Ingolstadt
Selbst Ludwig Thoma hat sich geärgert

Ingolstadt war schon früh ein Eisenbahnknotenpunkt aber viele Strecken wurden nie verwirklicht

17.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr

150 Jahre Geschichte der Eisenbahn in Ingolstadt illustrieren die Schautafeln im 2. Stock des Foyers des Neuen Rathauses. Yvonne Einsle und Günter Zachow, der 45 Jahre bei der Bahn gearbeitet hat, betrachten interessiert die alten Fotos. Zu sehen sind unter anderem eine alte Postkarte mit dem Militärbahnhof (heute Standort Stadttheater) sowie das Gleisnetz auf einem Plan aus dem Jahr 1930. - Fotos: Hammer

Ingolstadt (DK) Ab den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts fuhren vom Eisenbahnknotenpunkt Ingolstadt aus Züge in jede Himmelsrichtung und lösten die langen Stellwagenfahrten mit der Kutsche ab. Die Auswirkungen waren wirtschaftlich enorm - und verdeutlichen den raschen technischen Wandel.

Mitte des Jahres 1874 nahm die Königlich-bayerische Eisenbahndirektion nach den Nord-Süd-Verbindungen auch die Donautalbahn in Betrieb. Gegen diese Konkurrenz konnte sich die Vorgängertechnik, die langsamere und vom Wasserstand abhängige Dampfschifffahrt auf der Donau, nicht behaupten. Noch im selben Jahr wurde nach 26 Jahren der Betrieb eingestellt: Die Fahrt von Donauwörth nach Passau hatte immerhin 44 Stunden gedauert. Die Wirtschaft an der Donaulände Ingolstadt, die "Donaudampfschiffahrtsrestauration", wurde aufgegeben und der Viehmarkt dorthin verlegt. Dabei waren fast bis zuletzt zwischen Regensburg und Donauwörth regelmäßig zwei Personen-, zwei Güter- und zwölf Schleppschiffe der "oesterreichischen K.u.k. privilegierten Donaudampfschiffahrtsgesellschaft" verkehrt.

Das erste Dampfschiff hatte 1837 in Ingolstadt angelegt, in den besten Jahren hatte die Flotte bis zu 70 000 Passagiere befördert. Doch der Niedergang zeichnete sich ab: Der Protest verschiedener Städte, darunter auch Ingolstadt, gegen den Verkauf der bayerischen "Donaudampfschiffahrtsanstalt" an die österreichische Gesellschaft blieb ohne Erfolg. Neben den Schiffen ging übrigens auch die Schanzer Landebrücke für eine gewisse Zeit in österreichischen Besitz über. Der Schiffsverkehr auf der Donau kam jedoch damit nicht ganz zum Erliegen. Es gab Anfang des 20. Jahrhunderts - allerdings ziemlich erfolglose - Versuche mit Raddampfern, während die Flößerei sich offenbar behaupten konnte. So wurden 1883 beispielsweise noch 17 000 Zentner Holz auf diese Weise nach Ingolstadt transportiert.

Doch zurück vom Wasser zu den Schienen. Der Eisenbahnbau bedeutete nicht nur gewaltige Veränderungen in der Landschaft - Stichwort Dammbau. Auch logistisch war einiges zu bewältigen. Bahnhöfe (im Stadtgebiet etwa in Haunwöhr, Oberhaunstadt und Zuchering) und Bahnübergänge mit Streckenwärterhäuschen mussten errichtet und Streckengeher eingesetzt werden. So kontrollierte seinerzeit beispielsweise täglich ein Mann bei seinem Marsch von Weichering nach Neuburg die Gleise und Schwellen, fuhr mit dem Zug zurück und ging anschließend bis zum Bahnhof Haunwöhr.

Gewaltig waren die Mengen an Heizmaterial für die Dampfloks. Kohle war knapp, aber Torf im Donaumoos damals reichlich vorhanden - und der brennt ja auch, wenn er trocken ist. So dachte man zumindest. In Ingolstadt, Weichering und Neuburg sollte das Material gelagert werden, in Ingolstadt wurde sogar mit dem Bau einer Remise begonnen. Eine halbe Million Kubikmeter sollte allein aus Obergrasheim kommen. Doch nachdem schon 141 000 Kubikmeter nach Ingolstadt transportiert worden waren, blies man das Vorhaben ab. Der Torf qualmte zwar mächtig, entwickelte aber nicht den für die Dampflokomotiven nötigen Brennwert.

Ingolstadt als Verkehrsknotenpunkt - das fand den Gefallen des Magistrats. Und der wollte noch mehr Anschlüsse an die weite Welt. Kaum bekannt ist, dass die Stadt noch weitere Bahnstrecken plante, die freilich allesamt nicht verwirklicht werden konnten. Ziele waren Hersbruck, Landshut oder Geisenfeld.

Für den Plan einer Lokalbahn Ingolstadt-Geisenfeld hatte die Stadt sogar schon Grundstücke erworben. Statt eines großen Eisenbahnnetzes in der Hallertau wurde am 1. August 1893 allerdings nur mit dem Bau der kurzen Strecke Wolnzach-Mainburg begonnen, um wenigstens Teile der Holledau an den Schienenstrang anzuschließen. Daraus entstand das sogenannte Holledauer Bockerl. OB Josef Kroher bemerkte in seinem Rückblick 1919 lapidar: "Geisenfeld wollte nach Wolnzach."

Auch eine Verbindung von Ingolstadt nach Landshut durch das Laabertal blieb ein Wunschtraum. Die geplante Trasse, die von Landshut über Rohr nach Abensberg hätte führen sollen, fand bereits in Rottenburg an der Laaber ihren Abschluss und hieß im Volksmund analog zur Hallertauer Strecke Rottenburger Bockerl. Nicht zuletzt waren es militärische Gründe, die den Staat 1867 und 1878 zu entsprechenden Untersuchungen veranlasst hatten. Die Behörden konnten sich jedoch nicht zum Bau durchringen. Das wiederum hat keinen Geringeren als Ludwig Thoma mächtig geärgert. Er schrieb in einem Zeitschriftenbeitrag 1910: "Was gehen nur jetzt von den Hauptlinien für merkwürdig angelegte Seitenbahnen ab! Von der Ingolstädter Strecke eine nach Wolnzach-Mainburg; mitten in der reichen Hollerdau bleibt sie stecken, aber fünfundzwanzig Kilometer östlich von Mainburg ist eine andere Sackbahn in Rottenburg kläglich verendet, welche von der Landshuter Linie ausgeschickt wird. Rund um ist reiches gutbevölkertes Land mit Getreide- und Hopfenbau, und wenn zum Beispiel eine richtige Vollbahn über Wolnzach durch bis Neufahrn und von Landshut durch bis Abensberg ginge, so wäre hier ein gesegnetes Stück Ober- und Niederbayern erst aufgeschlossen."

Mit der ebenfalls 1874 erfolgten Eröffnung der Paartalbahn nach Augsburg war das Netz der vom Ingolstädter Hauptbahnhof ausgehenden Strecken zunächst komplett. Zu den Verbindungen, die nicht realisiert wurden, gehört auch die Strecke Ingolstadt-Beilngries-Berching-Altdorf-Hersbruck. Erste Überlegungen gingen wohl von Neumarkt aus. 1872 signalisierte der Ingolstädter Magistrat sein Interesse und schickte einen Abgeordneten dorthin. Ende 1872 erklärten die Vertreter der Gemeinden Ingolstadt, Beilngries, Berching, Altdorf und Hersbruck ihre grundsätzliche Einigkeit für den Bau der Strecke, die bis nach Bayreuth führen sollte. Mitte nächsten Jahres beschloss der Ingolstädter Magistrat, das Gesuch der Kollegen aus Neumarkt an den König zu unterstützen. Doch nach der Entscheidung der Regierung rückte die Stadt von dem Vorhaben ab.

 

Wer sich für die Ingolstädter Eisenbahngeschichte interessiert, sollte sich die derzeit laufende Doppelausstellung anschauen. Die Ausstellung im Foyer des Neuen Rathauses ist bis Ende November zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen, das Eisenbahnkabinett im Apian-Gymnasium hat bis Ende Oktober mittwochs, freitags und sonntags jeweils von 14 bis 18 Uhr geöffnet.