Lenting
Ein Lentinger durch und durch

Hans Greis feiert heute seinen 90. Geburtstag ? Der dienstälteste DK-Mitarbeiter blickt auf ein bewegtes Leben zurück

16.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:56 Uhr
Hans Greis - spitzbübisch, wie er leibt und lebt: Der ehemalige DK-Redakteur und (dienst-)älteste freie Mitarbeiter feiert heute 90. Geburtstag. −Foto: Richter

Lenting (DK) Als er geboren wurde, war gerade die Visumspflicht zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien aufgehoben worden, der Deutsche Meister im Schwergewichtsboxen hieß Max Schmeling - und das legendäre Luftschiff LZ127, auch unter dem Namen Graf Zeppelin bekannt, unternahm seine erste interkontinentale Fahrt noch Nordamerika.

Wir schreiben das Jahr 1928, als Hans Greis im beschaulichen Lenting nördlich von Ingolstadt das Licht der Welt erblickt. Er ist seinem Heimatort bis heute treu geblieben, auch wenn "das Lenting meiner Kindheit mit dem im Jetzt nichts mehr zu tun hat", sagt er. Heute feiert der Buchautor, Kommunalpolitiker und frühere DK-Reakteur seinen 90. Geburtstag.

Nun ist es keineswegs so, dass Hans Greis nicht auch mal hinausgeschmeckt hätte in die weite Welt. Aber davon später mehr. Zunächst einmal geht der Bub ganz traditionell zur Schule im damals noch dörflichen Lenting, wo der Vater im heute längst verschwundenen Ziegelwerk arbeitet. Nach dem Abschluss erlernt er den Beruf des Bankkaufmanns, bevor Greis in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, er ist noch keine 17, in den Kriegseinsatz muss. Er hat Glück, nach zwei Wochen ist alles vorüber, Deutschland kapituliert. "Da war ich erst einmal ein halbes Jahr in Gefangenschaft bei den Amerikanern. "

Das Land liegt noch am Boden, als er gegen Ende 1945 in "sein" Lenting zurückkehrt. Sie können jeden brauchen, der gut anpacken kann. Hans Greis arbeitet zunächst als Bauhelfer an einer Brücke und später an der Autobahn. "In der Frühe bin ich zu Fuß bis nach Mailing und abends wieder zurück. "

Zwei, drei Jahre geht das so. Befriedigend findet er das nicht, und so bewirbt er sich beim Arbeitsamt. "Am Tag der Währungsreform haben sie mich eingestellt, weil ein Ansturm erwartet worden ist, wenn die Arbeitslosen zum Geldholen kommen. " Der Lentinger bleibt danach bei der Behörde, bis sich 1961 eine Chance auftut: Die Wirtschaft floriert, die ersten Gastarbeiter, wie sie damals hießen, kommen ins Land. Nun soll einer vom Arbeitsamt nach Verona und Interessierte anwerben. Hans Greis hebt sofort die Hand. "Italien hat mich schon immer fasziniert", sagt er. Er hatte schon einmal angefangen, die Sprache zu erlernen, was ihm auf seinem weiteren Lebensweg hilft.
Dann sitzt er plötzlich in einem Büro in Verona, mutiert vom Hans zum Gianni. Eine schöne und erfüllte Zeit. Arbeit ist das eine, Dolce Vita das andere. Hans Greis genießt es, "noch dazu bin ich gut bezahlt worden, mit Auslandszuschlag". Fast, so räumt er ein, wäre er "seinem" Lenting untreu geworden, "ich habe ernsthaft überlegt, ganz zu bleiben". Ein gutes Angebot bei der früheren Auto Union bringt ihn dann 1963 zurück nach Ingolstadt und in seinen Heimatort, wo der Sozialdemokrat sich wie schon vor seinem Weggang gleich wieder politisch engagiert. Am Ende sollen es 40 Jahre werden, die er im Gemeinderat sitzt, davon 16 Jahre als stellvertretender Bürgermeister.
Bankkaufmann, Bauhelfer, Arbeitsvermittler - 1970 tut sich die nächste Gelegenheit auf, einen weiteren Beruf zu ergreifen. "Hans, du wärst doch einer für uns, willst nicht Redakteur werden. ", fragt ihn ein Ressortleiter beim DONAUKURIER, für den er seit 1951 als freier Mitarbeiter tätig ist. "Also habe ich nochmal ein Volontariat gemacht", erzählt der heute 90-Jährige. Die Freude am Beruf ist ihm bis zuletzt geblieben, nur selten flucht er wie ein Pferdekutscher, erinnern sich ältere Kollegen - immer dann, wenn mal ein nahezu unbrauchbares Manuskript eintrudelt und zu redigieren ist. Lieber schreibt er selber, pointiert und mit oft spitzer Feder.
In all dieser Zeit bleibt Hans Greis der umtriebige Kommunalpolitiker, bis 1996. Er sei besonders für seine "spontanen Einfälle" bekannt gewesen, formuliert es der früherer Bürgermeister Ludwig Wittmann vor zehn Jahren, als Greis die Ehrenbürgerwürde in Lenting erhält. Ganz nach oben, zum Rathauschef, hat es knapp nicht gereicht, es gibt eine Anekdote um seine Kandidatur: Der Greis-Hans, so erzählten sie im Ort, habe seine aus Hamburg stammende Monika nur geheiratet, weil man es mit einem "g'schlamperten Verhältnis" in Bayern nicht in dieses Amt schafft. "Den Schmarrn", sagen Monika und Hans Greis heute, "haben die CSUler in die Welt gesetzt". Wer die beiden im Umgang miteinander beobachtet, weiß sofort, dass es nie und nimmer eine Zweckehe war, als sie 1977 vor den Traualtar traten. Sie lieben sich und sie reiben sich mitunter aneinander, aber der gegenseitige Respekt ist stets geblieben. "Ich mag seine Großzügigkeit in jeder Art, das meine ich nicht finanziell", sagt Monika Greis und lächelt ihn an.

"Alles Gute, bleib nur gesund, Hans. " - das wünscht auch die DK-Redaktion einem Treibauf, der es nicht lassen kann, weiter in die Tasten zu hauen. Ein Buch über das alte Lenting hat er geschrieben und unzählige Artikel, seit er 1993 angeblich den Ruhestand einläutete. Wirklich 90 Jahre alt soll er schon sein, der Mann mit diesem spitzbübischen Lächeln. Kaum zu glauben. Er möchte freier Mitarbeiter bleiben, solange es geht. "Ich brauche den Umgang mit den Menschen und der Sprache", sagt der Jubilar. "Die geistige Bewegung hält mich fit. " .

Horst Richter