Handy,
Warten auf die Trachtler-App

08.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:20 Uhr

Foto: DK

Handy, PC, Mail, WhatsApp? Für Mathias Dietz eine Selbstverständlichkeit. Wie wohl fast alle Jugendlichen bedient sich der 15-Jährige dieser modernen Kommunikationsmöglichkeiten.

Gleichzeitig ist er Trachtler, und das aus Überzeugung und nicht nur, weil seine ganze Familie seine Einstellung teilt. "Ich habe schon als kleiner Bub eine Lederhose getragen" erzählt er. Und ist oft genug an den Wochenenden mit der Familie unterwegs in Sachen Tracht.

Dies ist nicht zuletzt auch dem Vater geschuldet. Rudi Dietz ist der Vorsitzende des Donaugau-Trachtenverbands mit seinen 6000 Mitgliedern und 700 Jugendlichen. Eine Trachtler-App? "Wir haben noch keine. Aber das wird nicht mehr allzu lange dauern", hofft Dietz. Die für die Zeitung sei schon in Arbeit, für den Verband sei man noch am Grübeln. "Man darf nicht vergessen, wir sind lauter Ehrenamtliche", sagt Dietz.

Neue Medien und zeitgemäße Präsentationen sowie digitale Kommunikation gehören auch für Gisela Haußner zu ihrem Alltag. Die 59-Jährige ist Brauchtumspflegerin: Sie organisiert die Teilnahme des Verbands bei Veranstaltungen wie kultURIG, hält Vorträge und Seminare, fungiert als Ansprechpartnerin und sammelt altes Kulturgut, das sonst in Vergessenheit zu geraten droht.

Bayern 2025, das heißt aber auch eine immer weiter wachsende Internationalisierung, Zuzug aus EU- und anderen Ländern, Unterschiede zwischen Stadt und Land und immer mehr Familien, die mit bayerischem Kulturgut zunächst nichts am Hut haben. "Wir stehen zu unseren Traditionen", sagt Gisela Haußner, und Rudi Dietz ergänzt: "Wir werden uns nicht verbiegen lassen." Müssen sie auch nicht. Die Donaugau-Trachtler wollen ihr Brauchtum weiterleben, es aber niemandem aufzwingen. Rudi Dietz verweist auf die Millionen Aussiedler, die nach dem Krieg nach Westdeutschland gekommen sind. "Da hat die Integration funktioniert", betont er unter Hinweis auf die Landsmannschaften, die heute noch an der Kultur ihrer Vorfahren festhalten.

Tatsächlich sind die Trachtler viel aufgeschlossener, als so mancher glaubt. Gisela Haußner verweist auf etliche Beispiele aus dem Raum Eichstätt, wo türkische Nachbarn beim Maibaumaufstellen mithelfen und türkische Tanzgruppen bei Trachtenfesten eingeladen werden. Beim Gredinger Trachtenmarkt vergangenes Wochenende war Andalusien diesmal die europäische Region, die ihr Brauchtum vorgestellt hat. Wie Dietz betont, gebe es mittlerweile auch Trachtler mit asiatischen und lateinamerikanischen Wurzeln. Im Jahr 2025 wird der Donaugau-Trachtenverband 100 Jahre bestehen. Wird beim Festzug dann eine türkische Brauchtumsgruppe als Gast dabei sein? "Warum nicht", sagt Dietz, der aber gleichzeitig eine ganz klare Grenze setzt: "Eine verschleierte Frau in Tracht, das wird es nicht geben."

Bis dahin sind es aber noch ein paar Jahre. Derweil pflegen die Trachtenfreunde das alte Brauchtum und versuchen auch, neue Mitglieder zu gewinnen. "Am Land tut man sich da leichter", sagen Dietz und Haußner, in der Stadt sei das bisweilen sehr schwierig. "Man muss die Leute direkt ansprechen", weiß Gisela Haußner aus Erfahrung: Von alleine kommen die wenigsten. Dazu zählt beispielsweise eine Familie, die zugezogen ist und jetzt in Münchsmünster lebt. "Die haben über das Internet Trachtler gesucht, die auch platteln." Und es hat funktioniert.

Und die Jugend? "Offen sein für alle und auch Angebote machen", empfiehlt Sohn Mathias Dietz. "Und bei den Neuen langsam anfangen und nicht gleich überfrachten", ergänzt Vater Rudi. "Offiziell muss man beim Thema Trachten natürlich genau sein", sagt Gisela Haußner. "Aber in der Freizeit muss man das locker sehen." Trachtler unterscheiden nämlich sehr genau zwischen der Festtracht, die nur an Feier- und Festtagen, aber beispielsweise niemals am Barthelmarkt getragen wird, und der alltäglichen Tracht. Auf ein anderes Problem weist Mathias hin: "Viele Jugendliche sind in ihrer Freizeit ziemlich verplant. Da muss man bei Proben dann eben warten, bis das Fußballtraining vorbei ist."

Als Rudi Dietz vor zweieinhalb Jahrzehnten begann, sich im organisierten Trachtenwesen ehrenamtlich zu engagieren, hat er noch Briefe getippt und mit der Schreibmaschine geschrieben - heute undenkbar für ihn. Doch gebe es natürlich viele ältere Trachtler, die "ihren Stiefel weitermachen und sich nicht mehr ändern können oder wollen. Und das muss man auch respektieren", betont er. Das Internet bezeichnet er als unverzichtbar, nicht zuletzt auch wegen der Informationen in Sachen, die dort zu finden sind. "Aber Brauchtum und Tracht funktionieren nicht im Internet. Das geht nur über Präsenz."