Dichterfürsten und Flankengötter

26.04.2009 | Stand 03.12.2020, 5:00 Uhr

Dichterlesung: Der Schriftsteller Albert Ostermaier (2. v. l.) trug recht schwungvoll die Aufstellung seiner Mannschaft vor. Moderator Johannes Langer (l.) und Poetentrainerin Petra Kleine (r.) amüsierte es.

Ingolstadt (DK) Die Fans machten sich eher rar, aber die Herren auf dem Fußballfeld hatten trotzdem ihren Spaß. Nach phasenweise dramatischem Einsatz unterlag die Nationalmannschaft der Autoren am Samstag einer Stadtauswahl mit 1:3. Den Erlös der Benefizbegegnung – 895 Euro – bekam Bruder Martin Berni.

Ohne eine Lesung zum Aufwärmen rollt bei diesen Herren kein Ball. Johannes Langer, der Sportplatzsprecher, schien das zu ahnen und rezitierte mit angemessenem Pathos ein unbekanntes Werk voll pfiffiger Fußballprosa aus der Feder eines Hans Meyer, Trainer von Borussia Mönchengladbach, gefeuerter Nationalheld Frankens und vormals Übungsleiter der Nationalmannschaft der Autoren (Autonama). Sein Text galt Petra Kleine, welche diesmal die kickenden Künstler taktisch auf Vordermann brachte und Meyer zuvor um Tipps gebeten hatte.

 
Es folgte der Kurzauftritt des 23. Spielers, der indes ähnlich orientierungslos unterwegs war wie Toni Schumacher im WM- Finale 1986. "Was muss ich jetzt tun", flüsterte Bruder Martin Berni, der Profiteur des Benefizspiels. Antwort: Anstoßen!
 
Als er es vollbracht hatte, erlebten die Fußballer ereignisreiche 90 Minuten. Auch die 40 zahlenden Zuschauer samt den Funktionären genossen einen netten Nachmittag. Die Stadtauswahl bestritt die ersten Minuten unter der Führung von Interimstrainer Rudi Hofweber, weil der wahre Teamchef Joachim Genosko – direkt vom Strategiegipfel der CSU-Fraktion am Gardasee herbeieilend – verspätet am Spielfeld an der Jahnstraße eintraf. Der Professor übernahm sofort souverän die Leitung: "Und nach vorn!"
 
Auch auf der Gegenseite gab die Trainerin Petra Kleine strategisch ausgefeilte Kommandos: "Immer feste druff!" Das Spiel ihrer Poeten-Truppe erinnerte allerdings phasenweise an die Romane des Martin Walser: bemüht, aber ohne zündende Idee. Die Mannschaft um Albert Ostermaier, Falko Hennig, Jörg Schieke, Wolfgang Maria Bauer und Uli Hannemann lieferte in der ersten Hälfte einige traurige Kapitel ab. Es war, als huldigten die Autoren mit ihrer auffälligen Abschlussschwäche Franz Kafka, dessen drei Romane unvollendet blieben. Sogar ein Moritz Rinke, der schon mit Erfolg den Untergang der Nibelungen neu betextet hat, fand einfach keinen Weg durch die Abwehrreihe der Schanzer.
 
Dabei waren bei denen einige Herren über 50 aufgelaufen. Der wendige Werner Widuckel etwa, stets anspielbarer Personalvorstand von Audi, Kulturreferent Gabriel Engert, der links wie rechts kann und mit seinem wehenden Langhaar aus der Ferne ein wenig an den jungen Günter Netzer erinnerte, oder die impulsive Sturmspitze Peter Jackwerth, den die Dichter vor der Pause gleich zweifach auf dem rechten Flügel sträflich alleine ließen. Ein Mal stoppte ihn der Abseitspfiff des Schiedsrichters Werner Ross, worauf Jackwerth wütend den Ball ins Aus drosch, ein Mal schoss er regulär ins Grüne.
 
Derart munter ging es weiter. Nach dem 1:0 der Ingolstädter (Harald Gärtner nach Traumflanke von Ralf Andresen) drehten die Dichter voll auf, kamen aber weder an Ludwig Hauser, Sascha Römisch oder Sven Zywitza vorbei, noch am DK: Lokalredaktionsmatador Christian Rehberger lenkte die Abwehr gelassen, unbeeindruckt von der Selbstanfeuerungsprosa der Autoren (ein fast lyrisches Beispiel: "Obacht! Mir ham kein Mittelfeld mehr in der Mitte!"), und Torhüter Stefan König ließ sich nur ein Mal bezwingen: Wolfgang Maria Bauer hieß der Glückliche, bekannt als ZDF-Kommissar Siska. Ihm gelang – ebenfalls nach Premiumflanke – ein Tor wie ein Gedicht. Die Schanzer aber trafen noch zwei Mal (Gärtner / Torsten Holm). Dann war es geschafft.
 
Am Ende wäre sicher der populäre Zweizeiler: "Der Dichter, der Dichter, der kriegt was auf die Lichter" angebracht gewesen. Doch Albert Ostermaier kommentierte die Niederlage lieber mit der Gelassenheit eines Bohémiens: "Wir sind nur unserer sozialen Verantwortung gerecht geworden, schließlich sind wir Schriftsteller!"