Ein Beben in der Eigentümerszene

27.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

Ingolstadt (DK) Nicht jede Nachricht aus dem Polizeibericht hat solche Breitenwirkung: Die Verhaftung eines Ingolstädter Hausverwalters in der vergangenen Woche schlägt noch immer hohe Wellen. Über 1000 Wohnungseigentümer könnten von den Machenschaften des Mannes betroffen sein.

Wie berichtet, wird der 45-jährige Geschäftsmann, der seit einigen Jahren eine schon länger bestehende Hausverwaltungsfirma geführt hat, der Veruntreuung von Kundengeldern in großem Stil verdächtigt. Die Polizei hatte gleich zu Beginn ihrer Ermittlungen Hinweise auf eine möglicherweise sechsstellige Schadenshöhe erhalten und entsprechend schnell gehandelt: Die Festnahme des Firmenchefs am vergangenen Donnerstag ging mit Durchsuchungen der Geschäftsräume und der Wohnung des Beschuldigten einher. Inzwischen sitzt der Verwalter in Untersuchungshaft.

Seither wird bei der Ingolstädter Kripo, die hierzu eine mehrköpfige Ermittlergruppe gebildet hat, umfangreiches Material zu Verwaltungsverträgen und vor allem zu den zugehörigen Kontobewegungen gesichtet. Wie die Polizei erklärt, geht es dabei um einige bereits entdeckte und mögliche weitere Unregelmäßigkeiten bei den Rückstellungen für Hausrenovierungen und Reparaturen, wie sie bei Eigentümergemeinschaften üblich sind. Auf solchen Konten werden in der Regel pro Wohnanlage einige zehntausend Euro für den Fall der Fälle „geparkt“.

Nach DK-Informationen haben die Ermittler bislang den Eindruck gewonnen, dass zwischen diesen Konten, die eigentlich streng getrennt geführt werden sollten (siehe Kasten unten), etliche Bewegungen stattgefunden haben, wobei allem Anschein nach vom Beschuldigten erhebliche Beträge für eigene Zwecke entnommen worden sein könnten.

Wie berichtet, hatte eine betroffene Eigentümergemeinschaft solche Unregelmäßigkeiten zum Anlass für eine Überprüfung durch die kontoführende Bank genommen, was dann zur Strafanzeige gegen den Verwalter geführt hatte. Ein Insider sprach gegenüber dem DK angesichts der fraglichen Transaktionen vom Eindruck eines „Verschiebebahnhofs“, weil offenbar immer wieder Beträge von einem Konto aufs nächste überwiesen wurden, um durch Entnahmen aufgerissene Löcher zu stopfen.

Sind nun wirklich alle gut 1000 Wohnungsbesitzer, die bislang vertraglich an die Firma des Beschuldigten gebunden waren, auch von Manipulationen betroffen? Dazu kann die Polizei derzeit noch keine zuverlässigen Angaben machen. Der Umfang der mutmaßlichen Veruntreuungen dürfte sich erst allmählich herauskristallisieren – womöglich erst in einigen Wochen.

Natürlich hat der Fall aber alle möglicherweise betroffenen Wohnungsbesitzer aufgeschreckt und in der Hausverwalterszene jede Menge Staub aufgewirbelt. „Die Branche ist aufgerüttelt“, sagte ein Kenner dem DK. Viele Hausverwaltungen in der Stadt sehen sich unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck, weil die Veröffentlichungen über die ganz massiven Verdächtigungen der Polizei gegen ein Branchenmitglied zu erheblichen Irritationen quer durch die Reihen der Wohneigentümer geführt haben. Nach DK-Informationen werden in diesen Tagen etliche außerordentliche Eigentümerversammlungen anberaumt, die die Überprüfung von Verwaltungsabrechnungen und von Kontoständen zum Thema haben – zuvorderst natürlich für jene Wohnanlagen, für die der verdächtigte Verwalter tatsächlich zuständig war.

Derweil werben unverdächtige andere Unternehmen der Branche verstärkt um Kunden unter diesen potenziell betroffenen Eigentümern. Denn offenkundig ist, dass sich für diese Klientel derzeit ein großes Vakuum auftut: Die Firma des verhafteten Geschäftsmannes ist zwar rechtlich noch existent, praktisch aber auf unbestimmte Zeit außerstande, die Anforderungen aus den bestehenden Verträgen zu erfüllen. Das Büro ist derzeit geschlossen; per Anrufbeantworter wird um Verständnis für diese Situation gebeten.

Das Personal des Verwalters – nach DK-Informationen insgesamt zehn Büro-, Hausmeister- und Reinigungskräfte – ist von einem Tag auf den anderen arbeitslos geworden und teils offenbar bereits auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung. „Uns hat noch niemand gesagt, wie es weitergeht“, klagte gestern ein Betroffener auf Anfrage. Dass es irgendwann noch einmal normal zugehen könnte mit den Firmengeschäften, kann sich allerdings kaum jemand vorstellen. Das Vertrauen, so heißt es, sei einfach zerstört.