Höhere Bildung für die selbstbewusste Frau von heute – ein Rückblick des "Katherl"

25.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Ingolstadt (sic) Anfang Dezember 1970 hatte die deutsch-französische Freundschaft in Ingolstadt eine neidvolle Begegnung zu überstehen. Honoré Lions, Bürgermeister der Partnerstadt Grasse, war mit seiner Frau Annette und einer Delegation zu Gast, um die Einweihung einer prachtvollen neuen Schule an der Jesuitenstraße zu beehren. Nach dem Festakt bekannte der 73-jährige Franzose vor seinen Ingolstädter Freunden: „Ein Katharinen-Gymnasium kann sich Grasse nicht leisten.“

Die Schanz schon. Mehr als zehn Millionen Mark hatte der Neubau für das 1965 gegründete Mädchengymnasium gekostet. Und man sah dem Werk des Berliner Architekten Hardt-Waltherr Hämer das viele Geld auch an. Das terrassenförmige Gebäude bot das völlig neue Bild einer Schule. Es kombiniert Sichtbeton innen mit viel Holz. Es gab zu Beginn 28 Klassenzimmer, zwei Turnhallen, zeitgemäße Lehrsäle für Naturwissenschaften, eine Küche samt Gewürzgarten, eine schicke Aula und sogar ein Sprachlabor; damals der letzte Schrei (lange her). Auch das Flachdach kündete von der kühnen, modernen Formensprache; die Eimer, die bald darunter das Regenwasser auffingen, musste man sich wegdenken (spätere Baureferenten haben das Dach verflucht). Kaum waren die 900 Schülerinnen im September 1970 eingezogen, wurde der Platz knapp.
Die Popularität des Katherls, wie die Schule seit 50 Jahren liebevoll genannt wird, ist nicht nur mit dem schmucken Neubau zu erklären. Schon seit der Gründung 1965 kamen Schülerinnen in Scharen – Ausdruck eines sozialen Wandels, der sich in den 60er Jahren beschleunigte: der Ansturm der Mädchen auf die Gymnasien.

Ein Ziel der Kultuspolitik war es, sogenannte bildungsferne Schichten zur Mittleren Reife oder zum Abitur zu führen, darunter auch das „katholische Mädchen vom Lande“, eine beliebte, wenn auch soziologisch etwas unpräzise Typisierung. Tatsächlich aber galt es, in vielen Elternhäusern arge Vorbehalte zu überwinden. Frauen mit Hochschulreife – Herr im Himmel!

Hier setzte das Katharinen-Gymnasium mit seinem sozialwissenschaftlichen Zweig an; vor 50 Jahren etwas Hochinnovatives. Aufgebaut und mit Leben erfüllt wurde diese Ausbildungsrichtung von Helga Seifert (geboren 1924), sie kam 1965 ans Katherl. Ein Gymnasium, das auch Hauswirtschaft samt Kochen lehrt, überzeugte sogar erzkonservative Eltern. 1980 endete die Ära der Mädchenschule. Die ersten Buben wurden aufgenommen.

Der Name geht auf die heilige Katharina zurück, die Patronin der 1472 gegründeten Ingolstädter Hohen Schule. Die Wurzeln des Katherls liegen im Kloster Gnadenthal. Die Franziskanerinnen betrieben damals drei Schulen: ein Gymnasium, eine Mittelschule (die heutige Realschule) und eine Oberschule für Mädchen, die sich ab 1951 zu einer Oberrealschule entwickelte und dann zum Realgymnasium erhoben wurde. 1965 übernahm es der Freistaat. Das Katherl war geboren. Der Gründungsdirektor Heinz Friedberger (1924–2008) ging 1986 in den Ruhestand. Der Nachfolger Stefan Krimm setzte seine Karriere 1990 am Kultusministerium fort. Es begann die 25-jährige Amtszeit Reinhard Kammermayers, die viele Freunde des Katherls als Ära bezeichnen, denn er prägte die Schule außerordentlich und auf vielen Feldern. Mit besonderem Enthusiasmus engagierte sich der promovierte Physiker für den Wettbewerb „Jugend forscht“; hier räumen Katharinen-Schüler schon seit vielen Jahren einen Preis nach dem anderen ab.

Rudolf Schweiger (Foto) ist ebenfalls Lehrer für Mathe und Physik. Er kam 1986 ins Haus, im Februar dieses Jahres übernahm er das Amt des Direktors. Der 61-Jährige schätzt sein Katherl über alles, er wollte nie woanders hin. Er hebt gern die „Weltoffenheit“ hervor, die in Partnerschaften und Austauschprogrammen mit Schulen in außergewöhnlich vielen Ländern Ausdruck findet, darunter eher unübliche Ziele wie Polen, Australien und Indien.

Große Experimentierfreude gehört zu den Charakteristika der Schule. „Wir haben immer bei Projekten mitgemacht.“ Etwa dem Sinus-Programm für die Entwicklung einer originelleren Aufgabenkultur in Physik. Als eines von 47 Gymnasien in Bayern beteiligt sich das Katharinen seit diesem Jahr an dem Modellversuch „Mittelstufe plus“, der den Weg zum Abitur in entspannteren neun Jahren ermöglicht. Außerdem werde man künftig „bei der individuellen Förderung noch weiter in die Breite gehen“, sagt Schweiger. „Wir wollen unseren jungen Leuten umfassende Bildung und Verantwortungsbewusstsein mitgeben.“ Wenn die Schüler und ihre Lehrer gern in die Schule gehen, betont Schweiger, habe man schon sehr viel erreicht.