Ingolstadt
City-Airbus, Vahana oder Flugauto

Airbus arbeitet an drei Projekten für ein Flugtaxi - Demonstrator soll im Herbst nach Manching kommen

13.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:33 Uhr
Vor dem allerersten Modell eines Flugtaxis präsentieren sich Referent Andreas Thellmann (l.) und Organisator Hans-Christoph Oelker beim Luftfahrtforum im Museum Manching. −Foto: Pehlxx

Ingolstadt/Manching (DK) Wenn sich einer mit Flugtaxis auskennt, dann er: Andreas Thellmann ist Leiter von Airbus Urban Mobility mit Sitz in München.

Beim Manchinger Luftfahrforum stellte er das Konzept einer künftigen Mobilität im urbanen Luftraum vor - und stellte klar heraus, worum es geht und worum nicht: "Es ist keine Verlagerung des Verkehrs geplant, sondern ein zusätzliches Angebot. " Genauso wenig bedeute urbane Mobilität im Luftraum, dass irgendwann einmal - wie in dem bekannten Film "Das fünfte Element" - alle Autos in die Luft gehen.

Wohin die Reise führen soll, das erläuterte der promovierte Luft- und Raumfahrttechniker zunächst anhand von nüchternen Zahlen. So gebe es laut UN derzeit 30 Megacitys auf der Welt, also Städte mit über zehn Millionen Einwohnern - Tendenz steigend. Eine davon ist Sao Paulo mit knapp 13 Millionen Einwohnern - und bislang die einzige Stadt mit einem eigenen Management für den Helikopter-Luftraum. Denn in der brasilianischen Metropole sind über 700 Hubschrauber registriert, die unter anderem Shuttles vom Flughafen in die Innenstadt anbieten. Denn die Fahrt mit dem Auto würde in der chronisch von Staus geplanten Stadt Stunden dauern.

Um eigens dafür entwickelte Flugtaxis in Großstädten zu betreiben, müssen freilich einige Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu zählen laut Thellmann natürlich das Luftfahrzeug, dessen Wartung sowie Start- und Landeplätze, aber auch ein Koordinationssystem, ein Buchungssystem für Helicopter wie etwa Voom und ein Betreiber.

Für die künftigen Flugtaxis arbeitet Airbus an drei verschiedenen Entwicklungssträngen. Da ist zum einen das Flugauto von Airbus, Audi und Italdesign, dafür ausgelegt, autonom fliegen und fahren zu können und batteriebetrieben. Eine Passagierkabine lässt sich dabei sowohl mit einem Auto und mit einem Fluggerät kombinieren.

Vahana nennt sich ein weiteres Projekt von Airbus, dessen Prototyp bereits über 100 Flüge absolviert hat. Die Vahana wird von acht Propellern angetrieben und ist eine Art selbststeuerndes, ebenfalls batteriebetriebenes Mittelding zwischen Hubschrauber und Flugzeug: Als Wandelflugzeug können die Tragflügel nach oben oder vorne gekippt werden. Dadurch kann es senkrecht starten.

Das dritte Projekt ist der City-Airbus, von dem ein Modell im März am Ingolstädter Rathausplatz vorgestellt wurde. Fünf Jahre Entwicklung in Donauwörth stecken in dem großen Multicopter-Demonstrator mit acht Propellern, dessen Antrieb Airbus mit Siemens entwickelt hat. Der große Vorteil für die Ingenieure ist laut Thellmann die gute Skalierbarkeit, das heißt vereinfacht ausgedrückt, dass man bereits vom Modell Rückschlüsse ziehen kann. Airbus habe "ein komplett neues Luftfahrzeug" in "einfachster Bauweise" entwickelt. "Wir wollen erst verstehen", betonte Thellmann. "Millimeter um Millimeter" habe man sich herangetastet bis zum allerersten Schwebeflug am 1. Mai dieses Jahres.

Der gut zwei Tonnen schwere, weltweit einzige Demonstrator seiner Art bietet Platz für vier Passagiere und ist rund zehn mal zehn Meter groß. Er wird derzeit komplett zerlegt und mit neuesten Komponenten wieder zusammengebaut - ein Vorgang, der bei solchen Entwicklungen an der Tagesordnung ist. Der City-Airbus hat laut Thellmann mittlerweile schon über 1000 Modifikationen erfahren und schaut völlig anders aus als das erste Modell. Im Herbst soll der Demonstrator nach Manching überführt werden, wo er das ganze nächste Jahr über getestet wird.

Die Entwickler gehen von einer Geschwindigkeit von 120 Stundenkilometern aus, die der City-Airbus erreichen soll. Er beschleunigt übrigens, indem die hinteren Propeller schneller rotieren. Die Flugzeit wird auf 15 bis 30 Minuten veranschlagt, dann sollen die Batterien getauscht werden, damit er wieder starten kann. Das Einsatzgebiet ist laut Thellmann daher weniger die Strecke von Ingolstadt nach München, sondern eher von einem Flughafen in die nächste Innenstadt. Ziel sei ein autonomer Einsatz, wobei anfangs vermutlich noch eine Art Pilot mit an Bord sein dürfte. Parallel zum Batterieeinsatz wird auch die Wasserstoff-Technologie erforscht.

Zahlreiche Fragen an den Referenten bewiesen am Ende des Vortrags, wie groß das Interesse am Thema einer künftigen Mobilität im großstädtischen Luftraum ist. Da ging es um Luftkorridore, um Zulassungen oder um rechtliche Fragen. Wie Thellmann erklärte, werde derzeit daran gearbeitet und es gebe auch schon einen ersten Entwurf für eine Regulatorik. Auch der Lärm - nach der Sicherheit das wichtigste Kriterium für die Entwickler - beschäftigt die Ingenieure, die dafür sogar einen eigenen Teststand betreiben. Groß ist laut Thellmann das Interesse an Flugtaxis im Gesundheitswesen, also bei Krankenhäusern, Notärzten oder Rettungsfliegern. Pfaffenhofens Landrat Martin Wolf wollte schließlich noch wissen, welche Rolle denn der Standort Manching bei den Flugtaxis haben solle, also bei der Planung, Fertigung oder Wartung? "Manching wird auf jeden Fall profitieren", sagte Thellmann und verwies auf Presseberichte, in denen von bis zu 900 Arbeitsplätzen die Rede sei.

 

"LIVING LAB" IN DER FUSSGÄNGERZONE

Die Stadt beteiligt sich seit Mitte 2018 mit 40 anderen Partnern am europaweiten Projekt "Urban Air Mobility" (UAM) zur Erforschung der dreidimensionalen Mobilität - Stichwort Flugtaxis. Um die Vorhaben in diesem Bereich auch den Bürgern näherzubringen, richtet die Stadt mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und dem Digitalen Gründerzentrum "brigk" ein so genanntes "Living Lab" in der Fußgängerzone ein.

"Living Labs" sind eine neue Form der Kooperation zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft, bei der das gegenseitige Lernen in einem experimentellen Umfeld im Vordergrund steht. In Ingolstadt ist dieses "Living Lab" als "Showroom für dreidimensionale Mobilität" konzipiert.

Offiziell eröffnet wird es am Dienstag, 17. September, um 20 Uhr in der Ludwigstraße 39. Bereits ab 19 Uhr haben interessierte Bürger die Gelegenheit, schon vor der offiziellen Eröffnung einen exklusiven Blick ins "Living Lab" zu werfen und die verschiedenen Angebote zu testen. Gezeigt werden unter anderem Prototypen der Urban-Air-Mobility-Initiative, Drohnenflugsimulatoren und ein brigk-Air-Infoscreen.

Neben allgemeinen Informationen rund um die UAM-Initiative können auch individuelle Bürgerfragen beantwortet werden. Im Anschluss können alle Besucher der offiziellen Eröffnung des "Living Lab" beiwohnen. "Die Bürger sollen die Gelegenheit haben, sich aus erster Hand über Flugtaxis, Drohnen und Co. zu informieren und mögliche Einsatzbereiche kennenzulernen", erklärt im Vorfeld dazu Oberbürgermeister Christian Lösel.

Bernhard Pehl