Gerolfing
Der närrische Westen

Seit 50 Jahren veranstalten die Gerolfinger einen Faschingsumzug nächsten Dienstag ist's wieder so weit

20.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

Stimmungskanonen: Lokale Themen, wie die Baulandpolitik (oben ein Bild aus dem Jahr 2016), stehen beim Umzug stets hoch im Kurs. Auch in Ingolstadt waren die Gerolfinger vertreten (unten links). Rittlings auf der Rakete sitzt der inzwischen verstorbene Raimund Achhammer. Seine Frau erinnert sich noch, dass die Gerolfinger Ärger bekamen, weil sie Konfetti in Häuser feuerten. Die Gerolfinger beschlossen kurzerhand, ihren eigenen Umzug zu veranstalten. Im Jahr 2006 wurde der damalige OB Alfred Lehmann gefesselt abgeführt. ‹ŒFotos/Repro: Eberl, Hauser, Herbert

Gerolfing (DK) Die Gerolfinger waren schon immer ein faschingsnarrisches Volk. Seit genau 50 Jahren stellen sie einen Faschingsumzug auf die Beine, der nur zweimal ausfiel: 1990, als der Orkan Wiebke wütete, und 1991, als der ganze Fasching wegen des Golfkriegs abgesagt wurde.

Ganz früher fuhren die Gerolfinger am Faschingssonntag nach Ingolstadt zum Faschingsumzug. 1966 beteiligten sich erstmals auch einzelne Gruppen und Wagen aus Gerolfing daran, erzählt Chronist Stefan Winkelmeyr im zweiten Band seiner Dorfgeschichte. 1967 mischten die Gerolfinger erneut mit, unterstützt von der neu gegründeten Blaskapelle Kolpingia. "Beim Heimfahren kam den Teilnehmern die Idee, am Faschingsdienstag auch einen Umzug durch Gerolfing zu veranstalten", berichtet Winkelmeyr. Denn Bonbons gab es noch genug, und bei den Geschäftsleuten wurde Geld gesammelt, um den Akteuren eine Brotzeit zu spendieren. Das war die Geburtsstunde des Gerolfinger Faschingsumzugs.

Balbine Achhammer weiß noch genau, dass ihr inzwischen verstorbener Mann damals mit auf dem Faschingswagen saß, rittlings auf einer Rakete. Eine Fotografie zeigt die Aufschrift "Raketenversuchsgelände Gerolfia" - vielleicht eine Anspielung auf die damalige Stationierung von Raketen der US-Streitkräfte in Hepberg. "Es war eine Eiseskälte damals", erinnert sich die Gerolfingerin. "Die Stoderer ham sich beschwert, weil die Gerlfinger eana durch die offenen Fenster Konfetti in d'Häuser gschossen ham. Mei, im Fasching is hoid ois erlaubt. Die Gerolfinger ham oiwei gmoand, sie miasn ois aufmischen."

Aufmischen - ein wichtiges Stichwort. Eine Art Vorläufer des Faschingsumzugs war das sogenannte Ausspielen, erinnern sich Winkelmeyr und auch Sophie Hirsch, langjährige Präsidentin der 1973 gegründeten Vereinigten Faschingsgesellschaft Gerolfing (VFG). Da zogen die Leute durchs Dorf, von Hof zu Hof, und gaben lustige Begebenheiten zum Besten. Unterm Jahr hieß es schon: "Pass nur auf, dass'd ned ausg'spuit wirst."

Der Dorfchronist erinnert sich an einige dieser Geschichten. Da soll es einst eine Bauerndirn gegeben haben, die war besonders eitel. Hundertmal am Tag wurden das Haar frisiert und das Kleid glatt gestrichen. Selbst im Stall hing ein Spiegel. Das war natürlich ein Fall fürs Ausspielen. Ein Bursche führte eine Kuh durchs Dorf, an deren Schwanz ein Spiegel befestigt war. Ein anderer Bursche spielte das Mädchen, das beim Melken immer wieder aufstand und hinter die Kuh trat, um sich im Spiegel zu drehen und zu wenden.

Wer ausgespielt wurde, dem blieb nichts anderes übrig, als die Meute in die Stube auf einen Schnaps und eine Brotzeit einzuladen, damit endlich Ruhe herrschte und das närrische Volk weiterzog.

Geradezu legendär sind die Gerolfinger Faschingsspiele. "Was dabei im Dorf los war, lässt sich nicht beschreiben", heißt es in Winkelmeyrs Buch. 1996 wurde zum letzten Mal der Bayerische Hiasl gespielt - Räuberbanden gegen Militär und Gendarmen. "Da wurde früher mit echtem Schwarzpulver geschossen", erzählt der ehemalige Dorflehrer. Zum Finale fand auf dem heutigen Dorfplatz die öffentliche Hinrichtung statt, und der Anführer der Gesetzlosen wurde am Galgen aufgeknüpft, einmal sogar geköpft. Das geschah mittels einer mit Blut gefüllten Schweinsblase, das es nur so auf die Zuschauer spritzte. Das ganze Dorf war bei diesen Faschingsspielen unter freiem Himmel auf den Beinen.

Die Gerolfinger trieben es im Fasching schon immer recht wüst - und das hatte manchmal Folgen. So verurteilte das Königlich Bayerische Landgericht im Februar 1846 vier Burschen wegen groben Unfugs zu sechs Tagen Arrest. Vier davon mussten sie zwecks Strafverschärfung an den Faschingsfeiertagen absitzen. Grausamer konnte man einen Gerolfinger nicht bestrafen.

Und heute? Der Fasching ist brav geworden. "Scheidungen und Krankheiten sind tabu", meint Sophie Hirsch zur Frage, was beim Umzug erlaubt sei. "Der Stadtrat, der damals seine Frau mit dem Gartenschlauch verdroschen hat, war natürlich schon ein Thema."

Die Gerolfingerin weiß noch genau, dass gleich zu Beginn auch die Ingolstädter Narrwalla beim Faschingsumzug in Gerolfing mitfuhr. "Alle ganz adrett in neuen Trainingsanzügen. Und nachher haben sie uns eine Rechnung über 300 Mark geschickt. Stinksauer waren wir. Da war es aus zwischen uns."

Mehr als 200 Mitglieder zählt die VFG mittlerweile, Präsident ist Markus Meier, der schon als kleiner Bub beim Faschingstreiben mitmachte. Er und Schriftführer Lorenz Heckl organisieren den Faschingsumzug, der im Jubiläumsjahr unter dem Motto "Da Moiakäfa rockt" steht. Vorneweg macht traditionell der Schickscheck mit der Goaßl die Bahn frei für den Gaudiwurm. Die Veranstalter rechnen mit 40 Gruppen und 20 Wagen. "Früher ist jeder Verein mitgefahren, aber das ist nicht mehr so. Dafür haben wir inzwischen mehr auswärtige Gruppen im Zug", sagt Heckl. Die VFG selber fährt mit dem prächtig geschmückten Prinzenwagen sowie einem Würschtlwagen mit.

Wer mitmachen will: Anmeldungen für den Gerolfinger Faschingsumzug sind noch bis zum Faschingssamstag bei der VFG möglich, um 15 Uhr findet an diesem Tag im Feuerwehrhaus die Zugeinteilung statt. Der Umzug startet dann am Faschingsdienstag um 14 Uhr. Nach dem Spektakel können die Besucher im beheizten Zelt auf dem Festplatz den Fasching bis zum mitternächtlichen Kehraus ausklingen lassen - an einer 40 Meter langen Riesentheke.