Ein Fläschchen für das Schaf

Familie Roth hat ein verstoßenes Lamm vor dem Tod bewahrt und wieder aufgepäppelt

27.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr

Schaf im Glück: Familie Roth aus Münchsmünster hat ein verstoßenes Lamm mit der Flasche aufgezogen und ihm so das Leben gerettet - Foto: Lamprecht

Münchsmünster (DK) Vier kleine Hufe klappern über den Küchenboden. „Lia, wo bist du“, ruft Edith Roth. „Mäh, mäh“, tönt es und Lia saust heran. Gut drei Wochen ist das kleine Lamm jetzt alt und genauso fröhlich wie seine Spielkameraden auf der Weide. Dass Lia aber überlebt hat, grenzt an ein Wunder.

Es ist der 26. Februar, morgens Viertel vor sieben, als Erwin Roth in den Stall eines Bekannten kommt, um dessen Schafe zu versorgen. In einer Ecke, ganz alleine im Stroh, findet er ein winziges Lämmchen. Die Mutter ist nicht zu sehen. Das Tier ist zwar trocken, wurde aber ersichtlich nicht von der Mutter sauber geleckt. Es zittert vor Kälte und ruft schon jetzt nur noch schwach nach seiner Mutter. Erwin Roth weiß sofort: Wenn er nicht hilft, stirbt das Lamm.

Roth eilt nach Hause, informiert seine Frau und die zwölfjährige Tochter Lisa. Auch sie fackeln nicht lange. Sofort telefoniert Edith Roth mit Bekannten und Freunden, die sich mit Schafen und Ziegen auskennen. Die einhellige Antwort: Das Lämmchen braucht die Biestmilch der Mutter.

Zusammen mit einem Freund fängt die Familie die Mutter ein und melkt sie. Als es so weit ist, scheint für das Lamm aber schon jede Hilfe zu spät zu kommen. „Sie war nur noch ein Häufchen Elend“, erinnert sich Roth. Ganz vorsichtig, Schlückchen für Schlückchen flößen sie dem Winzling die Milch ein. Streichen über den Hals, damit das Lämmchen schlucken kann. „Wir haben sie dann in Decken gepackt und vor den Ofen gelegt. Und dann haben wir gehofft und alle paar Minuten geschaut, ob sie überhaupt noch atmet.“

Dramatische Stunden im Hause Roth. Am Ende aber ging doch noch alles gut. Schon am Abend trank das kleine Lamm, das inzwischen von seiner Ziehfamilie den Namen Lia, „die Löwenstarke“, bekommen hatte, zum ersten Mal selbstständig aus dem Fläschchen. Zwei Tage später hüpfte es herum wie jedes andere Lamm auch.

Heute, drei Wochen später, ist Lia ein fester Bestandteil der Familie, auch wenn sie, da ist sich die Familie Roth einig, trotz allem ein Schaf bleiben und wieder in die Herde integriert werden soll. Das ist auch der Grund, aus dem Lia jeden Tag „zu den anderen Schafen in den Kindergarten geht“, wie Edith Roth schmunzelnd sagt. „Am Anfang habe ich ihr alle zwei Stunden ein Fläschchen gegeben“, erzählt sie. Mit der Zeit wurden die Abstände größer. Inzwischen sind es nur noch fünf Fläschchen täglich, die Nacht hält Lia schon ohne Fütterung durch und „sie hat sogar schon angefangen, mit den anderen Heu zu fressen“, freut sich ihre Ziehmutter.

Bald, so sagt sie, soll auch der große Tag sein, an dem die kleine Lia zum ersten Mal alleine bei der Herde und nicht mehr in der Hundebox im Hause Roth schläft. Ein wichtiger Schritt, auch wenn es Edith Roth nicht leichtfällt, ihr kleines Schafskind sich selbst zu überlassen. Und das gleich aus zwei Gründen: Zum einen soll Lia ein Leben als Schaf führen können und zum anderen fährt die Familie Roth bald in Urlaub. Dann muss Lia daran gewöhnt sein, bei den anderen Schafen zu sein.

Ganz allein wird sie aber trotzdem nicht sein. „Eine Nachbarin wird sich um sie kümmern“, sagt Roth. Und auch sonst haben einige Bekannte zugesagt, bei der Versorgung des Lamms zu helfen. „Wir haben sogar eine ganz liebe Karte von jemandem bekommen, der sich bereit erklärt hat, sich um die Kleine zu kümmern und sie für die Zeit zu sich zu nehmen, falls sie sich in der Herde noch nicht wohlfühlt“, freut sich Roth.

Überhaupt seien viele Leute auf sie zugekommen und hätten geholfen. „Die Nachbarskinder haben uns Milch gebracht. Andere haben der Lia sogar ihre Fläschchen geschenkt“, sagt sie glücklich. Und auch das kleine Schaf scheint sich zu freuen, für sie bedeuten die Fläschchen schließlich Futter und sind alleine schon deshalb mindestens so einladend wie Mamas Zitzen.

Aber auch wenn Menschen zu Lias Ersatzfamilie geworden sind, eines ist klar: Vermenschlicht soll das kleine Schaf nicht werden. „Sie wird ein ganz normales Schafsleben führen“, sind sich die Roths einig. Nur mit einem Unterschied. Geschlachtet werden darf die kleine Lia niemals, das hat ihr Besitzer fest versprochen. „Sie hat sich ihr Leben wahrlich verdient.“