Ingolstadt
100 Schlaglichter

Militärhistoriker Dieter Storz schuf mit "Der Große Krieg" einen außergewöhnlichen Museumsführer

18.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:27 Uhr

 

Ingolstadt (DK) An Literatur zum Ersten Weltkrieg herrscht 100 Jahre nach dessen Ausbruch kein Mangel. Kommende Woche wird nun ein Werk zum Thema vorgestellt, das aus Ingolstädter Sicht nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: „Der Große Krieg“ des Militärhistorikers Dieter Storz ist nicht nur ein bildgewaltiges Kaleidoskop militärischer und kultureller Aspekte des bis dahin größten Konfliktes der Menschheitsgeschichte aus deutscher und sogar speziell bayerischer Perspektive.

Es ist zugleich auch ein neuer Führer durch die seit zwei Jahrzehnten viel beachtete Weltkriegsausstellung des Bayerischen Armeemuseums im Reduit Tilly – bekanntlich die größte ihrer Art in Europa.

„100 Objekte aus dem Bayerischen Armeemuseum“ lautet der Untertitel dieses Werks, das einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt als die vielen anderen Publikationen, die den Markt 100 Jahre nach Kriegsausbruch geradezu überschwemmen: Hier wird Geschichte an Objekten erfahrbar, die eben nicht durchweg militärischen Ursprungs sind. Natürlich sind der Pistole 08 und dem Maschinengewehr 08/15 Kapitel gewidmet, selbstredend auch der Pickelhaube und dem seinerzeit erstmals ins deutsche Militärarsenal aufgenommenen Stahlhelm, der Gasmaske und der Feldhaubitze. Doch auch Erinnerungsteller, Propagandaplakate, Karten und Flaggen erzählen von der Entwicklung eines Konfliktes, der weit in die Zivilgesellschaft ausstrahlte. So weit wie bis dahin nie gekannt.

„Diese Objekte sind Geschichtsträger und Träger von Geschichten“, sagt Autor Storz, der rund drei Jahre an seinem Werk gearbeitet hat. Der Hauptkonservator und stellvertretende Leiter des Armeemuseums gilt als der Fachmann des Hauses für den Krieg von 1914 bis 1918 und die vorausgegangene Phase des Wett- und Hochrüstens der europäischen Großmächte. Er hat über „Kriegsbilder und Rüstung vor 1914“ promoviert. Auch ohne den gigantischen Quellenschatz des Museums wäre ihm zu vielen der ausgesuchten Schaustücke etwas eingefallen.

Und es sind nicht nur die 100 Objekte selbst, die in dem Paperbackband beleuchtet werden. Jedes Kapitel wird durch Fotos ergänzt, die aus der reichhaltigen Sammlung des staatlichen Museums stammen, die – grob geschätzt – an die oder sogar über 10 000 Lichtbilder umfassen dürfte. „Das Fotomaterial des Buches wurde zu 95 Prozent bislang nicht veröffentlicht“, verdeutlicht Storz’ Kollege Tobias Schönauer die Besonderheit von „Der Große Krieg“. Der Autor hatte monatelang buchstäblich in Schuhkartons gewühlt, um die passendsten, aufschlussreichsten Bilder zu seinen Texten zu finden. Storz und Schönauer betonen unisono die großen Verdienste des früheren Museumsleiters Ernst Aichner um den wohl einmaligen Fundus, aus dem hier geschöpft werden konnte.

Unter Aichners Regie waren über viele Jahre unter anderem eben auch private Alben aus Nachlässen von Kriegsteilnehmern aufgekauft worden. Der langjährige Museumschef hatte zudem Anfang der 90er Jahre die ständige Ausstellung zum Ersten Weltkrieg im Reduit Tilly verwirklicht und maßgeblich geprägt – jene einmalige Schau, die heuer, im Jubiläumsjahr, im Blickpunkt steht wie nie zuvor (Führungen sind auf Monate hinaus ausgebucht). Und zu der nunmehr ein Begleitband erhältlich ist, der sicher nicht nur am Museumssitz in Ingolstadt Beachtung finden wird.

Die Reihenfolge der abgebildeten Schaustücke folgt weitgehend der Wegführung im Reduit Tilly. Das Buch kann also als Begleiter bei der Erkundung der ständigen Ausstellung zum Ersten Weltkrieg verstanden und verwendet werden. Es wird deshalb künftig dort direkt an der Kasse erhältlich sein (natürlich aber auch im Handel; siehe Kasten unten).

Dass im Bayerischen Armeemuseum und nun eben auch in „Der Große Krieg“ eine überwiegend deutsche Perspektive des Weltkonflikts wiedergegeben wird (ohne damit kriegsparteiisch oder gar revanchistisch zu sein), liegt in der Natur der Sache. Dieter Storz spricht deshalb bewusst von einer „bayerischen Tönung“ seines Werks. Dies vor allem macht den Unterschied aus zum ebenfalls dieser Tage erschienenen Bildband „Der Erste Weltkrieg in 100 Objekten“ des Deutschen Historischen Museums in Berlin.

Dass der Erkennungsmarke des im März 1916 bei Verdun gefallenen Münchner Malers Franz Marc (Künstlergemeinschaft „Der Blaue Reiter“) ein Kapitel gewidmet ist, gehört zu diesen gewollten Bezugnahmen. Und wenn die geborstene Hülle einer jener sieben im Ersten Weltkrieg auf München (von Hand) abgeworfenen Fliegerbomben in diesem Band zu sehen ist, dann ist das wohl geradezu zwingend. „Das ist eben einmalig; das können nur wir zeigen“, erläutert Historiker Schönauer mit einem gewissen Besitzerstolz.

Mit dem Museumsführer wird zugleich dokumentiert, dass das Armeemuseum seine nun bereits 20 Jahre unverändert bestehende Sonderschau zum Ersten Weltkrieg noch auf lange Sicht so lassen wird, wie sie ist. Für Nachbesserungen wird im Hause auch überhaupt kein Anlass gesehen. Es spreche für die Qualität dieser Ausstellung, dass sie nie umgestaltet werden musste, sagt Tobias Schönauer. Wohl nochmals ein Kompliment an Ernst Aichner.