Ingolstadt
Ein Geständnis, aber wenig Einsicht

Ehemaliger Bierfachgeschäft-Betreiber gibt Betrügereien zu - sucht am Landgericht aber weiter Ausflüchte

16.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:01 Uhr
Amtlich geschlossen: Im Januar 2017 sperrte die Stadt das "Bier-Schmankerl" an der Ziegelbräustraße zu, da bekannt geworden war, dass gegen den Betreiber bereits seit 2005 eine Gewerbeuntersagung durch das Landratsamt Dachau vorliegt. Vor diesem Laden hatte der 44-Jährige schon ein Biergeschäft an der Sauerstraße und in der Höllbräugasse betrieben und wollte nach Eichstätt expandieren. Überall hinterließ er Mietrückstände und anderen Ärger. −Foto: Hammer/Archiv

Ingolstadt (DK) Wie im falschen Film müssen sich viele seiner geprellten Geschäftspartner vorgekommen sein.

Für das wirtschaftliche Geschick eines 44-jährigen Sachsen, der Ingolstadt mit seinem bekannten Innenstadtladen in die Craftbier-Szene heben wollte, hatte der Vorsitzende Richter Jürgen Staudt einen anderen cineastischen Vergleich parat: "Kennen Sie James Dean? Denn sie wissen nicht, was sie tun"- so fragte und antwortete der Vorsitzende der Berufungskammer am Ingolstädter Landgericht gestern selbst. Dorthin haben die Machenschaften den 44-jährigen Angeklagten geführt, der zwar als Kaufmann eine Null sein mag, es aber offenbar sehr gut versteht, seine Gegenüber mit vollmundigen Versprechungen um den Finger zu wickeln. Da der wirtschaftliche Erfolg seiner Unternehmungen aber so gut wie immer ausbleibt und die finanzielle Schieflage sich schnell einstellt, häufte er einige Bierbestellungen und Mietverhältnisse an, deren Rechnungen er letztlich nicht mehr bedienen konnte. Oder auch nie vorhatte, sie zu zahlen, da er um die gravierende Ebbe in der Kasse wusste, gewerbsmäßiger Betrug wirft ihm die Staatsanwaltschaft unter anderem vor. Auf rund 50000 Euro soll sich der Schaden angehäuft haben.

Doch wie auch gestern anfangs in der Verhandlung wieder zu erleben war, sind es für den 44-Jährigen angeblich fast immer die anderen, die Schuld an der jeweiligen Situation hätten. Ja, er habe Fehler gemacht, wolle aber nicht für die anderen den Kopf hinhalten, so sein Eingangstatement. Mit herumlavieren probierte es der Sachse, kam aber letztlich am Landgericht nicht weit mit dieser Taktik. "Sie stellen irgendwelche Behauptungen auf - und dann ist es doch wieder ganz anders; so wie Sie in ihrem Geschäft umgegangen sind! ", sagte Staudt deutlich. Buchungsbestätigungen oder andere Belege für angebliche Abmachungen fehlten reihenweise. Mit Staatsanwalt Steffen Kill trieb der Richter den Angeklagten relativ schnell in die Enge, weil dieser sich in Widersprüche über seinen Laden und die offenen Bierlieferungen verstrickte. "Sie kennen Ihre eigenen Rechnungen nicht! ", entfuhr es Staudt irgendwann.

Angesichts der ständig neuen Einlassungen des Angeklagten wollte der Richter bald "Klartext reden". Immerhin habe der Geschäftsmann seinerzeit unter offener Bewährung gestanden und sei "alles andere als ein unbeschriebenes Blatt". Fast ein Dutzend, teils einschlägige Vorstrafen zieren sein Kerbholz. Der Mann schleppt seit 2005 (! ) eine Gewerbeuntersagung durch das Landratsamt Dachau mit sich herum, was ihn allerdings eben nicht daran hinderte, wieder ein Gewerbe in Ingolstadt anzumelden und damit auf die schiefe Bahn zu geraten.

"Gewerbsmäßiger Betrug", nannte Staudt noch als sehr wichtiges Schlagwort. Der stehe im Raum, sei auch von der Staatsanwaltschaft so angeklagt, finde sich aber im erstinstanzlichen Urteil des Ingolstädter Amtsgerichts nicht mit einem Wort. Vom dortigen Schöffengericht war der Craftbier-Händler heuer im Januar zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden - wogegen der Verurteilte (und auch die Staatsanwaltschaft) Berufung eingelegt hatten. Auch wenn er Teile des Urteils tatsächlich anzweifelte, so stellte Staudt auch klar: Es werde nach vorläufiger Wertung der Akten auch hier am Landgericht eine Freiheitsstrafe herauskommen, die keinesfalls zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Und was die drei Jahre betrifft - "es kann auch deutlich mehr werden". Der Angeklagte solle auf jeden Fall in sich gehen und sich mit einem Geständnis einen Bonus verdienen.

Das alles fiel dem Angeklagten ausgesprochen schwer, wie auch seine Reaktion auf ein folgendes Rechtsgespräch der Prozessbeteiligten zeigte. Die Kammer, der Staatsanwalt und Verteidiger Reinhard Riedel schmiedeten einen Deal, wonach zwischen einem Jahr und neun Monate sowie höchsten zwei Jahre und drei Monate Gefängnis verhängt werden sollten - vorausgesetzt immer ein vollumfängliches Geständnis des Sachsen. "Es sind schon viele Betrugsvorwürfe eingestellt worden. Das alles ist nur die Spitze des Eisbergs", erinnerte der Richter an das Ermittlungsverfahren. Trotz dieser goldenen Brücke und einem Verteidiger, der mit Engelszungen auf ihn einredete, brauchte der Angeklagte noch Bedenkzeit bis nach der Mittagspause, um sich zu erklären: Er gestand die Betrugsfälle dann aber ein. "Ich habe viele Fehler gemacht, dafür sollte man geradestehen", verkündete er.

Wie weit die Einsicht wirklich geht, bleibt die große Frage bei dem Mann, der dann am Nachmittag schnell wieder in alte Muster verfiel, als das Gericht die ersten Zeugen (den Sachbearbeiter von der Kripo und die Insolvenzverwalterin des Pleitebetriebs) hörte, um die genaue Schadenshöhe zu ermitteln. Dass er in der Firma über Monate offenbar mit völliger Unterdeckung (Forderungen im fünfstelligen Bereich) weitergewurstelt hatte, wollte der Angeklagte dann doch nicht hören und fand schon wieder viele Erklärungen dafür.

Der Prozess wird am 28. Oktober fortgesetzt, dann werden mutmaßlich geprellte Geschäftspartner befragt, zu denen der 44-Jährige sicherlich auch wieder Anmerkungen hat

Christian Rehberger