Hepberg
"Ich habe die beste Kollegin"

Silvia Zitzelsberger und Elisabeth Utzt teilen sich eine Vollzeitstelle als Kümmerer für Flüchtlinge

23.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:52 Uhr

Ein offenes Ohr für alle Sorgen: Silvia Zitzelsberger (links) und Elisabeth Utzt treffen sich regelmäßig mit den Geflüchteten, um sie in ihrem Alltag zu unterstützen. Dazu zählt auch eine nigerianische Familie, die in Hepberg untergebracht ist: Kenneth Okafor, seine Frau Tina und der acht Monate alte Favour Blessing. Sie freuen sich über die Hilfe der Kümmerinnen. - Foto: Stephan

Hepberg (DK) Silvia Zitzelsberger und Elisabeth Utzt sind zwei von 17 Kümmerern im Landkreis Eichstätt. Sie teilen sich eine Vollzeitstelle und sind vor allem für die Geflüchteten in Hepberg, Stammham sowie Wettstetten zuständig. Ihre Hauptaufgabe: "Dass in den Unterkünften alles läuft."

Die beiden Frauen sitzen mit einer nigerianischen Familie am Küchentisch und fragen, ob im Haus alles in Ordnung ist. Kenneth Okafor, seine Frau Tina sowie der acht Monate alte Favour Blessing leben seit mehr als einem Jahr in Hepberg und freuen sich über das Treffen mit den Kümmerinnen. Favour unterhält die Gäste, während er mit einem Kugelschreiber spielt. "Wenn Favour Elisabeth sieht, ist er glücklich", sagt Kenneth Okafor und strahlt.

Elisabeth Utzt und Silvia Zitzelsberger haben sich ihr Zuständigkeitsgebiet aufgeteilt: Während Utzt sich vor allem der Geflüchteten in ihrem Heimatort Hepberg angenommen hat, ist Zitzelsberger in erster Linie Ansprechpartner für die Asylbewerber in Wettstetten und Stammham. Die beiden Frauen Mitte 50 haben sich im Frühjahr auf die vom Landratsamt Eichstätt ausgeschriebene Stelle beworben, nachdem sie sich bereits lange Zeit ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert hatten. Wenn alle Plätze in den Unterkünften besetzt sind, sind sie nun für insgesamt 240 Menschen zuständig. Auch Lenting fällt in ihre Zuständigkeit - doch dort leben derzeit keine erwachsenen Flüchtlinge, und Neuankömmlinge sollen künftig von Kösching aus betreut werden. "Sonst wird uns das doch zu viel", sagt Utzt.

Denn obwohl sich die Kümmerinnen eine Vollzeitstelle teilen, sind beide sehr ausgelastet. Während des Gesprächs piepsen alle paar Minuten die Diensthandys - die Flüchtlinge haben viele Fragen. "Wir sind den ganzen Tag verfügbar, aber wir entscheiden nach Dringlichkeit der Probleme, ob wir losfahren oder nicht", sagt Zitzelsberger. Am Wochenende werde der Ton abgestellt. "Job ist Job, wir brauchen auch einmal eine Auszeit."

In den wenigen Monaten seit ihrer Einstellung hat sich ihr Aufgabenfeld sehr verändert. "Angefangen haben wir als Unterstützer der Hausmeister", sagt Zitzelsberger. Dies habe sich inzwischen ausgeweitet auf "Behördensachen, Papierkram, Arztbesuche, Übersetzung und Jobsuche". Vor allem sehen sich die Frauen aber als wichtiges Bindeglied zwischen den Geflüchteten sowie den Sozialarbeitern, die sich um die rechtlichen Dinge für die Asylverfahren kümmern. Selbst wollen sich Utzt und Zitzelsberger den Asylbewerbern gegenüber dazu nicht äußern. "Sie stürzen sich auf jede Hoffnung, da wollen wir ihnen keine Fehlinformationen geben", erklärt Zitzelsberger.

Gekannt haben sich die beiden Frauen vorher nicht. Heute wollen sie aber gar nicht mehr ohne einander arbeiten. "Ich habe die beste Kollegin", hebt Zitzelsberger hervor. Das liege nicht nur am ähnlichen Arbeitsstil, sondern auch daran, dass die Absprache gut funktioniere - sei dies nun über die Fahrdienste, Termine oder Urlaubsvertretung. "Ich kann Silvia alles fragen, was ich will", bestätigt Utzt.

Und das ist notwendig, denn natürlich läuft nicht immer alles rund in den Unterkünften. "Wir müssen oft von vorne anfangen", sagt Utzt. Das betreffe beispielsweise die Mülltrennung, den Putzplan oder unangenehme Briefe von der Bahn, wenn einer der Flüchtlinge das Bayernticket vor 9 Uhr benutzt hat. "Wenn etwas nicht funktioniert, dann sind wir aber nicht schlecht gelaunt", betont sie. "Das sind erwachsene, eigenverantwortliche Menschen, die wir zu nichts zwingen können."

Um all ihren Terminen Herr werden zu können, versuchen Utzt und Zitzelsberger, ihre Arbeit zu strukturieren. So sind bestimmte Tage für Sprechstunden vorgesehen, andere für Arztbesuche und wieder andere für Treffen in den Unterkünften. "Sonst würden wir 24 Stunden am Tag arbeiten", sagt Zitzelsberger. Ihre Aufgaben scheinen den Kümmerinnen nie über den Kopf zu wachsen. "Wir haben einen schönen Job", beteuert Utzt. "Wir treffen so viele Menschen, bei denen wir merken, dass sich unser Einsatz lohnt."

Die Frauen bauen sehr auf das mittlerweile große Vertrauensverhältnis zu ihren Schützlingen. "Sie wissen, dass sie sich immer an uns wenden können", freut sich Utzt. Obwohl sie nie nach persönlichen Schicksalen frage, erzählten die Flüchtlinge von sich aus ab und an aus ihrem Leben oder von ihren Problemen. So auch nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt. "Sie haben riesige Sorgen, dass das auf sie alle zurückfällt", sagt Utzt. Die Bürger der Gemeinden seien aber meist sehr tolerant.

Weihnachten wird in diesen Tagen in den Unterkünften ganz unterschiedlich behandelt. "Manche sind interessiert und fragen, was unsere Bräuche bedeuten", sagt Utzt. Mit einigen muslimischen Frauen habe sie sogar die Weihnachtskrippe im Eichstätter Dom besichtigt. "Sie wollten viele Fotos machen, haben aber auch aus ihrem eigenen Land erzählt." Zitzelsberger berichtet außerdem von einem kleinen Mädchen aus einer Wettstettener Unterkunft, in der christliche Flüchtlinge leben. "Abigail wollte unbedingt mit mir Weihnachtslieder singen, da hatten wir sehr viel Spaß", erinnert sie sich.

Die Arbeit der beiden Frauen scheint sich auszuzahlen. Kenneth Okafor und seine Familie jedenfalls sind in Hepberg angekommen. Dass die Nigerianer sich wohlfühlen, ist an Kenneths unendlich erscheinender Liste der Dinge, die ihm hier gefallen, deutlich zu merken: "Hepberg ist ein kleines Dorf, aber für mich ist es eine Stadt", sagt er mit seinem breiten Grinsen. Der Grund? "Weil es hier so viele nette Leute gibt."