafen", erzählt Kneitz. Mit der Zeit sei die Lage jedoch besser geworden. "Örtliche Brauereien haben sogar jeden Einzelnen mit einem halben Liter Dunkelbier täglich versorgt." Dennoch waren in den Hallen im Durchschnitt 2500 Soldaten Bett an Bett untergebracht, es sei also keineswegs komfortabel gewesen. "Insgesamt wurden knapp 25 000 Verwundete im Lazarett versorgt."

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs konnten die Hallen für ihren ursprünglichen Zweck verwendet werden. Über viele Jahre war das Ausbesserungswerk der größte Arbeitgeber in Ingolstadt. Sogar die Auto-Union, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Stadt ansiedelte, konnte in ihren Anfangszeiten nicht mit den Eisenbahnern mithalten. Erst nach der Auflösung im Jahr 1965 verschwand das AW nach und nach aus dem kollektiven Gedächtnis der Ingolstädter. Kneitz und interessierte Schanzer erinnern sich gerne an die Geschichte der Gemäuer. "Das meiste befindet sich in einem unveränderten Zustand", berichtet Kneitz. "Wir stehen hier in einem Museum."