Ingolstadt
Vom Schienenstrang zum Radweg

Die frühere Schambachtalbahn nach Riedenburg ist heute eine beliebte Strecke für Ausflügler

05.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:24 Uhr

Ein Schienenbus samt Steuer- und Beiwagen überquerte im Mai 1983 die Schambachtalbrücke bei Altmannstein. Das ehemalige Bahnhofsgebäude von Theißing bei Tolbath ist heute in Privatbesitz. Die ehemalige Bahnstrecke erfreut sich als Schambachtal-Radwanderweg großer Beliebtheit. - Fotos: Hauser, DK-Archiv

Ingolstadt (DK) Der Anschluss an die Bahnlinie nach München 1867 machte die Stadt zum Eisenbahn-Knotenpunkt: Es folgten die Strecken nach Nürnberg, Regensburg, Donauwörth sowie Augsburg. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts fuhr der Zug auch nach Riedenburg - aber nur bis Mitte der 90er-Jahre.

Die neue Bahnlinie nach Riedenburg ließ sich die Stadt was kosten: 40 000 Goldmark investierte sie Anfang des 20. Jahrhunderts in die neue Verbindung und setzte sich damit gegen Regensburg durch, das ebenfalls Interesse an einer Gleisstrecke dorthin gezeigt hatte. Im Herbst 1902 brachte ein Güterzug die ersten Kartoffeln von Dolling in die Schanz. Der Rest der knapp 40 Kilometer langen Strecke wurde 1904 freigegeben, nachdem die Trasse seit 1898 feststand und der Bayerische Landtag im Jahr 1900 zugestimmt hatte.

Doch bis dahin bedurfte es der gemeinsamen Anstrengungen der Gemeinden Riedenburg, Altmannstein sowie der Unterstützung durch Freiherr von Troeltsch (Pappenfabrik Prinstner, Riedenburg), Julius von Weidenbach vom Schlossgut Hexenagger und Baron de Bassus aus Sandersdorf. Bereits 1894 war das erste Bittgesuch der Stadt Ingolstadt und des Lokaleisenbahn-Komitees an das bayerische Parlament gegangen. Die Antragsteller betonten übrigens stets, dass die Rentabilität einer Bahnlinie außer Frage stehe.

Diese Nebenbahn bot in der Tat mehrere Vorteile: Man konnte Holz aus dem ausgedehnten Staatswald im Köschinger Forst billig transportieren und im Falle eines Falles schnell Truppen in die Landesfestung befördern. Die Wünsche der Ingolstädter Beamten und Angestellten nach Tagesausflügen zur Erholung dürften kaum den Ausschlag gegeben haben, auch wenn das Argument seinerzeit vorgebracht wurde. Später waren solche Fahrten freilich bis in die 50er-Jahre bei den Schanzern beliebt. Über Oberhaunstadt, Lenting, Kösching, Dolling, Offendorf, Mendorf, Sandersdorf, Altmannstein ging's nach Riedenburg.

Mendorf stach dabei unter den Bahnhalten heraus. Die dortige Bahnagentur wurde als erste der gesamten Königlich-Bayerischen Staatsbahn von einer Frau geleitet. Käthe Stadler hatte beim Streckenbau für die bisweilen über 300 Bahnarbeiter gekocht und nach der Fertigstellung die Agentur übernommen. Ihre Dienstzeit war von 5 bis 21 Uhr, ihr Essen wurde überall gelobt. 1929 übernahm ihr Sohn mit seiner Frau die Agentur bis zur Einführung des "Vereinfachten Nebenbahnbetriebs" 1966.

Kurios war auch der Bahnhalt am alten Ingolstädter Schlachthof - weil es ihn offiziell überhaupt nicht gab. Die Arbeiter und vor allem die Schüler auf der Bahnstrecke von Riedenburg nach Ingolstadt stiegen gerne beim früheren Militärbahnhof (heute Stadttheater) aus, weil es von dort aus nicht weit in die Stadt war. Als 1925 der Militärbahnhof aufgelassen wurde, hat man zwischen Haupt- und Nordbahnhof den Haltepunkt Schlachthof gelegt - auch wenn er nirgends verzeichnet war.

Rund zwei Stunden brauchten die täglich zwei Zugpaare, die bis zum Ersten Weltkrieg verkehrten. Ab der Weimarer Republik schaffte die bayerische Pt 3/6, eine gut 90 Tonnen schwere Dampflok, die Strecke in eineinhalb Stunden. Zum Schluss wurden Schienenbusse eingesetzt, die gut eine Stunde benötigten. Doch da war die Konkurrenz durch die Omnibusse schon sehr groß geworden. 1971 standen den fünf Zugpaaren schon vier Paare von Omnibuskursen entgegen. Wenig überraschend, aber dennoch schmerzlich war das Ende des Personenverkehrs auf der Gesamtstrecke am 28. Mai 1972. Am 30. September 1973 wurden auf dem Streckenteil Altmannstein-Riedenburg auch der Güterverkehr eingestellt und die Gleise im Folgejahr abgebaut. Auf der Reststrecke Ingolstadt Nord-Altmannstein fuhren bis in die 1980er-Jahre Güterzüge zum Transport von Zuckerrüben. Und das wäre es auch gewesen, wenn nicht Ludwig Koch vom gleichnamigen Lagerhaus in Altmannstein darauf bestanden hätte, seinen Warenumschlag per Bahn durchzuführen. So wurde erst Mitte 1994 der Güterverkehr von Offendorf nach Altmannstein beendet, das Teilstück Ingolstadt-Offendorf am 1. August 1995 stillgelegt. Bis dahin war dreimal in der Woche noch eine Diesellok verkehrt.

Auch wenn die Weichenstellung damals eindeutig Richtung Straße ging, entwickelte sich ab den 80er-Jahren doch ein Umdenken - für eine Umsetzung vielleicht um Jahrzehnte zu früh. So kamen angesichts der ständig steigenden Verkehrsflut auf den Straßen Überlegungen für eine Art S-Bahn-System für die Region auf. Doch ohne einen Verbund mit dem Bus machte das damals keinen Sinn.

Zumindest einige Eisenbahn-Nostalgiker durften sich vorübergehend freuen. In den Jahren 1993 und 1994 verkehrten Sonderzüge auf der Strecke - zum 90. Geburtstag sogar unter Dampf. Doch alle Träume von einer Nostalgiebahn zerschlugen sich, als die Bahn die Strecke 1995 wegen Gleisschäden sperrte. Als letzter Rest zweigen noch ein paar Industrieanschlüsse nahe dem ehemaligen Nordbahnhof ab. Doch auch nach dem Abbau der Schienen hat sich die Strecke erhalten. 2008 wurde der nunmehr durchgängige Schambachtalbahn-Radweg auf der Bahnstrecke eröffnet. Mehrere Infotafeln erläutern die Geschichte dieser Bahnstrecke und der angrenzenden Orte.

Ingolstadt-Riedenburg ist übrigens nicht die einzige stillgelegte Strecke in der Region. Von 1906 bis 1953 wurden Fahrgäste zwischen Wolnzach und Geisenfeld befördert, bis 1988 noch Güter. Die Hallertauer Lokalbahn Wolnzach-Mainburg stellte den Personenverkehr 1969 ein, den Güterverkehr Ende 1995. Gelegentlich werden auf einem Teilstück der 1894 eröffneten Strecke noch Nostalgiefahrten angeboten, zuletzt im August. Der schienengebundene Personenverkehr auf der Strecke Kipfenberg-Beilngries wurde im Oktober 1955 eingestellt, zwischen Eichstätt-Stadt und Kipfenberg 1960, später auch der Güterverkehr.