Friedrichshofen
Ein einschneidendes Erlebnis

Amtsgericht rückt für Prozess um blutige Attacke mit Säge zum Ortstermin in Kleingartenanlage bei Friedrichshofen an

29.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:42 Uhr

In benachbarten Parzellen der Kleingartenanlage am Fort Hartmann war es im vergangenen Juli zu dem blutigen Streit zwischen einem 56- und einem 62-Jährigen gekommen. Die Polizei stellte die Szene gestern mit anwaltlicher Hilfe nach. Richter Christian Veh (rechts) verhandelt den Fall am Amtsgericht - Foto: Hauser

Friedrichshofen (reh) Die natürliche Umgebung des Richters ist der Sitzungssaal im Gericht. Eher selten finden sich Juristen in unseren Breiten in der echten Natur ein, wenn es um ein strafrechtliches Verfahren geht. Gestern früh allerdings bat der stellvertretende Direktor Christian Veh die Prozessbeteiligten in einem besonderen Fall statt ins Amtsgericht an der Harderstraße nach Friedrichshofen.

Er wollte sich dort selbst ein Bild von der Umgebung machen, in der es voriges Jahr Mitte Juli zu einem folgenschweren Nachbarschaftsstreit gekommen war. Der Augenscheintermin, wie es offiziell heißt, und die Tat stellten folglich beide ein einschneidendes Erlebnis dar.

Denn konkret geht es um eine blutige Auseinandersetzung mit einer Säge in der Kleingartenanlage am Fort Hartmann. Dort gerieten ein 56- und ein 62-Jähriger aus zwei angrenzenden Parzellen im Streit um einen Strauch aneinander. Was sich genau zutrug, ließen sich Richter, Schöffen, Staatsanwältin sowie die Anwälte Marion Reisenhofer und Klaus Wittmann (Levelingstraße) vom Angeklagten und dem sogenannten Geschädigten am Tatort zeigen. Die Schilderungen der Männer gehen massiv auseinander, doch den bereits kurz wieder aufquellenden Streit erstickte Richter Veh mit einem kurzen Machtwort im Keim,wie ihm auch die generelle Sicherheit aller Gäste in der frostigen Kleingartenanlage am Herzen lag: „Vorsicht, glatt! Der Staat übernimmt hier keine Haftung!“

Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, schlüpften ein Hauptkommissar der Polizei und Nebenklagevertreter Wittmann in die Rolle der Nachbarn und zeigten, wie es im vergangenen Juli zu der heftigen Verletzung des 62-Jährigen gekommen sein könnte. Mit einer Handsäge fügte ihm der jüngere Nachbar zwei tiefe Wunden (Polizei: „bis auf den Knochen“) im Unterarm zu. Unabsichtlich beziehungsweise mehr oder weniger in Selbstverteidigung, sagte der Angeklagte. Als er einen Strauch auf der anderen Seite der Grundstückgrenze zurückschnitt, sei er vom älteren Nachbarn – beide Herren übrigens stocknüchtern – mit einem Stock angegriffen worden. Bei der Abwehr habe er mit der Säge um sich geschlagen und dabei seien die Treffer auf dem Unterarm geschehen.

Der Verletzte deutete gestern dagegen einen gezielten Angriff seines Kontrahenten an. Als er die Schnittaktion des Nachbarn auf seinem Grundstück mit dem Fotoapparat dokumentierte, habe der 56-Jährige von der anderen Seite mit der Säge zugeschlagen und ihn getroffen. Mit dem eigenen Stock habe er den Kontrahenten danach lediglich von der Gartenmauer in einen betonierten Teich zurückgeschubst.

Die Höhe der Umrandung ließ Veh gestern ausmessen, um genaue Daten zu haben, aus welcher Entfernung der Angeklagte die blutigen Hiebe mit der Säge mutmaßlich setzte. Am 9. Februar wird die Verhandlung dann fortgesetzt – wieder in gewohnter Umgebung: dem Amtsgericht.