Ingolstadt
Das Nazi-Mantra der Honigschleuder

„Volk – Heimat – Dorf“: Ausstellung im Bauerngerätemuseum über das frühere ländliche Bayern

20.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr
Die aktuelle Ausstellung im Bauerngerätemuseum Hundszell beschäftigt sich mit den Ausprägungen der Nazi-Ideologie auf dem Land. −Foto: Hauser, Johannes, Ing (Hauser, Johannes, Ing)

Ingolstadt (DK) Das Leben auf dem Land und der Nationalsozialismus: Wie stark hat die Propaganda damals die Dörfer wirklich geprägt? Wie weit hat die NS-Ideologie das Leben der Menschen beeinflusst? Fragen wie diese will die neue Ausstellung im Bauerngerätemuseum ab Sonntag beantworten.

Auf den ersten Blick ist nichts Besonderes an der alten Honigschleuder, die neben vielen Objekten in der Ausstellung „Volk – Heimat – Dorf“ gezeigt wird. Wer jedoch genau hinschaut, erblickt auf dem Handrad der Kurbel den Schriftzug „Sieg Heil“. Beim Schleudern des Honigs wurde also gebetsmühlenartig ständig der Gruß aus der Nazizeit abgespult.

Gewiss ein extremes Beispiel, wie weit der Nationalsozialismus in den Alltag der Menschen hineinreichte. Doch die braunen Machthaber ließen keinen Bereich der Lebenswelt aus, um die Menschen zu indoktrinieren. Auch auf dem Land nicht. So schrieb etwa das erste Tierschutzgesetz aus dem Jahr 1933 die Betäubung der Schlachttiere vor deren Tötung vor. Doch das nutzte die Nazi-Propaganda sofort aus, um auf angebliche Gräuel beim jüdischen Schächten hinzuweisen.

Die Ausstellung richtet den Blick auf den ländlichen Raum Bayerns in den 30er- und 40er-Jahren. Speziell die Landwirte standen im Fokus der Propaganda. Das Landleben wurde förmlich überhöht, der Bauer galt als wichtiger Faktor in der Ernährung der Bevölkerung – und später in der Kriegswirtschaft. Technisierung und Ertragsteigerung waren genauso wichtig wie das Reichserbhofgesetz, der Anbau neuer Pflanzen, um die „Fettlücke des Reiches“ zu schließen, oder die Vereinnahmung von bäuerlichen Trachten oder christlichen Festen durch die Nazi-Ideologie, was freilich nur teilweise gelang. Doch zeigte sich Adolf Hitler bis 1933 immer wieder auf offiziellen Fotos in Lederhosen, wie zu sehen ist.

Aus den Beständen des Bauerngerätemuseums Hundszell stammt eine weitgehend originale Werkzeugkiste, die angehenden Häuslebauern die Arbeit erleichtern sollte. Denn nach dem Motto „Zurück zur Scholle“ sollten möglichst viele Kleinsiedlerstellen entstehen, die neben Wohnraum auch die Möglichkeit zur Nebenerwerbslandwirtschaft boten. Doch die Beeinflussung begann schon viel früher. Nazi-Spielzeug mit jeder Menge Soldaten, die damals beliebten Sammelalben oder Würfelspiele wie „Wir ziehen gegen Engeland“, die auch ausgestellt werden, zeigen die massive Unterwanderung bereits im Kindesalter. Später kamen dann der Arbeitsdienst dazu und kriegsverherrlichende Bücher. Für die Frauen gab’s Modezeitschriften – mit ausschließlich blauäugigen, blonden Frauen mit Zöpfen auf den Titelseiten – und später das Mutterkreuz. Originale wie die alte Kochkiste oder Anleitungen zur Seidenzucht machen anschaulich, mit welchen Mitteln im Krieg versucht wurde, Energie und Rohstoffe zu sparen – und wie mit Sammelaktionen wie dem Winterhilfswerk an die Solidarität der Bevölkerung appelliert wurde.

Zwei weitere Aspekte bereichern die sehenswerte Gemeinschaftsausstellung des Bauerngerätemuseums und der süddeutschen Freilandmuseen. In Veitshöchheim haben sich Objekte aus der Synagoge erhalten, die das jüdische Leben am Land zeigen. Der Schluss der Schau ist dann der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gewidmet. Ein „entnazifizierter Mantel“ oder Geschirr aus alten Metallteilen führen eindringlich vor Augen, wie groß die Not damals war. Bis Ende Oktober ist die Ausstellung zu sehen.