Stammham
"Eine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt"

Heftige Diskussionen um Hähnchenmastanlage

23.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:09 Uhr
Rege diskutierten die Besucher der Infoveranstaltung der Bürgerinitiative "respekTiere unsere Heimat" im Högnerhäusl über die geplante Mastanlage für bis zu 206000 Tiere in der Nähe von Stammham. −Foto: Heimisch

Stammham/Wettstetten - Die Kritik war heftig, aber nicht unverschämt: "Diese riesige Hähnchenmastanlage wäre eine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt" hieß es von Seiten der Bürgerinitiative "respekTiere unsere Heimat" bei einer Informationsveranstaltung am Mittwochabend im Högnerhäusl. Dabei machten BI, Bürger und Fachreferenten auf die ihrer Ansicht nach negativen Auswirkungen des Großprojekts mit bis zu 206000 Mastplätzen aufmerksam, das der Stammhamer Landwirt Richard Wermuth östlich der Autobahn verwirklichen will.

 


Dass das Thema die Menschen in der Region sehr bewegt, wurde bei der ersten Versammlung der Stammhamer/ Hepberger Bürgerinitiative deutlich: Der Saal in der Ausflugsgaststätte war mit rund 180 Besuchern derart überfüllt, dass Dutzende Interessenten im Eingangsbereich stehen mussten - und manche gleich den Nachhauseweg antraten.

Den größten Beifall erhielt während der rund zweistündigen Versammlung der Grünen-Landtagsabgeordnete Paul Knoblach mit seiner Aussage: "Die Betreiber der Mastanlage verstehen die Zeichen der Zeit nicht oder wollen sie nicht verstehen!" Nach Ansicht des Ökobauern aus Schweinfurt kann nur eine ökologische Landwirtschaft die "Menschen ohne Schäden ernähren".

Ins selbe Horn stieß der BI-Sprecher aus Hepberg, Uwe Bodendiek: "So eine riesige Mastanlage ist nicht mehr zeitgemäß." Er informierte, dass die erst im Dezember gegründete Bürgerinitiative (sie will das von der Gemeinde Stammham eingeleitete Bauleitverfahren stoppen) seit vergangener Woche ein Verein sei.

Anschließend ging die zweite BI-Sprecherin Natalie Besl aus Stammham auf die Geschichte der Ansiedlung einer Hähnchenmastanlage in Stammham ein. So wollte Richard Wermuth 2017 seinen bestehenden Betrieb nahe dem Gewerbegebiet in Stammham ("Jurahof") von knapp 40000 auf bis zu 130000 Tiere erweitern. Das hat der Gemeinderat allerdings abgelehnt. Jetzt will der 56-Jährige auf einer Wiese direkt bei der A9 vier Ställe mit einer Größe von insgesamt rund 11000 Quadratmetern und zudem einen Wintergarten sowie ein "Kadaverhaus" bauen.

Das Vorhaben stieß am Mittwoch bei den Referenten auf strikte Ablehnung. Weil das Projekt laut Marion Ruppaner auf einem "Sondergebiet Nutztierhaltung" entstehen solle, könne der Betreiber auf "geringer Fläche viele Tiere halten". Auch müsse der Landwirt das Futter nicht selbst anbauen, sondern könne es einkaufen. Die Agrar-Ingeneurin vom Bund Naturschutz in Bayern sagte: "Die Anlage bei Stammham wird eine der größten im Freistaat." Nach ihrer Einschätzung sollen dort einmal 1,5 Millionen Hähnchen pro Jahr gemästet werden. "Dabei entsteht wertvoller Dünger. Die Frage ist nur: Wohin mit dem ganzen Mist?", so die Expertin. Ruppaner befürchtet außerdem starke Geruchs- und Lärmbelästigungen, zusätzlichen Lkw-Verkehr und vermehrt Keime in der Abluft. Noch dazu könnten in der Luft verstärkt Bioaerosole auftreten, die "allergische Reaktionen auslösen". Zudem erwartet sie Wertverluste für angrenzende Grundstücke.

Der Tierarzt und Tierschützer Henning von Lützow aus Pfaffenhofen ging auf die Tierhaltung in einer Mastanlage dieser Größenordnung ein: "Auch wenn die Hähnchen genügend Auslauf hätten - sie könnten diesen gar nicht packen, weil sie zu schwer sind. Außerdem bekommen sie offene Füße." Jedes Tier habe nur 0,06 Quadratmeter für sich zur Verfügung.

Drastischer drückte sich Landtagsabgeordneter Paul Knoblach aus: "Hier handelt es sich um Qualzucht und um einen Verkeimungsschwerpunkt!" Außerdem bezweifelte er, ob die Familie Wermuth überhaupt in der Lage sei, einen solch großen Betrieb aufrechtzuerhalten.

Als vierter Referent war der Orthopäde Albert Dirsch eingeladen worden. "Lungenerkrankungen von Leuten, die in einer derartigen Mastanlage arbeiten, sind erhöht", informierte der Arzt aus Eichstätt und Grünen-Kreisrat. Apropos: Stammhams Bürgermeister Hans Meier war nicht zur ersten Infoveranstaltung der BI gekommen - und zwar wegen eines anderen Termins, wie es hieß.

In der sachlich geführte Diskussion im Anschluss an die Vorträge meldete sich auch der stark kritisierte Landwirt zu Wort: "Die Bürgerinitiative und die Referenten haben gut argumentiert", räumte Richard Wermuth ein. Er unterstrich aber: "Nicht jeder Bauer kann auf Bio und Öko machen!" Viele Verbraucher wollten billig einkaufen. Außerdem merkte er an, dass die geplante Mastanlage "sehr weit weg vom Ort liegen werde" - nämlich rund einen Kilometer. Wermuth will, dass die Belastungen für die Bürger "möglichst gering sind", wie er unter großem Applaus versicherte. Das sehen viele Stammhamer offensichtlich anders: "Wir haben jahrelang unter massiven Belastungen durch die bestehende Mastanlage gelitten", führte Ralf Besl aus, dessen Wohnhaus nur rund 300 Meter vom Jurahof entfernt liegt. Er zeigte sich erfreut darüber, dass sich Wermuth der Diskussion stelle.

Dabei machten Besucher wie der Dollsteiner Landratskandidat Markus Pflüger (Die Linke) auf mögliche gesundheitliche Gefahren durch solch große Mastanlagen aufmerksam. Außerdem rief ein Gast dazu auf, hochwertige Lebensmittel zu kaufen.

Zum Schluss der Versammlung informierten Uwe Bodendiek und Stefanie Wendl von der Bürgerinitiative, dass die Mitglieder demnächst den Dialog mit der Gemeinde suchen würden. Außerdem plane die BI, ein Bürgerbegehren mit Bürgerentscheid zu starten. Zudem werde es einen weiteren Informationsabend geben.

Gemeinderat rechtfertigt Beschluss

StammhamÜber die Hintergründe des vom Stammhamer Gemeinderats am 12. Dezember gefassten Beschlusses zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans für die Ansiedlung   einer Hähnchenmastanlage informierte der Gemeinderat am vergangenen Wochenende alle Haushalte  in der Kommune. 

In dem Schreiben heißt es unter anderem: „Der Gemeinderat verfolgt mit der Planung insbesondere das Ziel, Erweiterungen der bestehenden Hähnchenmastanlage am  Jurahof zu vermeiden. Der bestehende Standort liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu bereits entwickelten Baugebieten der Gemeinde.“
Außerdem  teilt der Gemeinderat mit: „Nachdem sich für den Vorhabenträger die Gelegenheit bot, seine Planungen an einem neuen Standort östlich der Autobahn zu verfolgen, wurde der  Bauantrag zur Erweiterung des bestehenden Standorts zurückgezogen und die Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens beantragt.“  Weil dieser Standort mit sehr großer Entfernung zu den Stammhamer Siedlungsgebieten und der Nachbargemeinden   erhebliche städtebauliche Vorteile biete,  habe sich der Gemeinderat für die Einleitung des Verfahrens entschieden. 

In dem Schreiben weisen Bürgermeister Hans Meier und  alle vier Fraktionen  im Gemeinderat darauf hin,  dass der Entwurf ab sofort im neuen Rathaus für die Öffentlichkeit einsehbar    ausliegt. Und bis 18. Februar findet das Verfahren der sogenannten frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung statt. Außerdem wolle der Anlagenbetreiber voraussichtlich am 19. Februar eine Informationsveranstaltung abhalten.

Karlheinz Heimisch