Heißer Kaffee aus der Schublade

29.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:39 Uhr

Immer einen Becher frischen Kaffee: Koffein im Becher ist der Verkaufsrenner in den frühen Morgenstunden.

Ingolstadt (DK) Der dunkelblaue Audi kommt mit Schwung auf das Gelände an der Manchinger Straße gefahren und hält vor der breiten Glasfront. Die Bremsen quietschen leise. Das Gelb der Leuchtreklame spiegelt sich auf dem Autodach, wo eine zerschlissene Deutschlandfahne auspendelt. Ein stämmiger Mann springt genauso schwungvoll wie er ankam aus dem Wagen. Sehr dynamisch für 4 Uhr früh, mitten in der Nacht.

In dieser Woche eben zu Stephanie, die die Tankstelle zu dieser Stunde alleine schmeißt. Die Stimme der 19-Jährigen ist durch den Lautsprecher schlecht zu verstehen. Die Distanz ergibt Sinn. Zwischen Mitternacht und 5 Uhr früh bleiben die Glastüren der Tankstelle geschlossen. Genauso lange gibt es keinen Alkohol. "Das hat seine Vorteile mit dem Schalter." Denn nicht alle Kunden wollen das Alkoholverbot akzeptieren. Meistens Jugendliche, wenn sie angetrunken daherkommen. "Die werden dann richtig ausfallend", sagt die Kassiererin. Sie stellt in solchen Momenten den Lautsprecher ab, "und mache meine Arbeit weiter".

Nächtliche Stammkunden

Das nächste Auto fährt vor. Ein Van. Stephanie hält schon die frisch gedruckte Zeitung in der Hand. Lydia ist ebenfalls Stammkundin – eine der besten. Sie kommt gerade aus der Arbeit und hat stets Zeit für eine Raucherpause. Eine willkommene Abwechslung. Dann ruft aber bereits die Arbeit. Ein Gluckern hinter der Kasse lockt Stephanie nach drinnen. Der Kaffee ist durchgelaufen, der erste Becher gleich eingeschenkt und schon im Schub des Nachtschalters verschwunden. Zusammen mit dem Zuckerstreuer und Kondensmilch. Die Warten dort auf den Lastwagenfahrer, der sein Gefährt auf der Rückseite des Geländes volltankt. Aus zwei Zapfhähnen auf einmal. Der Mann aus Siegen ist kurz von der Autobahn heruntergefahren. Zur Shell, die am nächsten zur A 9 liegt. Drei Tankstellen sind an der Manchinger Straße wie an einer Perlenschnur aufgereiht. Der Siegener bleibt der einzige Tanker der Stunde. Der Rest kommt wegen des kleinen Supermarkts, der rund um die Uhr geöffnet ist. "Da sind schon Leute im Pyjama vorgefahren, haben ein Snickers verlangt und sind wieder fort", sagt Stephanie. Sie schnürt gerade ein blaues Band um einige Zeitschriften. Die Remittenden, die zurückgehen. Der neueste Lesestoff ist bereits eingeräumt. Als nächstes schiebt sie ein paar gefrorene Semmeln in den Ofen.

Blumen als Geschenk

Ein Kastenwagen fährt direkt vor die Eingangstür. Der Blumenmann holt seine alte Ware und bringt frische. Er darf natürlich herein in den Laden. Kurz eine Unterschrift, dann hebt der Blumenmann die Hand zum Gruß und strebt mit dem dampfenden Becher Kaffee zum Wagen. "Schönes Wochenende", raunt er. Ja klar, ist ja schon Freitagfrüh. Stephanie drückt einen Schalter hinter dem Tresen. Am Zigarettenregal springt die Neonröhre an. 5 Uhr. Die Kunden dürfen wieder rein.

Noch eine Stunde Dienst. Dann kommt die Tagschicht. Für Stephanie endet die Arbeit mit einem Geschenk: Der Blumenmann hat ihr zwei Rosen hinterlassen. Auch das passiert nicht jede Nacht.